# taz.de -- Konflikte im Südsudan: "Überall Leichen" | |
> Nach Angriffen der Nuer-Milizen befürchten die Behörden Hunderte Tote. In | |
> Juba wurde Ausgangssperre verhängt. Die UN-Blauhelme scheinen machtlos | |
> und raten zur Flucht. | |
Bild: Die Freude über die Unabhängigkeit des Südsudan hielt nur kurz. | |
BERLIN taz | Wenige Tage bevor Südsudan den 1. Jahrestag seiner | |
Volksabstimmung über die Unabhängigkeit vom 9. Januar 2011 feiert, sind im | |
jüngsten Staat der Welt die schwersten bewaffneten Konflikte seit seiner | |
Gründung ausgebrochen. | |
6.000 Milizionäre des Nuer-Volkes besetzten zum Jahreswechsel die Stadt | |
Pibor in der östlichen Provinz Jonglei, die an der äthiopischen Grenze | |
liegt, und trieben Zehntausende in die Flucht. | |
Südsudans Präsident Salva Kiir beorderte "große Einheiten" der Armee nach | |
Pibor und kündigte an, über Jonglei den Ausnahmezustand zu verhängen. In | |
Südsudans Hauptstadt Juba wurde eine nächtliche Ausgangssperre ab 20 Uhr | |
ausgerufen und schwerbewaffnetes Militär auf den Straßen stationiert. | |
Der aktuelle Konflikt um Pibor ist die Eskalation eines Land- und | |
Viehstreits zwischen der Lou-Gruppe der Nuer und dem Murle-Volk, der im | |
vergangenen Jahr weit über 1.000 Todesopfer gefordert hat. Nach Angriffen | |
der Nuer im Juni kam es im August zu blutigen Gegenangriffen der Murle, in | |
denen 700 Lou-Nuer getötet worden sein sollen. Nun schlagen die Nuer | |
zurück. Pibor ist der bisher größte Ort, den die Nuer-Kämpfer erobern; in | |
anderen haben sie sämtliche Hütten angezündet und die Bewohner verjagt. | |
## UNO ruft Bevölkerung zum "Fliehen in den Busch" auf | |
Die UN-Blauhelmmission im Südsudan ist demgegenüber offenbar machtlos. Lise | |
Grande, Vizekoordinatorin der UNO für humanitäre Hilfe im Südsudan, riet | |
der Bevölkerung im Umland von Pibor, in den Busch zu fliehen. | |
UN-Blauhelme halten das Stadtzentrum, haben aber den Rest der Stadt | |
aufgegeben, berichtete ein geflohener lokaler presbyterianischer | |
Geistlicher gegenüber BBC. Das Hilfswerk Ärzte ohne Grenze sagte, es habe | |
keinen Kontakt zu seinen 130 Mitarbeitern in Pibor mehr. | |
Pibors Regierungskommissar Joshua Konyi, der am Wochenende von einer Reise | |
auf dem Luftweg in seine Stadt zurückkehrte, sagte, es seien möglicherweise | |
700 bis 800 Menschen getötet worden. "Direkt vor dem Ort, wo ich spreche, | |
sehe ich fünf Tote liegen", sagte er am Sonntagabend am Telefon gegenüber | |
der Webseite Sudan Tribune. "Drei davon sind Kinder. Die vierte ist die | |
schwangere Frau. Ein anderes Kind wurde in Kopf und Bauch geschossen und | |
ist schwer verletzt. Die Stadt ist leer, es gibt kein medizinisches | |
Personal mehr. Die einzige Klinik, die von MSF, wurde geplündert und | |
angezündet. Überall liegen Leichen." | |
2 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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