# taz.de -- Ökobauern beackern Osteuropa: Biopakete von drüben | |
> Die Anbaufläche in Rumänien und Tschechien wächst rasant, doch | |
> einheimische Ökomärkte haben noch wenig Kunden. Ein Großteil der Produkte | |
> wird ins Ausland exportiert. | |
Bild: Die meisten Bioprodukte aus Osteuropa landen in den Verkaufsregalen westl… | |
NÜRNBERG taz | Die Biobranche ist auf der Suche nach neuen Absatzmärkten. | |
Während die ökologisch bewirtschaftete Fläche in Europa auf die Marke von | |
zehn Millionen Hektar zusteuert, soll Osteuropa den Wachstumskurs der | |
Branche sicherstellen. | |
"Osteuropa soll nicht nur Rohstofflieferant sein, wie das in den | |
vergangenen Jahren der Fall war, sondern eigene Märkte aufbauen", sagt | |
Bernhard Jansen, Geschäftsführer des Vereins Ekoconnect, der Beratungen zum | |
ökologischen Landbau in Mittel- und Osteuropa durchführt. | |
Noch ist davon allerdings nicht viel zu sehen. Zwar wächst die ökologisch | |
bewirtschaftete Fläche beispielsweise in Rumänien und Tschechien jährlich | |
im zweistelligen Bereich. "Derzeit liegt das Wachstum aber noch auf | |
niedrigem Niveau", gibt Jansen zu. | |
"Ein Großteil der Betriebe, die Bioprodukte anbauen, produziert | |
ausschließlich für den Export", sagt Slawomir Chlón, Vorsitzender einer | |
Handelsfirma für Bioprodukte in Polen, die unter anderem eigene | |
Biosupermärkte betreibt. Einen Markt, der über wenige Pioniere hinausgehe, | |
gebe es erst seit etwa acht Jahren. | |
## 76 Prozent der Ungarn kaufen keine Bioprodukte | |
Zwar habe der Anteil der Fläche, die ökologisch bewirtschaftet wird, seit | |
2006 um 170 Prozent zugenommen. Doch insgesamt machen Bioprodukte gerade | |
einmal 0,3 Prozent des Umsatzes aus. Zum Vergleich: Der Bund Ökologische | |
Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) beziffert den Anteil für Deutschland auf | |
knapp 4 Prozent. | |
"Viele Verbraucher wissen gar nicht, was bio ist", sagt auch Csaba | |
Szabó-Galiba, Inhaber und Geschäftsführer von Biologistic, Großhändler von | |
Bioprodukten aus Ungarn. Auch hier werde mit einem Anteil von etwa drei | |
Vierteln ein großer Teil der biologisch angebauten Lebensmittel exportiert. | |
Einer Markterhebung zufolge kaufen 76 Prozent der ungarischen Verbraucher | |
nie Bioprodukte. | |
Nur 7 Prozent geben an, regelmäßig ökologisch erzeugte Ware zu kaufen. "Um | |
das zu ändern, müssen wir vor allem die Erzeuger zusammenbringen", sagt | |
Jansen. Das sei wichtig, um sich gegenüber großen Supermarktketten zu | |
behaupten. "Allerdings gibt es in Osteuropa auf Grund der langen | |
Zwangskollektivierung häufig Bedenken, was die Kooperation angeht." | |
## Fälschering in Italien | |
Das Problem der angestrebten Expansion: "Wo ein großer Markt ist, ist auch | |
die Gefahr für Betrug groß", sagt Jansen. Anfang Dezember war bekannt | |
geworden, dass ein Fälscherring in Italien über drei Jahre mehr als 700.000 | |
Tonnen Lebensmittel im Wert von 220 Millionen Euro fälschlich als | |
Bionahrungsmittel deklariert hatte. Ein Teil davon soll auch auf den | |
deutschen Markt gelangt sein, etwa 550 Tonnen Getreide und Futtermittel aus | |
Soja. | |
Noch seien die Umsätze in Osteuropa so gering, dass für Betrüger andere | |
Märkte interessanter seien, glaubt Jansen. Grundsätzlich sieht er jedoch | |
die Politik in der Pflicht: Die müsse staatliche Kontrollen strikt und | |
sicher machen. Europa ist - gemeinsam mit den USA - der größte Markt für | |
Ökoprodukte. | |
Laut Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums werden hier 90 Prozent | |
des weltweiten Umsatzes gemacht. In Europa ist Deutschland der größte | |
Markt: So beziffert der BÖLW den Umsatzzuwachs bei Bioprodukten für 2011 | |
auf 9 Prozent. Nach einer Erhebung des Marktforschungsunternehmens Nielsen | |
lag der Zuwachs im Bereich konventioneller Produkte bei nur 3,6 Prozent. | |
17 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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