# taz.de -- Generalstreik in Griechenland: Öffentliches Leben lahmgelegt | |
> Zehntausende demonstrieren in Athen und Thessaloniki gegen die neuen | |
> Sparmaßnahmen. Vor dem Parlament in Athen brannte auch die deutsche | |
> Flagge. | |
Bild: Streik in Griechenland: Den Sturm auf das Parlament verhinderte die Poliz… | |
ATHEN afp | Ein Generalstreik gegen die jüngsten Sparmaßnahmen hat am | |
Dienstag das öffentliche Leben in Griechenland weitgehend lahmgelegt. Unter | |
dem Motto "Es reicht" riefen die beiden großen Gewerkschaftsverbände für | |
die Privatwirtschaft und den öffentlichen Dienst ihre Mitglieder zu Streiks | |
und Kundgebungen auf. Bei Protesten vor dem Parlament verbrannten | |
Demonstranten auch eine deutsche Flagge. | |
Bestreikt wurden Schulen, Ministerien, Banken und Krankenhäuser sowie der | |
öffentliche Nahverkehr. In Athen setzten sich U-Bahnen und Busse mit | |
Verspätung in Bewegung. Die Fährverbindungen wurden durch einen Ausstand | |
der Seeleute behindert. Der Flugverkehr war indes nicht beeinträchtigt. | |
Gegen Mittag versammelten sich im Nieselregen in der Hauptstadt und in | |
Thessaloniki nach Polizeiangaben mehr als 20.000 Menschen zu | |
Protestkundgebungen. Auf Spruchbändern hieß es "Nein zu den Entlassungen im | |
öffentlichen Dienst", "Nein zur Senkung des Mindestlohns" und "Vorwärts bis | |
zum Sieg". Vor dem Parlament versuchten Demonstranten auch, eine | |
Hakenkreuzfahne anzustecken, wurden daran aber von der Polizei gehindert. | |
Die Regierung in Athen verhandelt seit Monaten mit Vertretern der Troika | |
aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem | |
Währungsfonds (IWF) über die Bedingungen für ein zweites Hilfspaket im | |
Umfang von mindestens 130 Milliarden Euro. | |
Daneben spricht Athen mit den privaten Gläubigern über einen | |
Schuldenschnitt, der das Land um rund hundert Milliarden Euro entlasten | |
soll. Die Zeit drängt, denn am 20. März muss das mit 350 Milliarden Euro | |
verschuldete Land mehr als 14 Milliarden Euro zurückzahlen, andernfalls | |
droht die Pleite. | |
## Lohnkürzungen und Entlassungen | |
Im Gegenzug für weitere Milliardenkredite soll die griechische Regierung | |
die Ausgaben drastisch reduzieren. Gefordert wird die Senkung des | |
Mindestlohns von 751 Euro brutto auf 570 Euro, die Abschaffung des 13. und | |
14. Monatslohns sowie die Entlassung von 150.000 Staatsbediensteten in den | |
kommenden drei Jahren. | |
Die Regierung unter Lucas Papademos verhandelt darüber mit den drei | |
Koalitionsparteien. Am Dienstagabend sollte es erneut ein Treffen mit der | |
konservativen Nea Dimokratia, der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung | |
(PASOK) und der ultrarechten LAOS-Partei geben. | |
Der Vorsitzende des griechischen Gewerkschaftsverbands für den Privatsektor | |
(GSEE), Giannis Panagopoulos, lehnt eine Senkung des Mindestlohns ab. | |
"Damit entzieht man der heimischen Nachfrage Geld und verschlimmert die | |
Rezession nur noch", sagte Panagopoulos dem Tagesspiegel. Mit einem | |
Abschluss der Verhandlungen über die Bedingungen für ein zweites Hilfspaket | |
rechnete er bis "Ende dieser Woche". | |
## Bundestag muss entscheiden | |
Sollte das Paket zustande kommen, müsste auch der Bundestag entscheiden. | |
Das Parlament sei auf "Stand-by", um gegebenenfalls rasch zusammenzukommen, | |
sagte Unions-Parlamentsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU). | |
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach sich für einen Verbleib | |
Griechenlands in der Eurozone aus. Die Einigung mit Athen stehe kurz bevor, | |
sagte er in Brüssel. | |
Eurogruppenchef Jean Claude Juncker sagte zum deutsch-französischen Vorstoß | |
für ein Sonderkonto, durch das sichergestellt werden soll, dass Zahlungen | |
an die griechischen Gläubiger auch tatsächlich geleistet werden, dies sei | |
"keine abwegige Idee." Allerdings lägen ihm die Pläne bisher nur in wenigen | |
Zeilen vor. | |
7 Feb 2012 | |
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tazlab 2012: „Das gute Leben“ | |
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