# taz.de -- Dämpfer für NPD-Verbot: Langwieriges Verfahren droht | |
> Sachsen-Anhalts Innenminister warnt vor zu hohen Erwartungen. Bis zu fünf | |
> Jahren kann es dauern, bis die rechtsextreme Partei verboten ist. Am | |
> Donnerstag berät die Innenministerkonferenz. | |
Bild: Ein NPD-Verbotsverfahren kann sich Jahre in die Länge ziehen. | |
BERLIN dpa/dapd | Kurz vor der Innenministerkonferenz hat Sachsen-Anhalts | |
Ressortchef Holger Stahlknecht Hoffnungen auf ein schnelles NPD-Verbot | |
gedämpft. Das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht könne bis | |
zu fünf Jahre dauern, sagte Stahlknecht (CDU) der Tageszeitung Welt. Der | |
Minister ist Vorsitzender der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die ein Verbot | |
prüfen soll. Zudem kamen Befürchtungen hoch, dass der Europäische | |
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein Verbot kippen könnte. An diesem | |
Donnerstag beraten die Innenminister von Bund und Ländern in Berlin bei | |
einer Sonderkonferenz über das Thema. | |
Nach Angaben von Stahlknecht werden die Ressortchefs beschließen, ab April | |
ihre Verbindungsleute ("V-Leute") des Verfassungsschutzes in den Bundes- | |
und Landesvorständen der NPD abzuschalten, um den Weg für ein mögliches | |
NPD-Verbotsverfahren zu ebnen. Zum Teil haben sie dies schon getan. | |
Stahlknecht ließ durchblicken, dass dies aber noch keine Vorentscheidung | |
für ein Verbotsverfahren sei. „Wir wollen jetzt seriös und juristisch | |
professionell prüfen lassen, ob das Beweismaterial gegen die NPD für einen | |
Verbotsantrag reicht." Diese Prüfung werde etwa sechs Monate in Anspruch | |
nehmen. | |
Einen Verbotsantrag können die Länder über den Bundesrat sowie die | |
Bundesregierung und der Bundestag einreichen. | |
Stahlknecht nannte drei wichtige Kriterien für ein erfolgreiches Verfahren: | |
„Das erste Junktim ist, dass wir tatsächlich Material finden, welches die | |
Verfassungsfeindlichkeit der NPD belegt. Zweitens haben wir das Gebot der | |
Verhältnismäßigkeit zu beachten", sagte er. Drittens müsse die sogenannte | |
Staatsfreiheit gewährleistet sein, das heißt, es müsse erkennbar sein, | |
welche Positionen der NPD selbst zuzuschreiben seien und was von | |
Informanten des Verfassungsschutzes beeinflusst worden sei. 2003 war ein | |
Verbotsverfahren an der Frage der V-Leute und ihrem Einfluss auf das | |
Beweismaterial gescheitert. | |
Der hessische Innenminister Boris Rhein warnt vor einem übereilten | |
Vorgehen. Sorgfalt geht vor Schnelligkeit", sagte der CDU-Politiker in | |
einem Interview der Nachrichtenagentur dapd. Niemand bestreite ernsthaft, | |
dass die NPD verfassungsfeindlich sei. Für ein Verbot reiche das jedoch | |
nicht. | |
„Das Bundesverfassungsgericht hat uns viel höhere Hürden für ein Verbot | |
gesetzt", hob Rhein hervor. So sei der Nachweis erforderlich, dass die NPD | |
„kontinuierlich aktiv-kämpferisch gegen die Verfassung" vorgehe. Hinzu | |
kämen noch die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. | |
Dies alles gelte es sorgfältig abzuwägen, damit nach 2003 das | |
Verbotsverfahren nicht ein zweites Mal scheitere. „Das wäre ein fataler | |
zweiter Ritterschlag für die verfassungsfeindliche NPD", fügte Rhein hinzu. | |
## Uhl rät von Verbotsverfahren ab | |
Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl | |
(CSU), riet von einem Verbotsverfahren ab. Der Mitteldeutschen Zeitung | |
sagte er: „Die Haupthürde ist die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des | |
NPD-Verbots durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Er wird | |
die Frage stellen, wie groß die Bedrohung ist, die von dieser Partei | |
ausgeht, und ob das Verbot im Verhältnis zu dieser Bedrohung steht." Die | |
NPD habe bei Bundestagswahlen 40 Jahre lang nur einmal mehr als ein Prozent | |
der Stimmen bekommen - und zwar nach dem gescheiterten Verfahren 2003. "Was | |
bedeutungslos ist, kann keine Bedrohung sein." | |
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), | |
erklärte ebenfalls: „Die größte prozessuale Hürde ist die Rechtsprechung | |
des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Denn die NPD hat ja eher | |
blamable Ergebnisse erzielt. Der Europäische Gerichtshof könnte also zu dem | |
Schluss kommen, dass die NPD nur eine untergeordnete Rolle spielt und ein | |
Verbot unverhältnismäßig wäre." Das Prozessrisiko sei deshalb hier „grö�… | |
als in Karlsruhe", so der CDU-Politiker. „Die NPD wird den Rechtsweg | |
komplett ausschöpfen. Und dann ist Karlsruhe nicht die letzte Instanz." | |
20 Mar 2012 | |
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Schwerpunkt Rechter Terror | |
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