# taz.de -- Kommentar Rede Obamas: Große Ideen, leere Versprechen | |
> Obama hat die Rede zur Lage der Nation genutzt, um den Ton des | |
> Wahlkampfes zu bestimmen. Zum wichtigsten Punkt, dem Haushaltsdefizit, | |
> sagte er nichts Neues. | |
In einem Wahljahr ist die Rede zur Lage der Nation die wichtigste unter | |
hunderten von öffentlichen Ansprachen, die ein Präsident, der eine zweite | |
Amtszeit anstrebt, halten muss. Er kann den Ton bestimmen, die Angriffs- | |
und Verteidigungslinien festlegen, sich selbst als Visionär darstellen. | |
Barack Obama hat diese Chance am Dienstag abend genutzt. | |
Dabei sagte der Präsident überhaupt nichts neues. Obama nahm den Ton seines | |
Rechenschaftsberichts an gleicher Stelle von vor einem Jahr auf, verwendete | |
etliche Textbausteine aus seiner Rede über Bildung und die Rolle des | |
Staates, die er Anfang Dezember in Kansas gehalten hatte. | |
Zum wichtigsten Punkt, wie nämlich angesichts des riesigen | |
Haushaltsdefizits all die angekündigten neuen Ausgaben zu finanzieren | |
seien, hatte er nichts anzubieten außer der bekannten – und vernünftigen – | |
Forderung, endlich die unter der Bush-Regierung eingeführten | |
Steuererleichterungen für die reichsten US-AmerikanerInnen wieder | |
abzuschaffen. Der Vorwurf des Populismus ließ in den Kommentaren der | |
US-amerikanischen Presse nicht lange auf sich warten. | |
Macht nichts. Denn in einer Situation, in der das republikanisch geführte | |
Repräsentantenhaus und die aggressive republikanische Sperrminorität im | |
Senat selbst die einfachsten, vom gesunden Menschenverstand diktierten | |
Maßnahmen verweigern, kann Obama genausogut eine große Vision vorlegen – | |
umgesetzt wird ohnehin nichts. | |
## Philosophische Unterschiede sind deutlich | |
Obama hat klar gemacht, dass er im Wahljahr den Kampf um die Köpfe annehmen | |
wird, der seit seiner Wahl 2008 von der Tea Party und ihrer immergleichen | |
Botschaft dominiert wird: Der Staat ist immer schlecht, jeder soll sehen, | |
wo er bleibt, und wenn das nicht klappt – Pech gehabt. Diesem zum | |
politischen Programm gemachten Raubtierverhalten stellt Obama die Vision | |
eines Landes gegenüber, in dem die Regierung als Ausdruck | |
gesellschaftlichen Willens zumindest minimale Solidarität, Fürsorge und | |
Chancengleichheit organisiert. | |
Das ist ein Wahlkampfthema, was sich auszufechten lohnt. Und falls Newt | |
Gingrich tatsächlich republikanischer Kandidat wird, werden die | |
philosophischen Unterschiede im Wahlkampf so deutlich werden wie lange | |
nicht, eine klare Richtungswahl. Nur: auch ein wiedergewählter Obama wird | |
von alldem nicht viel verwirklichen können. Denn der Stillstand in | |
Washington ist strukturell, das Land bleibt polarisiert. | |
Allerdings: Sollte Obama mit dieser Botschaft im November gewinnen, sollten | |
gar auch die Demokraten im Kongress nach ihrer herben Niederlage 2010 | |
Zugewinne verzeichnen – dann könnte sich womöglich zumindest mittelfristig | |
auch die Republikanische Partei wieder auf andere Zeiten besinnen und zu | |
einer verantwortungsvollen Politik zurückkehren. | |
Wollen die USA ihre Reformfähigkeit wiedererlangen, führt daran kein Weg | |
vorbei. Es wird ein Wahlkampf der leeren Versprechen – aber eben auch einer | |
der großen Ideen werden. Die Lage der Nation ist damit im übrigen recht gut | |
beschrieben. | |
25 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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