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# taz.de -- Debatte Kulturkampf in den USA: Amerikaner werden liberaler
> Die Republikaner sind gegen Empfängnisverhütung und Homoehe. Dieser
> Kulturkampf hat mit der Lebenswelt der Jüngeren jedoch nichts zu tun. Es
> ist eine Debatte von gestern.
Bild: Ist den alten Männern bei den Republikanern ein Graus: die Homo-Ehe.
In den USA schärfen Kulturkämpfer ihre Worte. Je deutlicher die
Wirtschaftsdaten ins Positive tendieren, desto stärker steuern konservative
Politiker die Debatte in Richtung Moral und „Familienwerte“. Irgendetwas
Zündendes wird sich ja wohl gegen Barack Obama finden lassen.
Homoehe, Abtreibung und Wertezerfall - das waren früher Themen, über die
man sich breitenwirksam entrüsten konnte; Attacken der Liberalen auf die
Religionsfreiheit gab es reichlich. Doch heute will „das Volk“ nicht mehr
richtig mitmachen.
Die US-Amerikaner sind in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten toleranter
geworden, vor allem die jungen Amerikaner. Anders als in den 90er Jahren
hat sich das Familienbild gewandelt. 41 Prozent der Mütter insgesamt und
mehr als die Hälfte der Mütter unter 30 Jahren sind bei der Geburt ihres
Kindes nicht verheiratet.
Nach jüngsten Umfragen befürwortet auch rund die Hälfte der US-Amerikaner
die Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen. Bei den 18- bis 34-Jährigen sind
es sogar 70 Prozent. Der Bundesstaat Washington hat vergangene Woche als
siebter (von fünfzig) US-Bundesstaat gleichgeschlechtliche Ehen zugelassen.
Maryland steht kurz davor. Dagegen gehen in der Abtreibungsfrage die
Meinungen auseinander. Doch nur eine Minderheit fordert ein umfassendes
Verbot.
Und wie reagieren die Republikaner auf diesen Trend? Sie machen Vorwahlen
wie anno dazumal und beleben selbst das Thema Geburtenkontrolle wieder.
Kurzer historischer Einschub: Verhütungsmittel sind in den USA seit 1965
zugelassen.
Damals hob der Oberste Gerichtshof ein Gesetz im Bundesstaat Connecticut
zum Verbot aller „Arzneimittel und medizinischer Produkte“ für
Empfängnisverhütung auf. Nahezu alle Frauen im „gebärfähigen Alter“
verwenden heute irgendwann einmal Verhütungsmittel, berichtete der
Familienplanungsverband Guttmacher Institute.
Bei der Neuauflage des Streits über die Pille im Jahre 2012 geht es
vordergründig ums Bezahlen. Eine nicht unbedeutende Frage, wie
Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius betonte. Die Pille koste rund 600
Dollar im Jahr.
## Protest gegen Pille und Kondom
Barack Obamas 2010 beschlossene und nun schrittweise in Kraft tretende
Gesundheitsreform soll Abhilfe schaffen. Arbeitgeber, die eine
Krankenversicherung anbieten, müssen nun auch Auslagen für
Empfängnisverhütung decken. Dieser Neuregelung unterstehen auch religiöse
Arbeitgeber wie etwa Krankenhäuser (nicht aber die Kirchen selber).
Dagegen protestieren konservative Evangelikale und alle 181
römisch-katholischen Bischöfe in den USA, denn sie lehnen die künstliche
Empfängnisverhütung mit Kondom und Pille ab. Die Katholiken berufen sich
auf päpstliche Enzykliken von 1930 und 1968.
Der Sprecher der Bischofskonferenz, Richard Doerflinger, forderte gar, alle
Arbeitgeber sollten aus Gewissensgründen Empfängnisverhütung von ihren
Leistungen ausschließen dürfen. Der Mehrheitsführer der Republikaner im
Senat, Mitch McConnell, und mehrere republikanische Abgeordnete haben
Gesetzesvorlagen angekündigt, Arbeitgebern „Gewissensfreiheit“ zu gewähre…
Drei Präsidentschaftsanwärter stellten sich auf die Seite der kirchlichen
Kritiker.
