# taz.de -- Debatte Griechenland: Zurück zur Drachme | |
> Radikale Sparpolitik und Eurobonds machen das bankrotte Land nicht | |
> wettbewerbsfähiger. Da hilft nur ein flexibler Wechselkurs. | |
Auch nach der Absegnung des "Fiskalpaktes" durch 25 EU-Mitgliedsstaaten | |
bleibt der grundlegende Konflikt der "Euro-Rettungspolitik" bestehen: mehr | |
Sparen einerseits, größere Rettungsschirme andererseits. Doch beide | |
Strategien adressieren nicht den Kern der Krise. Dieser liegt nicht in der | |
Schuldenpolitik einzelner Länder, sondern in ihrer unterschiedlichen | |
Wettbewerbsfähigkeit. | |
Etwa die Hälfte der Euroländer, vorneweg Deutschland, exportiert mehr Güter | |
in die Eurozone als sie importiert, während die andere Hälfte einen | |
entsprechenden Importüberschuss aufweist. Die primär von Deutschland | |
forcierte Sparpolitik kann diese Unterschiede nicht beheben, denn eine hohe | |
Staatsverschuldung bedeutet noch keine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. | |
Auch bei einem ausgeglichenen Staatshaushalt wäre Griechenland in der | |
Währungsunion nicht wettbewerbsfähig, weil dessen Produkte zu teuer sind. | |
Beispiel Tourismus: Mit einem um 20 Prozent höheren Preisniveau als in der | |
Türkei bleiben die Touristen und damit die Einnahmen weg. Bei flexiblen | |
Wechselkursen würde sich dieses Ungleichgewicht automatisch abbauen: Ferien | |
in Griechenland würden billiger und die Deviseneinnahmen ansteigen, Importe | |
würden teurer und zurückgehen. Diese Option existiert in einer | |
Währungsunion mit starren Wechselkursen nicht. | |
Es ist Unsinn, die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands durch | |
Investitionsprogramme und billiges Geld, zum Beispiel Eurobonds oder eine | |
Staatsfinanzierung durch die EZB, stärken zu wollen. Dadurch kann die | |
Staatspleite hinausgeschoben, aber nicht die Wettbewerbsfähigkeit | |
gesteigert werden. Im Gegenteil: Die Lösung der eigentlichen Probleme wird | |
verschleppt - zu immer höheren Kosten. | |
Weil den Defizitländern die Möglichkeit einer "externen Abwertung" durch | |
eine Wechselkursänderung verwehrt ist, drängen EU-Kommission und EZB in | |
Griechenland auf die Abschaffung der Tarifhoheit. Lohndumping soll die | |
Privatwirtschaft wettbewerbsfähiger machen. | |
Diese Politik der "internen Abwertung" wird scheitern, denn sie ist die | |
unsozialste, uneffektivste und unsolidarischste Methode, um | |
Wettbewerbsfähigkeit herzustellen. Dass linke und grüne Politiker für den | |
Verbleib des Landes in der Währungsunion plädieren und sich gleichzeitig | |
wundern, dass dieser nur um den Preis eines dramatischen Sozialabbaus zu | |
haben ist, gehört zu den Rätseln der Eurodebatte. | |
## Deutsche Exporte drosseln | |
Die deutsche Politik rechtfertigt diese Strategie mit dem Bild von den | |
"faulen Griechen". Doch ökonomisch gesehen ist ein | |
Leistungsbilanzüberschuss genauso problematisch wie ein | |
Leistungsbilanzdefizit. Deshalb müssen nicht nur die Defizite, sondern auch | |
die Überschüsse abgebaut werden. | |
Dies lehnt Deutschland vehement ab, denn die deutsche Industrie profitiert | |
davon, dass Defizitländer sich nicht mit einer Währungsabwertung gegen die | |
konkurrenzlos billigen deutschen Produkte wehren können. Ein Ausgleich | |
könnte zwar durch eine "interne Aufwertung" in Deutschland, etwa durch | |
höhere Löhne in der Exportindustrie, herbeigeführt werden. Das kann eine | |
Regierung jedoch schlecht verordnen. | |
Welchen Ausweg aus dem Dilemma gibt es? Erstens, die deutsche Regierung | |
muss die Schädlichkeit der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse zugeben. | |
Dies hat sie - ganz im Sinne der deutschen Industrie - bisher verhindert. | |
Zweitens, der Austritt einzelner Defizitländer aus der Währungsunion muss | |
eine realistische Option sein. Der Austritt würde die Anpassungslasten | |
gleichermaßen den Defizit- wie den Überschussländern aufbürden. | |
Eine Währungsabwertung vermindert zwar das Realeinkommen der Bevölkerung in | |
den Defizitländern, weil die Importe teurer werden. Aber das ist ja gerade | |
beabsichtigt, denn inländische Anbieter, vor allem von Produkten des | |
täglichen Bedarfs, etwa Lebensmitteln, würden dadurch wieder | |
wettbewerbsfähiger. | |
Überschussländer dagegen müssten einen Rückgang ihrer Exporte in Kauf | |
nehmen. Klar ist jedoch auch: Ein Austritt aus der Währungsunion wäre mit | |
großen sozialen Härten verbunden, allerdings mit der reellen Chance eines | |
wirtschaftlichen Neuanfangs. Zudem würden größere Lasten durch den | |
Mittelstand und die Oberschicht getragen werden müssen. | |
Die Unsummen, die jetzt in einem bankrotten Staat verpuffen, könnten zudem | |
viel sinnvoller die sozialen Härten einer Währungsabwertung abfedern. | |
Ohnehin beruhen die (noch) billigen Importe Griechenlands auf einer | |
Wohlstandsillusion. Denn Griechenland kann sie gar nicht bezahlen und häuft | |
dafür exorbitante Schulden bei den Zentralbanken der Überschussländer an. | |
Diese Schulden sind noch gar nicht im Risikokalkül der gegenwärtigen | |
Rettungsschirmpolitik berücksichtigt. | |
## Nichts ist alternativlos | |
Die Verkleinerung der Währungsunion ist noch ein Tabu und die Politik | |
verkauft uns die Spar- und Rettungsschirmstrategie als alternativlos. Diese | |
vorgebliche Alternativlosigkeit besteht aber nur, weil versäumt wurde, nach | |
der Lehman-Pleite den Finanzsektor strikt zu regulieren und krisenresistent | |
zu machen. | |
Deshalb weiß niemand so richtig, was auf den Finanzmärkten passiert, wenn | |
mehrere Euroländer die Währungsunion verlassen und ihre Währungen abwerten | |
würden. Banken "too big to fail" könnten durch den Verlust ihrer | |
Forderungen ins Trudeln geraten und Unternehmen mit in den Abgrund ziehen. | |
Die angeblich alternativlose Politik ist nichts anderes, als mit einer | |
falschen Politik in der Gegenwart die Folgen einer falschen Politik in der | |
Vergangenheit zu bekämpfen. | |
Schon 2010 schrieb der wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums an | |
Wolfgang Schäuble, der Hauptgrund für die Rettungsschirmpolitik sei nicht | |
ökonomische Rationalität, sondern dass " die Zahlungsunfähigkeit eines | |
einzelnen Mitgliedsstaates eine Bankenkrise und Kettenreaktion auslösen | |
könnte". Führen wir die angebliche alternativlose Politik fort, werden wir | |
alle eine viel höhere Rechnung zahlen müssen als notwendig. Und dabei noch | |
die europäische Idee gefährden. | |
9 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Thilo Bode | |
## TAGS | |
tazlab 2012: „Das gute Leben“ | |
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