# taz.de -- Skandal um Lebensmittel aus Italien: Von wegen Bio | |
> In Italien wurden über 700.000 Tonnen Lebensmittel im Wert von 220 | |
> Millionen Euro fälschlich als Öko deklariert. Sieben mutmaßliche Täter | |
> wurden verhaftet. | |
Bild: Eins der wichtigsten Exportgüter Italiens. | |
ROM/BERLIN taz | Die italienische Polizei hat einen der größten Skandale um | |
angebliche Biolebensmittel in Europa aufgedeckt. Ein Fälscherring habe von | |
2007 bis 2010 für insgesamt 220 Millionen Euro 703.000 Tonnen | |
konventionelle Nahrungsmittel als teurere Ökoware unter anderem nach | |
Deutschland verkauft, sagte der Kommandeur der Finanzpolizei in der Provinz | |
Verona, Bruno Biagi, am Mittwoch der taz. | |
Sieben Verdächtige seien verhaftet worden, darunter ein Regionalchef der | |
größten italienischen Biokontrollstelle. Auf den deutschen Markt gelangten | |
laut Polizei mindestens 543 Tonnen Getreide, vor allem Soja. | |
Aus Soja lässt sich zum Beispiel Tofu herstellen - das meiste wird aber zum | |
Beispiel an Schweine verfüttert. Deren Fleisch wäre dann unter Umständen | |
auch zu Unrecht als Bio verkauft worden. | |
Deutschlands größte Biohandelshäuser Dennree und Alnatura erklärten, sie | |
seien "nach derzeitigem Kenntnisstand" nicht betroffen. Es kann allerdings | |
erfahrungsgemäß dauern, bis alle Empfänger einer über Ländergrenzen hinweg | |
gehandelten Ware identifiziert sind. Die Lage könnte sich also noch ändern. | |
Lidl, Rewe und Aldi ließen Anfragen der taz bis Redaktionsschluss | |
unbeantwortet. | |
## Umsatz in einem Jahr verfünffacht | |
Das Potenzial für eine Ausweitung des Skandals ist groß, weil Italien eines | |
der wichtigsten Herkunftsländer für den deutschen Biohandel ist. Aus | |
Italien kommen dem Branchendienst AMI zufolge beispielsweise ein Drittel | |
der in Deutschland verkauften Ökoäpfel. Vor allem liefern die Italiener | |
aber Fruchtgemüse wie Tomaten, von denen 80 Prozent importiert werden. | |
Diverse vermeintliche Bioanbau- und -handelsfirmen, dazu offenbar korrupte | |
Mitarbeiter der größten italienischen Zertifizierungsgesellschaft Suolo e | |
Salute sollen den Fälscherring aufgezogen haben. "Wir stießen über | |
Steuerermittlungen auf die Geschichte", erklärt Oberst Biagi. | |
Die Finanzpolizei wunderte sich, dass sich der Umsatz der Biofirma Sunny | |
Land aus Verona von 2006 auf 2007 mit einem Schlag verfünffacht hatte. Ein | |
Blick in die Bücher ergab dann ein Hin und Her von Gut- und Lastschriften | |
zwischen diversen im Biosektor tätigen Firmen, ohne dass je Geld geflossen | |
war. "Daraufhin prüften wir zum Beispiel angebliche Lkw-Fahrten, etwa von | |
Bari nach Verona - Fahrten, die nie stattgefunden hatten." | |
Den Firmen ging es mit dem Gewirr von Rechnungen und Gutschriften den | |
Ermittlern zufolge nämlich nur um eines: die Herkunft der Ware zu | |
verschleiern, die zum Teil auch aus Rumänien importiert wurde. | |
## Zertifikate mit dem Scanner multipliziert | |
Dann kam der Chef der Zertifizierungsfirma Suolo e salute für die Region | |
Marken zum Einsatz: Er sorgte zusammen mit einem Kollegen für die | |
gefälschten Bionachweise. "Der Mann kannte das System ganz genau", fasst | |
Augusto Mentuccia zusammen, nationaler Präsident von Suolo e Salute, die | |
allein 25 Prozent der Biobetriebe im Land kontrolliert. | |
So ließ er Biobauern ohne deren Wissen angeblich Soja kultivieren, auch | |
wenn das in ihrer Produktpalette gar nicht vorkam, und so duplizierte er, | |
gelegentlich auch mit dem Scanner, zahlreiche Zertifikate, wie Mentuccia | |
erklärt. | |
"Wir haben den Mann und seinen Mitarbeiter sofort suspendiert und dann | |
entlassen, kaum hatten wir im Mai 2010 von den Ermittlungen erfahren, und | |
wir haben die Finanzpolizei aktiv unterstützt", sagt Mentuccia. Im | |
anstehenden Prozess werde Suolo e salute voraussichtlich als Nebenklägerin | |
auftreten. | |
7 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
M. Braun | |
J. Maurin | |
## TAGS | |
Trinkwasser | |
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