Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Angestellte prangert Zustände in Chile an: Der Aufstand der Nanas
> In Chile werden Hausangestellte, Gärtner und Handwerker diskriminiert.
> Der Protest der "Nanas" löst nun einen Kulturkampf zwischen
> Dienstpersonal und Neureichen aus.
Bild: Die 57-jährige Felicita Pinto löste eine Debatte über Klassenunterschi…
In Chile tobt ein Kulturkampf besonderer Art. Ausgelöst hat ihn Felicita
Pinto, die als Hausangestellte in einer Gated Community außerhalb von
Santiago arbeitet. Als die 57-Jährige neulich etwas früher am Haupteingang
der Anlage "El Agarrobal II" ankam und sich zu Fuß auf den Weg zu ihrer
Arbeitsstelle machte, wurde sie von Wachmännern unsanft aufgehalten.
Nanas, wie Hausangestellte in Chile heißen, Gärtner oder Handwerker dürfen
sich nämlich auf den breiten Straßen der exklusiven Siedlung nur in dem
dafür vorgesehenen Kleinbus bewegen – "damit sie keine Einbrüche begehen
oder Informationen über die Privatsphäre anderer Nachbarn mitteilen
können", wie die Verwaltung erklärte.
Die in Lateinamerikas weißen Oberschichten inbrünstig kultivierte Paranoia
macht auch vor jenen Edelgettos nicht halt, zu deren Entstehung sie
maßgeblich beigetragen hat. "El Agarrobal II" und benachbarte Siedlungen
nördlich von Santiago sind durch eine von hohen Wänden eingefasste Autobahn
miteinander verbunden – Ausfahrten zu umliegenden Mittelschichts- oder gar
Armenvierteln sucht man vergebens.
## Nur in Uniform geduldet
Die Diskriminierung hat viele Facetten: Mal sind Nanas aus Peru "wegen
ihres Akzents" unerwünscht, mal werden sie, wie in einem der lokalen
Golfclubs, nur in Uniform geduldet.
Felicita Pinto und ihr britischer Arbeitgeber Bruce Taylor, die schon
früher gegen die Statuten protestiert hatten, gingen diesmal an die
Öffentlichkeit. Erbittert wurde in den Medien gestritten, eine
Hausbesitzerin erklärte in einem Fernsehinterview: "Stellen Sie sich einmal
vor, alle Nanas laufen hier rum, alle Arbeiter sind auf der Straße, und
Ihre Kinder sind mit dem Fahrrad unterwegs!"
In den sozialen Netzwerken ging es besonders hoch her. Die Frau wurde als
"Neureiche" und Schlimmeres beschimpft, wegen angeblicher Morddrohungen
verklagte sie den Sender. Das Interview sei in manipulativer Absicht stark
gekürzt gesendet worden, meinte sie, auch ihre Fangemeinde wuchs.
Vor der Siedlung demonstrierten Nanas und SympathisantInnen, Bürgerrechtler
wollen jetzt den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof anrufen.
Taylor zog gegen die umstrittene Klausel vor Gericht. Als das jedoch nichts
fruchtete, schenkte er Felicita Pinto einen Teil seines Grundstücks. Nun
kann wenigstens sie unbehelligt in den Straßen der Luxussiedlung spazieren
gehen – als Miteigentümerin.
13 Feb 2012
## AUTOREN
Gerhard Dilger
## TAGS
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Überwachung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Haushaltshilfen in Jordanien: Die Unsichtbaren
Dienstmädchen in Jordanien werden oft ausgebeutet, das Haus dürfen sie
nicht verlassen. Die Zahlen unnatürlicher Todesfälle häufen sich.
Debütroman über Gated Communities: Unterhalb der Realität
Draußen Armut, drinnen Überwachung: Juan Guses „Lärm und Wälder“ handelt
von Angst und Überlebensmodellen in der Gated Community.
Bildungsproteste in Chile: „Das hier hört nicht auf“
In Chile kommt der Kampf um ein gerechtes Bildungssystem voran. Studenten
und Schüler protestieren gegen die Privatisierung des Erziehungswesens.
Waldbrände in Chile: "Kriegserklärung" an die Mapuche
Staatspräsident Sebastián Piñera beschuldigt Angehörige der Minderheit,
Feuer gelegt zu haben. Für eine Anklage soll jetzt das Antiterrorgesetz
greifen.
Chiles Regierung rudert zurück: Diktatur bleibt Diktatur
Chiles neuer Bildungsminister versuchte, das Wort "Diktatur" für Pinochets
Schreckensherrschaft in Schulbüchern durch einen neutralen Begriff zu
ersetzen. Vergeblich.
Chiles Expräsident über Studentenproteste: "Die Jugend drängt weiter"
Chiles Expräsident Ricardo Lagos spricht über die Linken in Südamerika,
andauernde Studentenproteste in seinem Land und das Erbe Pinochets.
Chile und seine Vergangenheit: Aus "Diktatur" wird "Regime"
Pinochets Herrschaft wurde in Schulbüchern bislang als "Diktatur"
bezeichnet. Die Entscheidung, sie nun "Regime" zu nennen sei keineswegs
politisch, betont der Bildungsminister.
Nach Studentenprotesten in Chile: Bildungsminister tritt zurück
Seit mehr als einem halben Jahr demonstrieren die Chilenen für mehr Chancen
im Bildungswesen. Das Vertrauen in die Regierung schwindet. Nun trat
Bildungsminister Bulnes zurück.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.