| # taz.de -- Streit um Energiekosten: Billigstrom für die Industrie | |
| > Greenpeace hat errechnet, wieviel Geld bestimmte Branchen bei den | |
| > Stromkosten sparen: neun Milliarden Euro im Jahr. Dafür zahlt der Rest | |
| > des Landes mehr. | |
| Bild: Nicht ganz sauber: Auch die Papierindustrie profitiert vom Günstigstrom. | |
| BERLIN taz | Die Regelungen tragen sperrige Namen wie Spitzenausgleich, | |
| Konzessionsabgabenverordnung oder Eigenstromprivileg: Dahinter verbirgt | |
| sich ein Gestrüpp an Paragrafen, mit denen sich Teile der Industrie seit | |
| Jahren günstige Strompreise sichern. | |
| Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft und das Institut für | |
| Zukunftsenergie-Systeme haben jetzt im Auftrag von Greenpeace untersucht, | |
| wer die Subventionen eigentlich nötig hat und wer nicht. Sie summieren sich | |
| mittlerweile auf 9 Milliarden Euro im Jahr. | |
| Greenpeace lehnt die Vergünstigungen nicht generell ab, fordert aber mehr | |
| Transparenz. Die Bundesregierung solle sich auf wichtige Branchen | |
| konzentrieren, während sich andere stärker an den Kosten der Energiewende | |
| beteiligen sollten. „Die pauschalen Vergünstigungen schaden der | |
| Energiewende und den Bürgern“, sagt Niklas Schinerl, Energieexperte von | |
| Greenpeace. | |
| Er kritisiert vor allem die zum Teil völlig unterschiedlichen Kriterien, | |
| mit denen einzelne Vergünstigungen gewährt werden. Gehört ein Unternehmen | |
| dem produzierenden Gewerbe an, wird es von der Stromsteuer befreit. Wer | |
| sich von der Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG) befreien | |
| lassen will, muss dagegen einen bestimmten Mindestverbrauch nachweisen und | |
| ein Gut produzieren, das besonders viel Strom frisst. Aluminiumhütten etwa | |
| sind für Greenpeace ein Beispiel, bei dem ein Preisnachlass wegen des | |
| harten internationalen Wettbewerbs gerechtfertigt sei. | |
| Die [1][Studie] bezieht sich dabei auf offizielle Zahlen, etwa das | |
| Statistikamt der EU. Demnach sind die Strompreise für die energieintensive | |
| Industrie in den letzten Jahren fast in der gesamten EU gestiegen – außer | |
| in Deutschland. Hierzulande haben sich die Wettbewerbsbedingungen also eher | |
| verbessert. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte erst am | |
| Wochenende ausgeschlossen, die Vergünstigungen für die Industrie bei der | |
| EEG-Umlage einzuschränken. | |
| Die Privilegien sind aber auch Teilen der Wirtschaft ein Dorn im Auge: Beim | |
| Bundesverband mittelständische Wirtschaft kritisiert man, dass kleine, | |
| energieintensive Unternehmen ausgeschlossen sind. Das Prognos-Institut hat | |
| [2][ermittelt], dass im Jahr 2011 etwa ein Maschinenbauer 14,75 Cent, ein | |
| Stahlwerk dagegen nur 7,31 Cent pro Kilowattstunde Strom zahlte. Für das | |
| Kleingewerbe sind es 17,8 Cent, ein Privathaushalt zahlt fast 25 Cent. | |
| Laut Greenpeace könnten etwa Papier- und Kartonhersteller locker höhere | |
| Preise verkraften. Diese sehen das nicht so: „Die Berechnungen und | |
| Schlussfolgerungen können wir so nicht nachvollziehen“, teilte der Verband | |
| Deutscher Papierfabriken der taz auf Anfrage mit. „Weitere | |
| Strompreiserhöhungen würden die Branche schwer treffen“, sagte ein | |
| Sprecher. Derzeit würde seine Branche lediglich 2 Prozent Gewinn vor | |
| Steuern erzielen. Ende des Jahres laufen die Privilegien für die Industrie | |
| bei der Ökosteuer aus – derzeit wird über eine EU-konforme Verlängerung | |
| verhandelt. | |
| 14 Jun 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/energie/2012-FOES… | |
| [2] http://www.bmwi.de/Dateien/BMWi/Publikationen/Studien/untersuchung-einer-na… | |
| ## AUTOREN | |
| Ingo Arzt | |
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