# taz.de -- Bericht über globale Beschäftigungstrends: 900 Millionen arme Job… | |
> Die Weltwirtschaft wächst, doch global gesehen gibt es keinen Rückgang | |
> der Arbeitslosigkeit. 900 Millionen Menschen verdienen weniger als zwei | |
> US-Dollar pro Tag. | |
Bild: Wohl dem, der einen deutschen Tariflohn erhält. | |
GENF taz | Trotz Wachstums der Weltwirtschaft um insgesamt über neun | |
Prozent in den beiden letzten Jahren stagniert die Zahl der weltweit | |
registrierten Arbeitslosen bei 197 Millionen. Mehr Beschäftigung wird es | |
nur bei einer konsequenten und global koordinierten Regulierung der | |
Finanzmärkte geben. | |
Zu diesem Ergebnis kommt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in | |
Genf in ihrem am Montagabend veröffentlichten "Jahresbericht über globale | |
Beschäftigungstrends 2012". Es ist das erste Mal, dass die ILO, die sich in | |
ihren Analysen und Empfehlungen bislang auf beschäftigungspolitische | |
Maßnahmen beschränkte, Aussagen zu Fragen des Finanzmarktes macht. | |
Für das abgelaufene Jahr 2011 zeichnet die ILO ein düsteres Bild: Die Zahl | |
der von den Regierungen der 183 ILO-Mitgliedsstaaten offiziell | |
registrierten Arbeitslosen lag wie im Vorjahr bei rund 197 Millionen. Das | |
sind 27 Millionen mehr als 2007, dem Jahr vor Ausbruch der weltweiten | |
Wirtschafts- und Finanzkrise. Damit stagniert die globale Arbeitslosenquote | |
bei sechs Prozent - und dies, obwohl die Weltwirtschaft 2010 um 5,1 Prozent | |
wuchs und 2011 um vier Prozent. | |
Die laut ihren nationalen Statistiken höchsten Arbeitslosenzahlen weisen | |
zahlreiche Staaten Afrikas und Asiens auf. Deutliche Zuwächse bei der | |
Beschäftigung gab es nur in einigen Ländern Lateinamerikas und | |
Südostasiens. In der von der ILO unter "Jugendliche" geführten Altersgruppe | |
von 15 bis 24 Jahren nahm die Arbeitslosigkeit global seit 2007 sogar um | |
vier Millionen auf 74,8 Millionen zu. | |
Zusätzlich zu den 197 Millionen Arbeitslosen registriert die ILO für 2011 | |
auch noch 900 Millionen Menschen weltweit - schwerpunktmäßig in Asien und | |
Afrika -, die trotz einer Beschäftigung weniger als zwei US-Dollar pro Tag | |
zum Leben zur Verfügung haben und damit unterhalb der von den Vereinten | |
Nationen definierten Armutsgrenze leben. | |
## Internationale Koordination der Krisenbekämpfung | |
Um einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern und die | |
Neuzugänge auf den Arbeitsmarkt vor allem in den geburtenstarken Ländern | |
Asiens und Afrikas zu integrieren, müssten laut ILO in den nächsten zehn | |
Jahren weltweit mindestens 400 Millionen neue Jobs geschaffen werden. 600 | |
Millionen wären erforderlich, um eine Senkung der globalen Arbeitslosenzahl | |
von 197 Millionen zu erreichen. | |
Dies sei nur zu erreichen durch eine strikte Regulierung der Finanzmärkte | |
und eine bessere internationale Koordination der Krisenbekämpfung, betont | |
die ILO in ihrem Bericht. Denn zum einen würde durch eine solche | |
Regulierung die Finanzierung von Unternehmen stabiler. Insbesondere kleine | |
und mittlere Firmen, in denen erfahrungsgemäß die meisten Arbeitsplätze | |
entstehen, hätten dann wieder einen besseren Zugang zu Krediten. | |
Zum anderen könne eine globale Regulierung zu einer gleichmäßigeren | |
Einkommensverteilung beitragen, was sich positiv auf die Nachfrage | |
auswirken würde. Die genannten Maßnahmen sind laut ILO umso dringender, als | |
nach jüngsten Prognosen das weltweite Wirtschaftswachstum im Jahre 2012 auf | |
unter zwei Prozent fallen wird. Das könnte zu einem Anstieg der Zahl der | |
Arbeitslosen bis zum Jahresende um sieben Millionen auf dann 204 Millionen | |
Menschen führen. | |
24 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
## TAGS | |
ILO | |
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