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# taz.de -- Chiles Regierung rudert zurück: Diktatur bleibt Diktatur
> Chiles neuer Bildungsminister versuchte, das Wort "Diktatur" für
> Pinochets Schreckensherrschaft in Schulbüchern durch einen neutralen
> Begriff zu ersetzen. Vergeblich.
Bild: Bleiben auch in chilenischen Schulbüchern die Insignien eines Diktators:…
BUENOS AIRES taz | Die Herrschaft des früheren Generals Augusto wird in den
chilenischen Schulbüchern auch weiterhin als "Diktatur" bezeichnet. Das
Vorhaben die Pinochet-Ära in den Geschichts- und Sprachbüchern für
SchülerInnen im Alter zwischen neun und 13 Jahren künftig nicht mehr als
"Militärdiktatur", [1][sondern als "Militärregime" zu bezeichnen], ist
vorerst gestoppt.
Vergangene Woche hatte der neu ins Amt gekommene Bildungsminister Harald
Beyer den Austausch der Begriffe angekündigt. Beyer sprach von einer
unpolitischen Entscheidung und davon, dass der Begriff "Militärregime" doch
einfach nur eine allgemeinere Formulierung sei. Während die ewig gestrige
Rechte Beifall klatschte, stieß der Vorschlag von Mitte bis Links auf
Ablehnung. Und das überwiegend negative Echo in der Weltpresse wurde auch
im Präsidentenpalast vernommen.
Jetzt machte der Minister die Kehrtwende. Mit einem erneuten verbalen
Eiertanz versicherte Beyer, dass die Regierung "nie versucht habe, den
nichtdemokratischen Charakter des Militärregimes und die Verletzung der
Menschenrechte, die währenddessen passierten, nicht zur Kenntnis zu
nehmen". Die Regierung werde dem zuständigen Entscheidungsgremium eine neue
Formulierung vorschlagen, so der Bildungsminister.
Dem Versuch, das Wort "Diktatur" loszuwerden, war vergangene Woche ein
Sturm der Entrüstung gefolgt. Linke Abgeordnete und Angehörige von
Opfervereinigungen hatten Beyer Geschichtsfälschung vorgeworfen. Isabel
Allende, Senatorin und Tochter des von Pinochet 1973 gestürzten
sozialistischen Präsidenten Salvador Allende, sprach von einer
"inakzeptablen" Entscheidung. Selbst der frühere christdemokratische
Präsident Eduardo Frei sagte, "Diktaturen sind Diktaturen, sie haben keinen
Nachnamen".
Die Auseinandersetzung über das Geschichtsbild der Pinochet-Diktatur ist
nicht neu. Die gegenwärtige Regierung unter Präsident Sebastián Piñera ist
die erste konservative seit Ende der Diktatur 1990. Die beiden rechten
Parteien, auf die sich Präsident Piñera stützt, weigern sich seit langem,
die 17-jährige Schreckensherrschaft als Diktatur zu bezeichnen. Ebenso
verneinen sie, dass es Folter, Mord und Verschleppung gegeben hat.
Während der Pinochet-Diktatur sind nach offiziellen Angaben mehr als 3.000
Menschen getötet worden oder spurlos verschwunden. Eine Kommission zur
Aufklärung der Verbrechen der Pinochet-Diktatur hatte erst vor kurzem die
Zahl der Diktaturopfer mit 38.283 angegeben.
8 Jan 2012
## LINKS
[1] /Chile-und-seine-Vergangenheit/!85021/
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Chile
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