# taz.de -- Obamas Rede zur Lage der Nation: Der alte Kämpfer ist zurück | |
> US-Präsident Barack Obama beschwört in der Rede zur Lage der Nation ein | |
> gerechteres Amerika. Und zeichnet einen Gegenentwurf zu den Plänen der | |
> Republikaner. | |
Bild: Rhetorisch geschickt: Barack Obama. | |
WASHINGTON taz | "Helden" rahmen die Rede zur Lage der Nation ein. Barack | |
Obama beginnt mit einer gesprochenen Hommage an die "American heroes" in | |
Uniform, die er im Dezember bei ihrer Rückkehr aus dem Irakkrieg auf dem | |
Militärflughafen Andrews Air Base bei Washington begrüßt hat. Sie hätten | |
die USA "sicherer" und "respektierter rund um die Welt" gemacht, sagt der | |
Präsident. | |
Im Kongress der USA, wo sämtliche Abgeordneten, die komplette Regierung, | |
die Spitze der Streitkräfte und die Mitglieder des Obersten Gerichtes zu | |
diesem alljährlichen Ritual versammelt sind, scheint niemand an dieser | |
Einschätzung zu zweifeln. Es geht um die eigenen Soldaten. Demokraten und | |
Republikaner applaudieren dem Präsidenten stehend. | |
Das Meiste, was in der mehr als einstündigen Rede folgt, ist weniger | |
konsensuell. Obama hält an diesem Dienstagabend die dritte "State of the | |
Union"-Rede seiner Amtszeit. Es ist die letzte vor den | |
Präsidentschaftswahlen im November. Und eine Gelegenheit, vor einem großen | |
Publikum – seine Rede wird von vielen TV-Sendern live übertragen – seine | |
Politik zu erklären. | |
Er nutzt die Gelegenheit, um von sozialer Gerechtigkeit, von Jobs, von | |
Infrastruktur und von der Rolle der Regierung zu reden. Was er sagt, klingt | |
wie der Gegenentwurf zu den Vorhaben der diversen republikanischen | |
Präsidentschaftskandidaten. Auch wenn er keinen von ihnen namentlich | |
erwähnt. | |
Während sie diagnostizieren: "Amerika geht es schlecht" und während sie die | |
Sozialausgaben und den Staat insgesamt (außer das Militär) radikal | |
beschneiden wollen, sagt Obama das genaue Gegenteil. Der Versuch des | |
Präsidenten, zu positivieren, beginnt mit militärischen Erfolgen: Mit dem | |
Tod Bin Ladens und dem Ende der US-Kampfhandlungen im Irak. | |
## "Was in Detroit geschieht, kann auch anderswo geschehen" | |
Dann steigt er in die Debatte um Arbeitsplätze und um soziale Gerechtigkeit | |
ein. Er erinnert an die Krise auf dem Arbeitsmarkt vor seinem Amtsantritt | |
und schwenkt über zu der Erholung der Automobilbranche, für die er ein von | |
den Republikanern bekämpftes Rettungsprogramm aufgelegt hat. "Die | |
amerikanische Autoindustrie ist wieder da", verkündet Obama. Und wertet | |
dieses Comback zugleich als Vorbild für andere Situationen: "Was in Detroit | |
geschieht, kann auch anderswo geschehen." Um den Auto-Erfolg auf andere | |
Branchen zu übertragen, will er Boni und Subventionen an Unternehmen | |
zahlen, die Arbeitsplätze in den USA schaffen. | |
Punkt für Punkt arbeitet er sich an den Debatten der letzen Wochen ab. Er | |
geißelt Steuerflucht und nennt Steuergesetze ungerecht, die es möglich | |
machen, dass Multimillionäre weniger Steuern zahlen als ihre Sekretärinnen. | |
Der Präsident will einen "Mindeststeuersatz für Millionäre". Der | |
Zusammenhang zu dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten, Mitt | |
Romney, der am Vortag seinen lächerlich geringen Einkommenssteuersatz von | |
unter 14 Prozent sowie seine Kapitalanlagen auf den Bahamas, Cayman Inseln | |
und in der Schweiz offengelegt hat, ist unüberhörbar. | |
Der Präsident kündigt auch an, dass er eine mit Staatsanwälten hochkarätig | |
besetzte Kommission einsetzen wird, um die Verantwortung einzelner Banken | |
für betrügerische Immobilienspekulationen zu klären, die zu der schweren | |
Krise auf dem Häusermarkt geführt haben. Er betont die Wichtigkeit der | |
Schule und der (ebenfalls von den wahlkämpfenden Republikanern | |
vielgescholtenen) Lehrer für die Nation. Und er schlägt vor, als Mittel | |
gegen Schulversagen eine Mindestschulpflicht bis zum Alter von 18 Jahren | |
einzuführen. | |
## Obamas Lage vor der Rede nicht rosig | |
Er verweist – auch das ein Kontrast zu dem republikanischen Klagen über | |
"Behinderungen" der Energieproduktion – auf die in seiner Amtszeit stark | |
gestiegene heimische Produktion von Öl und Gas. Und kündigt weitere | |
Off-Shore-Bohrgenehmigungen an. Zugleich will er erneuerbare Energien | |
fördern. | |
Die Lage Obamas vor der State of the Union-Rede ist alles andere als rosig. | |
Die Zustimmung zu seiner Politik liegt bei unter 45 Prozent. Und im | |
Kongress ist er mit republikanischen Mehrheiten konfrontiert, die ihn | |
systematisch blockieren. Im kompletten letzten Jahr war Regierungspolitik | |
im besten Fall ein Hindernislauf. Und nicht selten völlig gelähmt. | |
Andere US-Präsidenten in vergleichbar misslichen Lagen haben Schwenks in | |
die Mitte gemacht. Nicht so Obama. Zumindest rethorisch ist er der alte | |
Kämpfer. Er rechtfertigt präsidiale Machtworte – wie die Ernennung eines | |
obersten Verbrauchschutzbeauftagten gegen den Widerstand der Republikaner. | |
Und er kündigt an, dass er weiter so handeln werde, wenn der Kongress ihn | |
dazu zwinge. | |
Mehrfach fordert er die Abgeordneten auf, ihm Gesetze vorzulegen, die er | |
unterschreiben kann: Zur Regulierung der Situation von jugendlichen | |
Einwanderern ohne Papiere und zur Verlängerung von Lohnsteuersenkungen. | |
Für den emotionalen Höhepunkt sorgt die Abgeordnete Gabrielle Gifford. Die | |
41-jährige Demokratin hat vor einem Jahr ein Attentat in Tucson überlebt. | |
In dieser Woche hat sie angekündigt, dass sie ihr Mandat im Kongress | |
niederlegt, um sich auf ihre Genesung zu konzentrieren. Vor Beginn seiner | |
Rede drückt Obama die zierliche Frau, die weiterhin Hilfe braucht, um | |
aufstehen zu können, in einer langen Umarmung. | |
Etwas über eine Stunde später erzählt er von der US-Fahne mit den | |
Unterschriften der Elitesoldaten der "Seals", die Bin Laden getötet haben. | |
"Niemand hat dieses Land allein geschaffen", sagt Obama. Gegenüber dem auf | |
Blockade spezialisierten Kongress nennt Obama die Elitesoldaten – die sich | |
"gegenseitig den Rücken decken" und "gemeinsam erfolgreich sind" – als | |
Vorbild für Zusammenarbeit und Vertrauen. | |
25 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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