# taz.de -- Bio-Lebensmittel: Falsche Kontrolle der Kontrolle | |
> Agrarministerin Aigner will Bio-Kontrollstellen in Deutschland stärker | |
> überwachen. Betrug bei Importen, wie jüngst aus Italien, wird so nicht | |
> verhindert. | |
Bild: Wo kommt sie her, was macht sie aus? Die Tomate aus Italien kann weiter e… | |
BERLIN taz | Agrarministerin Ilse Aigners wichtigster Vorschlag als | |
Konsequenz aus dem jüngsten Skandal um angebliche Bioprodukte aus Italien | |
hätte den aktuellen Fall nicht verhindert. Die CSU-Politikerin will die | |
Anforderungen an die Öko-Kontrollstellen in Deutschland erhöhen. | |
Diese privaten Firmen überprüfen, ob ein Unternehmen sich an die Regeln der | |
EU-Ökoverordnung hält. Der aktuelle Betrug habe aber in Italien und mit | |
Hilfe einer italienischen Kontrollstelle stattgefunden, sagte der | |
Vorsitzende des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix | |
Prinz zu Löwenstein, der taz. | |
Anfang Dezember hatte die italienische Polizei erklärt, eine Betrügerbande | |
habe für 220 Millionen Euro 703.000 Tonnen konventionelle Ware als teurere | |
Bioprodukte unter anderem nach Deutschland verkauft. Dabei sollen ein | |
Regionaldirektor und ein freier Mitarbeiter der Bio-Kontrollstelle Suolo e | |
Salute geholfen haben. Auch wenn das genaue Ausmaß noch unklar ist, gehört | |
der imageschädigende Skandal europaweit zu den größten der Biobranche, | |
deren Landwirte besonders umweltfreundlich arbeiten. | |
Als Konsequenz aus dem Fall erklärte Aigners Ministerium kürzlich in einer | |
Pressemitteilung, eine Verordnung zur Zulassung von Öko-Kontrollstellen sei | |
dem Bundesrat übermittelt worden. Wenn die Kammer zustimmt, könnten die | |
Regeln schon im Februar in Kraft treten. Sie schreiben den Kontrollstellen | |
zum Beispiel vor, dass sie einmal Behörden gemeldete Kontrolltermine nur | |
noch "aus wichtigem Grund" ändern können. | |
Der Haken mit Blick auf Italien: Die Verordnung würde nur für die | |
Kontrollstellen in Deutschland gelten - ihnen werden aber im Gegensatz zu | |
ihren italienischen Kollegen nach jetzigem Stand in dem aktuellen Skandal | |
keinerlei Fehler vorgeworfen. "Das ist keine Konsequenz aus diesem Fall", | |
sagt Löwenstein. | |
Was aber Löwenstein zufolge besser werden muss, ist der Informationsfluss | |
von Italien in andere Länder. "Die Kommunikation mit den italienischen | |
Behörden ist miserabel", sagt der Verbandschef. Bei Verdachtsfällen kriege | |
man auch mal ein halbes Jahr lang keine Antwort aus Rom. Löwenstein hofft, | |
dass sich nun etwas bessert. "Ich sehe es auch als Aufgabe der hiesigen | |
Regierung, da jetzt Druck auszuüben." Zudem müsse Aigner mehr dafür tun, | |
dass Deutschland mehr Bioprodukte selbst produziert, um weniger von | |
risikoreicheren Importen abhängig zu sein. | |
## Aigners Druck auf Italien hat Grenzen | |
Doch das erwähnt die CSU-Politikerin in ihrer Reaktion auf den | |
Betrugsskandal mit keinem Wort. In Brüssel kämpft sie sogar gegen Pläne der | |
EU-Kommission, die jährlich 55 Milliarden Euro Agrarsubventionen auch | |
zugunsten von Biobauern umzuverteilen. | |
Aigners Druck auf Italien scheint sich in Grenzen zu halten. "Auch auf | |
EU-Ebene wird das Bundesministerium weiter auf eine Harmonisierung der | |
Öko-Kontrollen auf hohem Niveau drängen", lässt sie mitteilen. "Offizielle | |
deutsche Stellen sowie Verbände hatten die Problematik verstärkter | |
Verdachtsfälle gegenüber ihren italienischen Kollegen bereits in der | |
Vergangenheit angesprochen und höhere Standards eingefordert." | |
Im Mai 2009 - während der Betrügereien aus dem aktuellen Fall - fuhren drei | |
deutsche Behördenvertreter nach Italien, um das italienische Kontrollsystem | |
zu begutachten. "Geändert hat sich am Informationsverfahren zu | |
Unregelmäßigkeiten bislang nichts", klagt zum Beispiel der Leiter der | |
Göttinger Kontrollstelle Gesellschaft für Ressourcenschutz, Jochen | |
Neuendorff. | |
Dabei fällt Italien immer wieder durch Unregelmäßigkeiten auf. Schon vor | |
einem Jahr war ein Biobauer aus dem Land aufgeflogen, der konventionelle | |
Schweine für rund 1 Million Euro als Biotiere nach Deutschland verkauft | |
hatte. Vor drei Jahren wurde bekannt, dass ein italienischer Händler | |
tausende Tonnen konventionellen Weizen mit Ökosiegel in die Bundesrepublik | |
lieferte. Pestiziduntersuchungen zeigten, dass besonders viele italienische | |
Ökolandwirte verbotenerweise Pestizide benutzten. | |
Aigners Sprecher Holger Eichele antwortete auf die Frage, ob die neue | |
Verordnung den aktuellen Skandal verhindert hätte, nur ausweichend: "Ziel | |
muss es sein, das Sicherheits- und Kontrollnetz so eng wie möglich zu | |
knüpfen." | |
1 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
## TAGS | |
Trinkwasser | |
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