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# taz.de -- Taz-Serie: Grenzen des Wachstums: Glücksgefühl statt mehr Konsum
> Für Andrew Simms ist es klar: Nicht die Wachstumsraten sollen Maßstab für
> die Wirtschaft sein, sondern das Glücksempfinden der Bevölkerung und der
> Ressourcenverbrauch.
Bild: Der "Happy Planet Index" bezieht den Verbrauch von Ressourcen ein.
BERLIN taz | Nicht die Quartalsergebnisse der Firmen, nicht die Aktienkurse
oder die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts sollten der Maßstab für
den Erfolg der Wirtschaft sein - sondern das schiere Glücksgefühl der
Menschen. Mit dieser radikalen Forderung meldet sich Andrew Simms vom
britischen Thinktank "New Economics Foundation" (NEF) in der
Wachstumsdebatte zu Wort.
Er fordert eine Abkehr vom Wachstumsgedanken, empfundenes Glück soll
Maßstab für politisches Handeln werden, und eine 21-Stunden-Woche könne zu
mehr Gerechtigkeit und weniger Konsum führen. Folgerichtig hat die NEF auch
eine Rangliste der Länder entwickelt: allerdings nicht nach
Kreditwürdigkeit wie die konventionellen Ratingagenturen, sondern nach dem
Glücksgefühl der Einwohner im "Happy Planet Index".
Simms sieht das bisherige Wachstumsdenken an einer Grenze: Eine effektive
Bekämpfung des Klimawandels sei unter der Voraussetzung einer weiter
wachsenden Wirtschaft schlicht nicht möglich. "Wachstum ist unmöglich",
heißt eine Veröffentlichung von ihm.
Knapper werdende fossile Rohstoffe machten die Situation nicht besser,
sondern schlimmer, da der billigste Weg meist der Umstieg auf noch
klimaschädlichere Energieträger wie Kohle ist. Wolle man die Armut der Erde
nur mit Wirtschaftswachstum bekämpfen, brauche man die ökologische
Kapazität von 15 Planeten, erklärt der Wissenschaftler.
## 21-Stunden-Woche als Normalfall
Als Ansatz auf dem Weg zu einer wachstumslosen Ökonomie schlägt NEF etwa
eine Halbierung der Wochenarbeitszeit vor. Eine 21-Stunden-Woche als neuer
Normalfall statt der in vielen Industrieländern vorherrschenden
40-Stunden-Woche würde den Menschen mehr Zeit und damit mehr echten
Wohlstand bringen, für sozialen Ausgleich und weniger Arbeitslosigkeit
sorgen sowie den Konsum und dessen ökologische Auswirkungen reduzieren.
Weithin bekannt wurde die NEF durch ihren "Happy Planet Index", der die
Lebensqualität eines Landes zu messen versucht. Nur zwei Faktoren gehen in
die Berechnung ein: das gefühlte Wohlbefinden der Bevölkerung, erhoben über
Umfragen, sowie der Umwelt- und Ressourcenverbrauch. Die
Wirtschaftsleistung wird in dieser Berechnung komplett ignoriert - damit
unterscheidet sich der Happy Planet Index von vielen anderen Alternativen
zum Bruttoinlandsprodukt als Wohlstandsindikator.
## Deutschland vor den USA, aber hinter China
Diese Berechnungsweise verändert auch die Reihenfolge der Länder: Ganz
happy sind demnach vor allem lateinamerikanische Länder, ganz hinten
rangieren die meisten Staaten Afrikas wegen ihrer großen Armut und die
Vereinigten Staaten wegen ihres exorbitant hohen Energieverbrauchs.
Wirklich gut schneidet kein Staat ab, Deutschland und die meisten
EU-Staaten landen zwar deutlich vor den USA, aber immer noch hinter Staaten
wie China.
Der Happy Planet Index versucht, Ergebnisse der Glücksforschung zu
politischen Indikatoren zu machen. So kann man beobachten, dass bei armen
Ländern eine Zunahme des materiellen Lebensstandards zu einem erhöhten
Wohlbefinden führt.
In den Industrieländern ist dieser Zusammenhang jedoch nicht mehr
feststellbar. "Für die meisten dieser Länder ist der Zusammenhang zwischen
dem Bruttoinlandsprodukt und einer höheren Lebenszufriedenheit vor
Jahrzehnten zusammengebrochen", so Simms.
In Großbritannien hatte die Debatte um den gefühlten Wohlstand schon
Konsequenzen: Inzwischen erhebt die Regierung Ihrer Majestät offiziell das
Wohlbefinden der Bevölkerung.
9 Jan 2012
## AUTOREN
Hanno Böck
## TAGS
Ökologischer Fußabdruck
Studie
Glück
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