# taz.de -- Fair gehandelte Produkte: Lidl lohnt sich nicht für jeden | |
> Der Discounter soll für besonders fairen Handel ausgezeichnet werden. | |
> Aber neben den fair gehandelten Produkten liegt gern auch mal die | |
> Billigkleidung aus Bangladesh. | |
Bild: In diesem Einkaufswagen können maximal 12 Fairtrade-Produkte landen. | |
BERLIN taz | Der Lebensmitteldiscounter Lidl wird am Dienstag mit dem | |
Fairtrade-Award des gemeinnützigen Vereins Transfair ausgezeichnet. Wie die | |
Organisation, die sich weltweit für verbesserte Produktions- und | |
Handelsbedingungen einsetzt, mitteilte, erhalte der Discounter den Preis in | |
der Kategorie „Handel“. „Lidl übernimmt in der Reihe der großen | |
Supermarktketten eine Vorreiterrolle mit 12 fair gehandelten Produkten im | |
Sortiment“, begründet Transfair-Sprecherin Claudia Brück die Entscheidung. | |
Es sage viel über den Markt aus, wenn ein Unternehmen wie Lidl „bei solch | |
einem Preis so weit vorne mitmischt“. | |
„Die Auszeichnung von Lidl mit dem Fairtrade-Award ist kritisch zu | |
hinterfragen“, sagt dagegen Franziska Humbert von der Hilfsorganisation | |
Oxfam. Auch fair gehandelte Produkte anzubieten sei zwar ein Schritt in die | |
richtige Richtung, „Transfair muss aber darauf achten, keine falschen | |
Signale zu setzen“, sagt Humbert. | |
Denn abgesehen von vereinzelten Produkten mit dem Fairtrade-Siegel, geht es | |
bei Lidl alles andere als fair zu: Das Unternehmen verkauft Billigkleidung | |
aus Bangladesh und ecuadorianische Bananen, die unter menschenunwürdigen | |
Bedingungen produziert werden. Zwischen Lidl und dem Bananenproduzenten | |
Dole besteht seit Langem eine enge Zusammenarbeit. Spätestens seit der | |
Veröffentlichung der Studie „Bittere Bananen“ durch Oxfam Ende Dezember | |
2011 ist bekannt, dass die Früchte dort unter untragbaren Bedingungen | |
produziert werden. | |
## 237 Dollar unter der Armutsgrenze von 544 Dollar | |
Für die Studie wurden 117 Plantagenarbeiter befragt, die für die | |
Bananenproduzenten Noboa, Dole und Reybanpac und für deren Zulieferer | |
arbeiten. Demnach liegt der durchschnittliche Nettolohn der | |
Plantagenarbeiter mit rund 237 US-Dollar unter der staatlich definierten | |
Armutsgrenze von 544 US-Dollar für eine vierköpfige Familie. 90 Prozent der | |
Befragten berichteten zudem, dass während ihrer Arbeitszeit Pestizide auf | |
die Plantagen gesprüht würden. | |
Oxfam fordert, dass die deutschen Supermarktketten aufgrund ihrer | |
Preispolitik für Arbeitsrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen | |
werden. Mit der enormen Marktmacht der Ketten gingen unfaire | |
Einkaufspraktiken und hoher Preis- und Kostendruck auf die Lieferanten | |
einher. Dieser Kostendruck werde bis ans Ende der Produktionskette | |
weitergegeben, sodass an den Löhnen der Arbeiter gespart werde. Immerhin | |
scheint Lidl sich der Problematik bewusst zu sein. Im Mai wollen Vertreter | |
von Oxfam und Lidl über eventuelle Schritte beraten. | |
Bereits im April 2011 musste der Lebensmitteldiscounter eine Werbekampagne | |
für angeblich fair gehandelte Kleidung aus Bangladesh zurückziehen. Die | |
Kampagne für saubere Kleidung (CCC) hatte aufgedeckt, dass die | |
Arbeiterinnen der produzierenden Textilfabrik in Dhaka unter | |
menschenunwürdigen Bedingungen arbeiteten. Unbezahlte Überstunden, | |
Nachtarbeit, Hungerlöhne und Misshandlungen standen laut der Organisation | |
auf der Tagesordnung. | |
„Bis heute hat sich an der Situation wenig verändert“, erklärt Gisela | |
Burkhardt von der Frauenorganisation Femnet, die bei der Kampagne | |
mitarbeitet. Lidl investiere zwar in Trainings- und Kontrollmaßnahmen, doch | |
bei den Arbeiterinnen komme davon nichts an. „Die Auszeichnung mit dem | |
Fairtrade-Award ist Schönfärberei“, so Burkhardt. Ein Siegel für einzelne | |
Produkte zu vergeben sei der falsche Ansatz. Vielmehr müsse man die gesamte | |
Einkaufsstruktur des Unternehmens durchleuchten. Lidl wollte sich zu den | |
Vorwürfen nicht äußern. | |
21 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Susann Schädlich | |
## TAGS | |
Gewerkschaft | |
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