## Aspirin statt Pille
Auch Kandidat Rick Santorum, der sieben Kinder hat, ist grundsätzlich gegen
die Pille. Verhütung fördere „verantwortungsloses Verhalten“, merkte er
unlängst an. Der größte Geldgeber von Santorums „Super PAC“ (bisher 381.…
Dollar), der Unternehmer Foster Friess, machte sich in einem
Fernsehinterview über Sebelius‘ Sorgen hinsichtlich der Kosten lustig.
Früher hätten die Mädchen „Bayer Aspirin zur Verhütung benutzt.“ Sie h�…
sich eine Pille „zwischen die Knie geklemmt, und das hat nicht viel
gekostet“.
Als verlässliche Kulturkämpfer galten früher die „Evangelikalen“, die ein
Bekehrungserlebnis erfahren haben, die Bibel mehr oder weniger wörtlich
nehmen, ihren Glauben weiterverbreiten wollen und überzeugt sind, sie seien
wegen ihrer persönlichen Beziehung zu Jesus Christus „gerettet“. Etwa ein
Viertel der US-Wähler zählt zu den Evangelikalen.
## Die Medien der alten Männer
Eigentlich gehört zum Evangelikalsein auch die Überzeugung, dass man Kirche
und Staat streng trennen soll. Zu Beginn der 80er Jahre wurden „die
Evangelikalen“ aber zusehends Helfer der Republikanischen Partei.
Allerdings haben heute immer weniger junge evangelikale Christen Lust auf
diese selektive Bibelinterpretierung von rechts. Jesus habe doch viel über
die Armen gesprochen, finden viele. Das [1][YouTube-Video „Warum ich Jesus
liebe, aber die Religion hasse“ des 22-jährigen Jefferson Bethke] etwa
wurde seit Januar 20 Millionen Mal geklickt. Jesus habe nicht gepredigt,
die Republikaner zu wählen, findet Bethke.
Religiöse und demografische Trends meinen es nicht gut mit den
Konservativen. Konservative Aktivisten sind meist weiß und gehobenen
Alters. Doch sie geraten in die Minderheit: Zwischen 1978 und 2000 geborene
Wähler stimmten 2008 zu 66 Prozent für Obama. Afroamerikaner, Latinos und
asiatischstämmige Bürger stellen rund 35 Prozent der Wähler, ihr Anteil an
der Bevölkerung wächst.
## Die Schlagzeilen bleiben
Das Christentum bleibt die dominierende Religion (drei Viertel der
US-Bewohner geben an, sie seien Christen), aber auch hier sieht man
Veränderungen. 15 Prozent der Befragten sagten bei einer Umfrage des
Hartford Seminary, sie gehörten keiner Religionsgemeinschaft an - fast
doppelt so viele wie 1990.
Trotz dieser gesellschaftlichen Veränderungen wird der Kulturkampf weiter
Schlagzeilen machen. Die Konservativen können sich auf eine gut ausgebaute
Infrastruktur von Thinktanks und Verbänden stützen.
Fox Network von Rupert Murdochs steht den Republikanern nahe und berichtet
entsprechend. Und auch der Rest der Medienwelt liebt Events, bei denen
männliche Geistliche und „Experten“ in dunklen Anzügen Verhütungsdinge u…
Versicherungsfragen kommentieren.
Man muss schon in einer nichtmedialen Welt leben, um nicht zu sehen, dass
solche Gesprächskonstellationen die Wirklichkeit längst nicht mehr
abbilden.
21 Feb 2012
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=1IAhDGYlpqY
## AUTOREN
Konrad Ege
## TAGS
USA
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