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# taz.de -- Debatte Geld: Die passende Versicherung
> Die Beratung muss unabhängig vom Abschluss eines Vertrages sein. Erst
> dann stehen die Interessen des Kunden im Mittelpunkt. Ein Vorschlag.
Bild: Die wenigsten Deutschen wollen Geld für eine ausführliche Beratung ausg…
"Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand." Man möchte dem
Sprichwort hinzufügen: und beim Finanzberater auch. Denn Finanzberatung ist
häufig provisionsgetrieben. Das Problem dabei: Die optimale Beratung des
Kunden gerät allzu leicht in den Hintergrund, weil der "Berater" eine
Vergütung nur dann erhält, wenn der Kunde am Ende des Gesprächs einen
Vertrag unterschreibt.
Provisionsberatung ist zudem wenig transparent. Das beginnt schon bei ihrem
Namen. Der Ausdruck "Beratung" suggeriert, dass der "Berater" im Interesse
des Kunden handelt. Doch diese Neutralität ist vorgegaukelt, die Realität
sieht anders aus: Gegensätze zwischen den "Anliegen" der Anlegerinnen und
Anleger einerseits und dem Verkaufsdruck der Vermittler andererseits sind
keine Ausnahme.
Der Kunde, der beispielsweise umfassend für sein Alter vorsorgen will, ahnt
gar nicht, woher der Vermittler sein Geld bekommt. Weil die üppigen
Provisionen in die Beiträge eingepreist sind, wird umso mehr der Eindruck
vermittelt, die "Beratung" sei kostenlos. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Nur ein Beispiel: Die Vertriebskosten einer privaten Rentenversicherung
liegen bei vier bis sieben Prozent der Beiträge. Bei einer Laufzeit von 20
Jahren und monatlichen Raten von 150 Euro ergibt sich ein Betrag zwischen
1.400 und 2.500 Euro an Provision.
## Kein Geld für Finanzberatung
Wie wenig bekannt diese Fakten sind, zeigt eine aktuelle Forsa-Umfrage:
Zwei Drittel der Deutschen wollen kein Geld für Finanzberatung ausgeben.
Die Konsequenz: Oftmals werden im Laufe der Jahre lieber Tausende Euro an
Provision gezahlt, als einmal eine Rechnung von wenigen hundert Euro zu
zahlen.
Wer im Autohaus nach einer passenden Familienkutsche sucht, dem ist klar,
dass der Verkäufer das Auto unbedingt loswerden möchte und gerade daran
verdient. Wer sein Geld in seine Lebensversicherung investiert, hält den
Verkäufer für einen neutralen Berater und vertraut darauf, im Großen und
Ganzen uneigennützig beraten zu werden.
Deshalb ist es notwendig, die Beratung und Vermittlung von Finanzprodukten
auf eine neue Grundlage zu stellen. Der provisionsbasierte Vertrieb muss
zurückgedrängt werden. Die Alternative ist der flächendeckende Ausbau der
Honorarberatung. Hier zahlt der Kunde an den Berater gesondert und
unabhängig vom Produktverkauf. Die Beratung – nicht der Verkauf – steht
damit automatisch im Mittelpunkt des Gesprächs. Mit welchem Vertrag der
Kunde nach Hause geht, spielt für die Vergütung des Beraters dann keine
Rolle mehr.
## Nur 200 Honorarberater
Ein schöner Traum. Denn momentan dominiert die Provision in Deutschland.
Der DIHK schätzt, dass ungefähr 250.000 Versicherungsvermittlern,
-vertretern und -maklern, die ausschließlich auf Provisionsbasis beraten,
nur 200 Honorarberater gegenüberstehen.
Verbraucherschutzministerin Aigner hat im Juli letzten Jahres ein
Eckpunktepapier für die gesetzliche Regelung des Berufsbildes der
Honorarberatung vorgelegt. Damit liegt endlich – zwei Jahre nach
Ankündigung – ein Vorschlag des zuständigen Bundesministeriums auf dem
Tisch. Sechs Seiten Text sollen genügen, um der Honorarberatung in
Deutschland endlich zu neuer – zu erster – Blüte zu verhelfen. Operation
gelungen? Leider nein. Denn der dürre Vorschlag aus dem Hause Aigner hat
ein paar ganz grundlegende Konstruktionsfehler.
## Neues Konzept von Ilse Aigner
Erstens: die Vergütung. Die Gretchenfrage ist und bleibt, ob Geld an den
Berater fließen darf, wenn der Kunde einen Vertrag abschließt. Natürlich
nicht, ist die logische Antwort. Ansonsten bestehen die beschriebenen
Fehlanreize ja weiter. Anders Ministerin Aigner: Ihrem Konzept nach soll es
künftig ausreichen, dass der Honorarberater die Provision an den Kunden
weiterreicht. Nur: Warum sollte der Kunde dann nicht - unter Inkaufnahme
unvertretbarer Risiken -auf die Provision des Beraters schielen, die dieser
ihm nun weiterleiten muss? Nur wenige werden der Möglichkeit widerstehen
können, statt das passende Produkt zu kaufen, doch die höhere Provision in
bar zu nehmen.
Das kann und wird nicht funktionieren. Honorarberatung liegt nur vor, wenn
beim Abschluss des Vertrages kein Geld fließt; Honorarberater darf nur
sein, wer sein Geld ausschließlich vom Kunden bekommt.
## Aigners Ansatz ist falsch
Zweitens: die Aufsicht über die Honorarberater. Soll der Beratungsmarkt
künftig funktionieren, muss er effektiv beaufsichtigt werden. Und vor
allem: Die Anlegerinnen und Anleger müssen sich darauf verlassen können,
dem gleichen Schutzniveau zu unterliegen, egal welches Produkt sie kaufen.
Ministerin Aigner ist auch in diesem Punkt anderer Ansicht. Ihrem Konzept
zufolge soll es künftig darauf ankommen, welchen Vertrag der Kunde
abschließt. Danach entscheidet sich, ob die Finanzprofis von der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) oder die meist
kommunalen Gewerbebehörden zuständig sind. Eine solche gespaltene
Regulierung wurde schon gegen alle Vernunft von der FDP für den Grauen
Kapitalmarkt durchgedrückt. Das Problem: Allein Gewerbebehörden gibt es in
Deutschland über 7.000!
Es ist schlichtweg illusorisch, dass diese sich untereinander abstimmen
werden. Schwarze Schafe unter den Beratern werden so künftig einfach dort
agieren, wo die Aufsicht am schwächsten ist. Außerdem: Gewerbebehörden
kümmern sich um Hygieneaufsicht und Standgenehmigungen. Finanzfragen sind
nicht ihr Fachgebiet. Das kann einzig die Bafin leisten - unabhängig vom
Produkt.
Bereits diese kurze Aufzählung zeigt: Mit Aigners Konzept sind neue
Fehlanreize vorprogrammiert. Ihr Modell mutiert so schnell vom Tiger zum
Bettvorleger. Und die Anlegerinnen und Anleger bleiben: beraten und
verkauft. Die SPD-Bundestagsfraktion wird deshalb diese Woche ein
Alternativkonzept zur Honorarberatung vorlegen.
17 Jan 2012
## AUTOREN
C. Sieling
K. Tack
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