# taz.de -- Chemiker über Biolebensmittel: "Ein System ohne Betrug gibt es nic… | |
> Ein Gespräch mit dem Forscher Johannes Kahl über den chemischen | |
> Fingerabdruck von Biolebensmitteln, Zertifikate und falsch deklarierte | |
> Ware. | |
Bild: Auch in diesen Zitronen befinden sich Elemente und Moleküle mit deren Hi… | |
taz: Herr Kahl, Sie forschen an einem Fingerabdruck, der Aufschluss über | |
die Herkunft von Biolebensmitteln geben soll. Was unterscheidet denn eine | |
spanische von einer niederländischen Biotomate? | |
Johannes Kahl: Die Unterschiede liegen zum Beispiel darin, dass sie in | |
unterschiedlichen Böden gewachsen sind und unterschiedliche klimatische | |
Verhältnisse hatten. | |
Und wie wollen Sie das später erkennen? | |
Der Boden und auch die klimatischen Bedingungen wirken sich auf bestimmte | |
chemische und physikalische Eigenschaften der Tomate aus. Denn was in der | |
Erde ist, das nimmt eine Pflanze auch auf und verarbeitet es. Die einzelnen | |
Stoffe in einer Pflanze haben daher Eigenschaften des Bodens in sich. | |
Man muss also den Boden kennen. | |
Genau. Aber es gibt natürlich noch andere Wege. Zum Beispiel kann man nach | |
den Elementen in der Pflanze gucken, also Kalium, Kalzium und Magnesium. | |
Deren Menge und Verteilung in der Pflanze hängt auch davon ab, wie sie | |
gewachsen ist. Und dann geben noch die Moleküle, also Säure, Proteine oder | |
Eiweiße, Hinweise auf die Herkunft. Da versuchen wir, Muster | |
herauszufinden, und diese Muster sind letztlich der Fingerabdruck. | |
Das klingt aufwendig, ist es das? | |
Nein. In den letzten 20, 30 Jahren hat sich unheimlich viel getan wenn es | |
darum geht, Lebensmittel zu analysieren. Wir können viel mehr in viel | |
kürzerer Zeit messen als früher. Daher kann so eine Analyse Sache von | |
Stunden sein. | |
Kann der Verbraucher dann sicher nachvollziehen, woher seine Einkäufe | |
stammen? | |
Also, dass man dem Verbraucher ein kleines Gerät an die Hand gibt, mit dem | |
er die Analyse selbst machen kann, das halte ich derzeit für Utopie. | |
An welcher Stelle der Handelskette soll dann der Fingerabdruck helfen, die | |
Herkunft zu bestimmen? | |
Beim Zertifizierer. Biolebensmittel brauchen schließlich eine | |
Zertifizierung, bei der die Dokumente geprüft werden. Also wo die Rohware | |
eingekauft wird, wo das Futter herkommt, ob noch Zusatzstoffe verarbeitet | |
wurden, wie die Tierhaltung ist. | |
Im Fall der fälschlich als Bioware deklarierten Lebensmitteln aus Italien | |
war aber genau der Zertifizierer das Problem - Mitarbeiter sollen korrupt | |
gewesen sein. | |
Ein System ohne Betrug gibt es nicht. Wenn jemand lügen und betrügen will, | |
dann findet er immer einen Weg, Regeln und Kontrollen zu umgehen. | |
In welchem Fall würde die Methode denn helfen? | |
Die Idee des Fingerabdrucks setzt da ein, wo es beispielsweise einen | |
Verdacht gibt. Wenn zum Beispiel die Dokumente des Erzeugers oder Händlers | |
nicht eindeutig sind. Oder man macht - zum Beispiel bei Unternehmen die neu | |
dabei sind - kontinuierliche Kontrollen und schickt einfach jede zweite | |
Probe ein. | |
Das wird dann teuer. | |
Genau. Da ist es wirtschaftlicher, nur die Verdachtsfälle zu messen. | |
Was wird so ein Test kosten? | |
Genau können wir das noch nicht sagen, das Forschungsprojekt endet erst | |
2014, aber das wird je nach Aufwand, also was wir da messen müssen, sehr | |
unterschiedlich sein. | |
Ist die Methode nur für den Biobereich interessant? | |
Nein, auch im konventionellen Bereich will man manchmal genau wissen, wo | |
die Sachen herkommen. Zum Beispiel wenn es um Produkte aus der Region geht. | |
Oder bei gepanschtem Olivenöl. Betrug soll mit dem Fingerabdruck leichter | |
erkannt werden. | |
Welche Schwierigkeiten erwarten Sie? | |
Das Schwierigste wird sein, den Einfluss von Öko trotz unterschiedlicher | |
Herkunft zu erkennen. Mal schauen, wie wir das umsetzen. | |
17 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ökobauern beackern Osteuropa: Biopakete von drüben | |
Die Anbaufläche in Rumänien und Tschechien wächst rasant, doch einheimische | |
Ökomärkte haben noch wenig Kunden. Ein Großteil der Produkte wird ins | |
Ausland exportiert. | |
Gesunde Boombranche: Der Inder steht auf Bio | |
Reiche Inder verlangen erstmals vermehrt nach Bioprodukten. Der schonende | |
Anbau ist aber auch ohne Biolabel für viele Bauern die einzige | |
Überlebenschance. | |
EU und USA erkennen Ökostandards an: Bio ist künftig auch organic | |
Die EU und die USA haben vereinbart, ihre Ökostandards wechselseitig | |
anzuerkennen. Nur Äpfel, Birnen, Fleisch und Wein sind ausgenommen. | |
Bio-Lebensmittel: Falsche Kontrolle der Kontrolle | |
Agrarministerin Aigner will Bio-Kontrollstellen in Deutschland stärker | |
überwachen. Betrug bei Importen, wie jüngst aus Italien, wird so nicht | |
verhindert. | |
Skandal um Ökolebensmittel: Schlamperei half Biobetrügern | |
Im Biolebensmittel-Skandal verschwieg eine italienische Kontrollstelle ein | |
Ermittlungsverfahren. Die Folge: Die Firma der Verdächtigen erhielt ein | |
neues Ökozertifikat. | |
Skandal um Bio-Lebensmittel: Italien macht sauer | |
Das Land, wo die Zitronenbäume blühen, ist bekannt für seine unzureichende | |
Kontrolle von Ökoware. Agrarministerin Aigner soll nun Druck ausüben. |