# taz.de -- Niedrige Renten für Frauen: Die Ost-Mutter als Vorbild | |
> Trotz guter Ausbildung werden viele Frauen nicht von ihren Renten leben | |
> können. Im Vorteil sind die Ostdeutschen: Sie arbeiten häufiger in | |
> Vollzeit. | |
Bild: Trittfest ins Alter: 43 Prozent der Ost-Frauen arbeiten trotz Kind und Ke… | |
BERLIN taz | 622 Euro im Monat. Auf so viel Rente durchschnittlich dürfen | |
Frauen hoffen, die aus den alten Bundesländern stammen, heute Mitte 40 und | |
berufstätig sind. Bei Ostfrauen beträgt die zu erwartende Rente im | |
Durchschnitt 790 Euro. | |
Das haben die Politikwissenschaftlerin Barbara Riedmüller und die | |
Sozialwissenschaftlerin Ulrike Schmalreck für ihre soeben erschienene | |
Studie "Die Lebens- und Erwerbsverläufe von Frauen im mittleren Alter" | |
ausgerechnet. Dafür zogen die Expertinnen der Freien Universität Berlin | |
Daten der Deutschen Rentenversicherung und des Sozioökonomischen Panels | |
heran. | |
Wichtigstes Fazit dieser Untersuchung: Arbeit schützt Frauen nicht in jedem | |
Fall vor Altersarmut. Wie kann das sein? | |
Die Forscherinnen erklären es so: Frauen sind heute zwar häufig besser | |
ausgebildet als die Generation ihrer Mütter und sie arbeiten auch häufiger. | |
Aber vielfach in Teilzeit- und in 400-Euro-Jobs. "Das mindert ihre | |
Rentenansprüche massiv", sagt Barbara Riedmüller. | |
## Familienplanung als Stolperstein | |
Wobei es einen eklatanten Unterschied zwischen Ost und West gibt, wie die | |
Forscherinnen herausgefunden haben. Vor allem jene Frauen in den alten | |
Bundesländern seien von Altersarmut betroffen, die nach wie vor einen | |
"familienorientierten Lebenslauf" favorisierten: Wegen der Kinder steigen | |
sie länger aus dem Job aus, manche bis zu 19 Jahre. | |
Und wenn sie wieder arbeiten gehen, dann selten in qualifizierten Jobs, | |
sondern häufig in Mini- und Teilzeitjobs. "Diese klassischen | |
Zuverdienerinnen haben ein hohes Risiko, in der Altersarmut zu landen", | |
sagt Barbara Riedmüller. | |
Die Erwerbsneigung von Frauen im Osten sei nach wie vor höher als im | |
Westen: Während 43 Prozent der Ostfrauen Vollzeit arbeiten, sind es im | |
Westen 21 Prozent. Teilzeit arbeitet im Westen jede fünfte Frau, im Osten | |
ist es nur jede siebte. Nur eine von 25 Frauen im Osten konzentriert sich | |
ausschließlich auf ihre Kinder und die Familie. | |
Daraus ergibt sich, dass 41 Prozent der westdeutschen sogenannten | |
Babyboomerinnen - die Geburtsjahrgänge Anfang der 1960er Jahre - eine Rente | |
unter der sogenanten Grundsicherung auf Hartz-IV-Niveau von 680 Euro zu | |
erwarten haben. Bei den ostdeutschen Babyboomerinnen werden es | |
voraussichtlich 21 Prozent sein. | |
## "Nicht auf den Partner verlassen!" | |
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als stünden ostdeutsche Frauen | |
aufgrund ihrer häufigeren Erwerbstätigkeit mit ihrer Rente besser da. Sie | |
sind allerdings stärker als westdeutsche von Arbeitslosigkeit betroffen. | |
Und schon kurze Arbeitslosenzeiten mindern die Rentenansprüche: Zwei Jahre | |
Arbeitslosigkeit können ein Rentenminus zwischen 100 und 150 Euro | |
ausmachen. | |
Die Botschaft der Wissenschaftlerinnen: Frauen sollten sich heute nicht | |
mehr auf eine Absicherung durch ihren Partner verlassen. Im Gegensatz zu | |
früheren Generationen, bei denen Frauen im Westen vor allem wählen konnten | |
zwischen dem Dasein als Hausfrau oder als kinderloser Berufstätiger - im | |
Osten war die Erwerbstätigkeit der Frauen Staatsdoktrin -, haben Frauen | |
heute mehr Wahlmöglichkeiten: Sie können Kinder haben und arbeiten gehen, | |
sie können Teilzeit arbeiten oder zu Hause bleiben. "Daraus resultieren | |
aber auch größere Risiken", warnt Riedmüller. | |
Die Reallöhne insgesamt sinken, und ein Familieneinkommen reiche häufig | |
nicht mehr aus. Darüber hinaus steige die Zahl der Ehescheidungen und die | |
Zahl der Alleinerziehenden. Die Höhe der Witwenrente hingegen sinke. | |
## Erwerbstätigkeit der Frauen als DDR-Doktrin | |
"Der Trend bei Frauen muss zur Vollerwerbstätigkeit gehen", sagt | |
Riedmüller. Frauen, die heute schon Vollzeit arbeiten, Kinder haben und nur | |
kurze Babypausen eingelegt haben, bezeichnet sie als "Pionierinnen": "Sie | |
leben ein Modell, das zum Vorteil in ihrer eigenen Biografie ist." | |
Zumindest ist es ein Vorteil für ihre Rente: Vollerwerbstätige Frauen | |
dürfen mit einer durchschnittlichen Rente zwischen 900 und 1.050 Euro | |
rechnen. Frauen, die vor allem Teilzeit arbeiten, sollten sich darauf | |
einstellen, eine Rente knapp über der Grundsicherung zu bekommen. Und | |
Frauen, die nie oder kaum erwerbstätig waren, werden Beträge weit unter der | |
Grundsicherung erhalten. | |
25 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
## TAGS | |
Familie | |
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