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# taz.de -- Taz-Serie: Grenzen des Wachstums: Der Kapitalismus stranguliert sic…
> André Gorz gilt als Öko der ersten Stunde: Schon in den 1970er Jahren
> kritisierte er eine Fixierung auf Wirtschaftswachstum. Ist Freie Software
> ein Vorbild zur Lösung?
Bild: Wie lange macht er es noch?
BERLIN taz | Unter den Linken war er einer der allerersten Ökos: Während
andere Marxisten Fortschritt und materielle Umverteilung ins Zentrum
stellen und Sozialdemokraten die staatliche Ankurbelung der Wirtschaft à la
Keynes bis heute für progressiv halten, kritisierte der französische
Sozialphilosoph André Gorz schon in den 1970er Jahren die Fixierung auf
Wirtschaftswachstum.
So ein System sei nicht tragfähig, so Gorz. Zum einen stranguliert sich das
kapitalistische System auf Dauer selbst: Weil immer nur die Firmen
überleben, die ihre Produktivität laufend erhöhen und die Preise senken
können, muss immer mehr hergestellt werden: Nur so sind die Gewinne auf
gleichem Niveau zu halten. Damit immer mehr hergestellt werden kann, müssen
die Waren möglichst kurzlebig und irreparabel sein. Folglich werden die
Bodenschätze immer schneller ausbeutet.
Doch nicht allein die damit einhergehenden Umweltbelastungen und der
absehbare Mangel einiger Stoffe treiben das System in den Kollaps: Die
immer billigere und mit immer weniger Personal abgewickelte Produktion kann
die Gesamtprofite nicht mehr steigern. Deshalb investieren große Firmen
ihre Gewinne heute in die Finanzindustrie.
Die "schöpft Geld mithilfe von Geld, substanzloses Geld, indem sie
Finanzaktiva kauft und verkauft und Spekulationsblasen aufbläht". Schon vor
der Finanzkrise 2008 beschrieb Gorz dieses "schwindelerregende Anwachsen
von Schulden aller Art" und prognostizierte den Zusammenbruch des
Bankensystems.
## Markenartikel werden künstlich mit Bedeutung aufgeladen
Am Laufen gehalten wird das System bisher nur dadurch, dass es der
Wirtschaft gelingt, ständig neue Bedürfnisse zu erzeugen. Markenartikel
werden künstlich mit Bedeutung aufgeladen, Waren zu Erfolgssymbolen.
Für Leute ohne Vermögen bedeutet das: Sie arbeiten, um Geld zu verdienen
und mehr Konsumgüter erwerben zu können. So werden sie zu Komplizen des
Systems, indem sie Jobs und hohe Löhne fordern - egal was damit geschaffen
wird. "Weil es keine Grenze für die Geldmenge gibt, die man verdienen und
ausgeben könnte, darum wird es auch keine Grenzen der Bedürfnisse geben,
die mit Geld zu befriedigen sind - und keine Grenze für den Bedarf nach
immer mehr Geld."
Das Wort Wachstum bekommt dabei einen "affektiven, nahezu religiösen Wert",
schreibt Gorz. Inhalte spielen in diesem System keine Rolle. "Je mehr,
desto besser, ob es sich um Geschwindigkeit, Einkommen, Umsatz,
Kapitalisierung, Lebensdauer, Konsumniveau handelt."
Doch Gorz war kein Pessimist. Im Einsatz von Robotern und anderen Maschinen
sah er stets die große Chance zur Arbeitszeitverkürzung und damit ein
großes Freiheitspotenzial. Wenn autonome Individuen diese Freiheit nutzen
für Kooperation und Selbstorganisation, gibt es eine tragfähige Alternative
zum destruktiven Kapitalismus, so Gorz. Kurz vor seinem Tod 2007
veröffentlichte er einen Aufsatz unter dem Titel "Weltkrise, schrumpfendes
Wachstum und Ausweg aus dem Kapitalismus".
In der Software, die ein extremer Rationalisierungstreiber ist, entdeckte
Gorz einen mächtigen Hebel zur Überwindung der Wachstumsspirale. Denn immer
mehr Programmierer schaffen heute freie Software und pflegen eine "Ökonomie
der Unentgeltlichkeit" - jeder auf der Welt kann die Produkte einfach
nutzen.
Inzwischen ist diese Form des Wirtschaftens auch schon in die Produktion
übergesprungen: In ersten dezentralen Hightec-Werkstätten gibt es die
Möglichkeiten, die Maschinen mit freien Produktionsdateien zu füttern und
so Dinge herzustellen, die vor Ort gewünscht und gebraucht werden.
Das alles stecke noch in den Kinderschuhen, räumte Gorz ein. Doch eine
solche Ökonomie der Unentgeltlichkeit stelle die Nützlichkeit von Dingen
ins Zentrum und nicht die Rentabilität von Konzernen. Damit könnte der
Motor der Wachstumsspirale abgestellt werden.
5 Jan 2012
## AUTOREN
Annette Jensen
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