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# taz.de -- Volkswagen zu Strafe verurteilt: Leiharbeit bei VW do Brasil
> VW beschäftigt in Brasilien Leiharbeiter und verstößt damit gegen das
> Arbeitsrecht. Ein Gericht hat den Konzern nun verurteilt, aber die
> Gesetzeslage ist undurchsichtig.
Bild: Die Kanzlerin aller Deutschen und der VW-Vorstandsvorsitzende Martin Wint…
PORTO ALEGRE taz (Aktualisierung Reaktion VW, 22 Uhr) | In Brasilien ist
Volkswagen wegen der Beschäftigung von Leiharbeitern in der Endproduktion
zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Ein Arbeitsgericht im Bundesstaat
São Paulo verhängte letzte Woche gegen VW do Brasil eine Strafe von
umgerechnet 440.000 Euro.
Die Konzerntochter in Brasilien wollte zu dem erstinstanzlichen Urteil
öffentlich nicht Stellung nehmen, ein VW-Sprecher in Wolfsburg erklärte
hingegen am Mittwochabend gegenüber taz.de: "Es besteht in diesem
Zusammenhang kein Vertrag zur Arbeitnehmerüberlassung. Somit handelt es
sich nicht um Leiharbeit, sondern um eine logistische Dienstleistung."
Richter Adenilson Brito Fernandes aus São Carlos, 230 Kilometer
nordwestlich von São Paulo, sieht das anders. VW verstoße gegen mehrere
Punkte der brasilianischen Arbeitsgesetzgebung, heißt es in seinem Urteil,
das der taz vorliegt. In der VW-Motorenfabrik von São Carlos verrichteteten
Leiharbeiter Tätigkeiten, die zur Endproduktion gehörten.
Eine logistische Dienstleistung müsse sich auf die Lieferung der Waren bis
zu einem Lager des Kunden beschränken. Allerdings trügen die gut 200
Angestellten der Drittfirma SG Logística Motorenteile bis zu 60 Zentimeter
an die Montagelinie heran. Damit seien sie Teil der Produktion, allerdings
"ohne den nötigen arbeitsrechtlichen Schutz".
Obwohl sie "Schulter an Schulter" mit den VW-Arbeitern tätig seien,
verdienten die Leiharbeiter nur halb so viel wie die Festangestellten und
hätten auch weniger Zusatzvergünstigungen und Rechte, sagte Staatsanwalt
Rafael de Araújo Gomes der taz. Seine Vorgänger hatten den Prozess 2009
angestrengt.
## Löchriges Justizsystem
Innerhalb von zwei Monaten muss Volkswagen den Vertrag mit der Drittfirma
SG Logística auflösen, ordnete das Gericht an. Außerdem wurde der Multi
darauf verpflichtet, allen Arbeitern die gesetzlich vorgeschriebenen
Ruhepausen zu gewähren.
"Die Lage im Betrieb ist kompliziert", sagt VWler Erick Silva, zugleich
Chef der Metallgewerkschaft in São Carlos. Die prekär beschäftigen Kollegen
seien bestenfalls in der konservativen Konkurrenzgewerkschaft Força
Sindical organisiert, berichtet der Metaller, eine Zusammenarbeit sei jeoch
unmöglich. Zudem gebe es bei den Leiharbeitern, die gut ein Fünftel der
Gesamtbelegschaft ausmachten, eine hohe Fluktuation.
Er habe die Leiharbeitsthematik letztes Jahr auf einem Treffen in Wolfsburg
angesprochen, berichtet Silva, bislang ohne Erfolg. Der Fall sei durchaus
typisch für ganz Brasilien, meint der Gewerkschafter: "Die Firmen machen,
was sie wollen". VW do Brasil geht in die Revision, Brasiliens Justizsystem
bietet viele Schlupflöcher. Silva: "Bis zu einer endgültigen Entscheidung
können noch viele Jahre vergehen."
Dennoch ist das jetzige Urteil über den Fall VW hinaus ein wichtiges Signal
für die brasilianische Debatte über Leiharbeit. Die juristische Lage ist
unübersichtlich, das Gericht von São Carlos bezog sich auf die immer noch
gültigen Arbeitergesetze aus den 1940er Jahren. Seit der neoliberalen Phase
der Flexibilisierung in den Neunzigern orientieren sich die Richter an
wenigen Grundsatzurteilen der obersten Arbeitsgerichte.
## Archaische Arbeitsbeziehungen
Im Kongess von Brasília drängt die Unternehmerlobby auf eine radikale
Liberalisierung. "Demnach müssten Firmen wie VW überhaupt keine eigenen
Leute mehr anstellen", sagt Staatsanwalt Gomes, "sie könnten alle
arbeitsrechtlichen Verpflichtungen abgeben".
Die Chancen für einen Gegenentwurf des Gewerkschaftsdachverbands CUT stehen
schlecht, bestenfalls bleibt es beim Patt. "Die Leiharbeit hat nicht wie
behauptet die Modernität gebracht, sondern sie führt zu archaischen
Arbeitsbeziehungen und verletzt die Prinzipien der Gleichheit", heißt es in
einem CUT-Grundsatzpapier.
"Die Regierung hält sich heraus, und selbst die meisten Parlamentarier
ihrer breiten Koalition sind für die Präkarisierung der Arbeiterrechte",
sagt Rafael Gomes, der eine "Offensive der Rechten im Kongress"
diagnostiziert. Dabei sei die Lage schon jetzt besorgniserregend: "Beim
Ölmulti Petrobras sind in den letzten 16 Jahren über 300 Leute bei
Arbeitsunfällen umgekommen, 80 Prozent davon waren für Drittfirmen tätig".
15 Feb 2012
## AUTOREN
Gerhard Dilger
## TAGS
Volkswagen
Dieselskandal
Hausangestellte
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