# taz.de -- Kommentar NPD-Verbot: Nur eine Hürde weniger | |
> Mit dem Abzug der V-Leute aus der NPD-Spitze entfällt ein wichtiges | |
> Hindernis für ein Verbotsverfahren. Doch es bleiben viele andere Hürden. | |
Warum nicht gleich so? Die CDU-/CSU-regierten Länder sind jetzt doch | |
bereit, die V-Leute in der NPD-Spitze abzuschalten. Damit entfällt ein | |
wesentliches Hindernis für ein NPD-Verbot. Einen Verbots-Antrag wird es am | |
Ende aber vermutlich doch nicht geben. | |
Das Bundesverfassungsgericht hat beim Scheitern des letzten Anlaufs für ein | |
NPD-Verbot 2003 erklärt, dass Politiker in der Führung einer vom Verbot | |
bedrohten Partei nicht zugleich als bezahlte Spitzel für den | |
Verfassungsschutz arbeiten dürfen. So sei kein rechtsstaatliches | |
Verbotsverfahren möglich. Der Kontakt zu den Spitzeln muss also rechtzeitig | |
vor Stellung eines Verbotsantrags beendet werden, die V-Leute dürfen dann | |
kein Geld mehr bekommen, der Staat darf keine Informationen mehr | |
entgegennehmen. | |
Es geht dabei aber nur um rund zehn Informanten im Bundesvorstand und in | |
den Landesvorständen der NPD. V-Leute an der Basis der Nazi-Partei dürfen | |
weiter spitzeln. Auch Informanten in rechten Kameradschaften müssen nicht | |
abgeschaltet werden. Der Staat würde mit diesem Schritt also keineswegs auf | |
dem rechten Auge blind. | |
Die Union musste sich nun wohl bewegen, schließlich hat kaum noch jemand | |
ihre bisherige Position verstanden. Warum sollen die V-Leute in der | |
NPD-Spitze so wichtig sein, wenn die zahlreich vorhandenen Spitzel in der | |
ostdeutschen Nazi-Szene eine rechtsterroristische Mordserie, wie die des | |
NSU-Trios, angeblich auch nicht bemerkt haben. Wenn V-Leute im Ernstfall eh | |
nichts nützen, so die weitverbreitete Stimmung, dann kann man sie auch ohne | |
große Sorgen abschalten. | |
Damit ist aber noch lange nicht der Weg frei für einen neuen Verbotsantrag | |
gegen die NPD. Die Verfassungsschützer sind immer noch überwiegend gegen | |
ein Verbot. Mit nachvollziehbaren Gründen. Eine legal agierende NPD ist | |
leichter zu überwachen und zu kontrollieren, als Tausende NPDler die sich | |
nach einem Verbot ihrer Partei informellen und abgeschotteten | |
Kameradschaften und Netzwerken anschließen. Das symbolträchtige Verbot der | |
NPD könnte aus Sicht der Gefahrenabwehr eher nach hinten losgehen. | |
Deshalb wird nach Abschalten der V-Leute bald ein anderes Argument an | |
Gewicht gewinnen. Würde ein Verbotsantrag am Ende überhaupt zum Verbot | |
führen oder droht dem Staat eine neue Blamage? Gibt es genügend Beweise, | |
dass nicht nur einzelne NPDler Straftaten begehen, sondern die Partei in | |
ihrer Gesamtheit darauf ausgeht, die freiheitlich demokratische | |
Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen? | |
## Keine „unmittelbare Gefahr“ | |
Beim Bundesverfassungsgericht würde ein Verbotsantrag wohl durchkommen, | |
weil bisher eine abstrakte Gefahr für ein Verbot genügte. Doch es gibt in | |
Demokratie- und Grundrechtsfragen auch eine zweite Instanz, den | |
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der manchmal strenger ist als | |
Karlsruhe. So fordert er als Voraussetzung für ein Parteiverbot eine | |
„unmittelbare Gefahr“ für die Demokratie. | |
Davon sind wir derzeit aber weit entfernt. Die Straßburger Hürde dürfte | |
kaum zu überspringen sein. Das Bedürfnis, ein innenpolitisches Zeichen zu | |
setzen und eine rechtsextreme Partei quasi als Ausgleich für die | |
gescheiterte Verhinderung rechten Terrors zu verbieten, dürfte | |
international als Verbotsgrund kaum akzeptiert werden. | |
Um eine neue Schlappe gegen die NPD zu vermeiden, und weil die | |
Verfassungsschützer eh dagegen sind, wird am Ende der Prüfung also doch | |
wieder auf einen Verbotsantrag verzichtet – wie in den letzten Jahren auch. | |
Aus bürgerrechtlicher Sicht ist das zunächst kein Desaster. Denn ein | |
Parteiverbot zum Schutz der freiheitlichen Verfassung ist ja ohnehin ein | |
Widerspruch in sich. Wer mit Verboten für die Freiheit kämpft, steht immer | |
in der Gefahr, die falschen Signale zu setzen. | |
Aber Grund zur Freude gibt es auch keinen. Die langjährige Debatte um ein | |
NPD-Verbot ist für ein liberales Klima letztlich genauso schädlich wie ein | |
Parteiverbot, vielleicht noch schädlicher. Der ständige Ruf nach dem | |
starken Staat verdirbt die demokratischen Sitten. Das anhaltende Zaudern | |
der Politik frustriert zugleich die Law-and-Order-Demokraten. Und die NPD | |
sichert sich so noch ihren Märtyrerstatus, ohne dass etwas Ernsthaftes | |
passiert. | |
15 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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