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# taz.de -- Kolumne Besser: Claqueure der Mullahs
> Der große Irrtum des deutschen Erstunterzeichnerkartells: es gibt kein
> Menschenrecht auf Israelkritik.
Der Intellektuelle, der als „Gewissen aller“ in der Öffentlichkeit
auftritt, ist nicht, wie von Michel Foucault angenommen, tot; er hat sich
nur in Ermangelung moralischer Autoritäten vom Rang eines Jean-Paul Sartre
zu einer kollektiven Figur gewandelt. Dessen Waffe ist der Appell, und als
engagierter Intellektueller gilt, wer als erstes unterzeichnet.
In Deutschland reicht dieses Erstunterzeichnerkartell von Elmar Altvater
bis Gerhard Zwerenz, und ob es um Neonazis, Grundeinkommen oder
Verkehrsberuhigung geht, ist die Sache, für die diese Leute mit ihrer
Unterschrift streiten, meist eine gute oder wenigstens gut gemeinte.
Kürzlich aber hat dieser Kreis eine [1][Erklärung] des „Netzwerks
Friedenskooperative“ zum Atomkonflikt mit dem Iran erstunterzeichnet, die
schon wegen der Selbstbezeichnung der Urheber („Eine Erklärung aus der
Friedensbewegung und der Friedensforschung“) Zweifel weckt. Denn ein
seriöser Beruf ist „Friedensforscher“ hierzulande nicht, jedenfalls keiner,
der etwas mit Forschung zu tun hätte.
Als „Friedensforscher“ gilt vielmehr jeder, der zuverlässig die USA, Israel
oder den „Westen“ als Aggressor ausmacht und eilfertig erklärt, dass dieser
oder jener Diktator zwar ein schlimmer Finger ist, aber auch nicht
schlimmer als dieser oder jener andere Diktator, dass man aber ja nichts
unternehmen soll, um ihn zu stürzen, da sonst viel größeres Unheil droht.
Mischen die USA bei einem Konflikt nicht mit, hält sich auch der
„Friedensforscher“ raus.
Bei der Erklärung zum Iran, die diese Vorbehalte aufs Peinlichste
bestätigt, ist Zwerenz nicht dabei, dafür ist die alte linke
Professorengarde fast vollständig versammelt: Elmar Altvater, Iring
Fetscher, Peter Grottian, Wolf-Dieter Narr, Oskar Negt. Außerdem mit von
der Partie: Norman „Wir lagen vor Gaza und hatten die Hisbollah an Bord“
Paech und, auf der Poleposition, Franz „Gegen Atomkraft und Abtreibung“
Alt.
„Israels Atomarsenal und die militärische Einkreisung Irans durch die USA“,
heißt es darin, seien „wichtige Ursachen für die Rüstungsanstrengungen
Irans“. Und weiter: „Mit der Tolerierung von Israels Atomwaffenarsenal bei
gleichzeitiger Bekämpfung des iranischen Atomprogramms tragen USA und EU
die Hauptverantwortung dafür, dass kaum ein Oppositionspolitiker im Iran es
wagt, die Atompolitik der Islamischen Republik in Frage zu stellen.“
Dass das iranische Regime den Staat Israel vernichten will, bleibt
unerwähnt, ebenso der Umstand, dass der Iran seit 30 Jahren alle
Friedensanstrengungen in der Region sabotiert, das Dialogangebot von
US-Präsident Barack Obama ausgeschlagen hat und auch von den meisten
arabischen Staaten als Bedrohung wahrgenommen wird.
Zu einer iranischen Atombombe sagen die Unterzeichner nichts. Aber da sie
sich zugleich gegen Sanktionen und damit das wohl letzte Mittel
aussprechen, eine iranische Atombombe und einen Krieg zu verhindern, nehmen
sie kaltschnäuzig in Kauf, dass Israel der größten Bedrohung seiner
Geschichte ausgesetzt wird. So machen sich die Unterzeichner zu etwas, das
die meisten von ihnen garantiert nicht sein wollen: Claqueure des
Mullah-Regimes und Feinde des jüdischen Staates
***
Besser: Man äußert sich weniger einseitig. Noch besser: Man hält die
Klappe. Denn wenn es etwas gibt, dem Deutsche keinen Schaden zufügen
dürfen, ohne jedwede moralische Integrität zu verwirken, dann ist es dieser
Flecken Erde zwischen Totem Meer und Mittelmeer. Es gibt kein Menschenrecht
auf Israelkritik. Am wenigstens für Deutsche.
6 Mar 2012
## LINKS
[1] http://www.friedenskooperative.de/themen/iranerkg.htm
## AUTOREN
Deniz Yücel
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