# taz.de -- Protestpartei Maritime Union Deutschland: Jetzt mal Butter bei die … | |
> Ihr Wahlkampfschlager ist die Wiedereinführung der Butterfahrten, ihr | |
> Spitzenkandidat ein echter Fischer: Die Maritime Union Deutschland tritt | |
> bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein an. | |
Bild: Spitzenkandidat, Fischer und Kneipier Konrad Fischer auf der "Elke". | |
HEIKENDORF taz | Drei Kutter liegen noch hinter der Hafenmole in | |
Heikendorf-Möltenort. „Maria“, „Kulle Christoph“ und „Erik Rasmus“… | |
Fischer auf den Booten verkaufen Butt und Dorsch. Am Kai liegen Netze, | |
Werbetafeln sollen die Kunden zu den Kuttern locken. Aus dieser kleinen | |
Welt kommt eine neue Partei: die Maritime Union Deutschland (MUD). Sie | |
tritt bei der Landtagswahl am 6. Mai in Schleswig-Holstein an. | |
Spitzenkandidat ist Konrad Fischer, 63 Jahre alt. Seit er 14 ist, fährt er | |
hinaus zum Fischen. Gerade war er fünf Tage vor Bornholm unterwegs. Er ist | |
in der fünften Generation Fischer, der Kapitän der „Maria“ – und der | |
„Elke“, einem alten Kriegsfischkutter aus dem Zweiten Weltkrieg. Es ist | |
eine schwimmende Hafenkneipe, er nennt sie Bratfischkutter. | |
Er steht an seiner eigenen Bar neben einem Parteifreund, eine Zigarre in | |
der rechten Hand, ein Bier in der linken, blaue Hose, blauer | |
Fleece-Pullover, Kapitänsmütze. Er erzählt von seinem Kampf gegen das | |
Finanzamt – und für die MUD. „Weißt du, was ein Stehaufmännchen ist?“, | |
fragt er. „Letztes Jahr pleite, dieses Jahr ’ne neue Partei gegründet. Das | |
haut doch hin, was? Die haben wir richtig gefickt, die Jungs.“ | |
Seine Pleite, das war einer der Auslöser für die Parteigründung, sagt er. | |
Das Finanzamt fand Unregelmäßigkeiten bei einer Betriebsprüfung und | |
forderte 138.000 Euro Nachzahlung. Das habe er nicht aufbringen können, | |
sagt er, habe um eine Ratenzahlung gebeten – ohne Erfolg. Er ging | |
widerwillig insolvent. Konrad Fischer kann weitermachen, weil seine Frau | |
die „Maria“ aus der Insolvenzmasse kaufte; die „Elke“ wollte der | |
Insolvenzverwalter nicht haben, sagt er. | |
## „Das System ändern“ | |
„Wir müssen doch hier am System was ändern können“, glaubt er nach seinem | |
ersten wirtschaftlichen Aus. „Was die da für Scheiße bauen, das kann doch | |
nicht angehen.“ Ihn ärgert: Der Verkauf von gut laufenden staatlichen | |
Betrieben. Dass die „Gorch Fock“ nicht in der darbenden Kieler | |
Lindenau-Werft repariert wird. Und dass ein CDU-Bundestagsabgeordneter zwar | |
regelmäßig am Hafen spazieren geht, aber nie gefragt habe, was er für ihn | |
tun kann. Für ihn steht fest: Politiker, „das sind Typen, die haben alle | |
kein’ Arsch in der Hose“. | |
Fischer gestikuliert beim Reden, sein Kumpel lacht meist mit. Inzwischen | |
ist auch seine Frau Kerstin – ebenfalls MUD-Gründerin – an Bord gekommen. | |
Vom Landeswahlleiter bekamen sie „so einen Stapel Papier“. Fischer zeigt | |
mit seinen zwei Händen die Höhe, wohl 50 Zentimeter. „Das konnten wir gar | |
nicht umsetzten, dieses Amtsdeutsch!“ Er sucht sich Helfer. „Wir haben | |
keinen Studierten, das sind alles ganz normale Arbeiter oder Hartz-IVer.“ | |
Sie sammeln Unterstützerunterschriften für ihre Teilnahme an der | |
Landtagswahl am Hafen in Möltenort. 1.200 bekommen sie zusammen, ein | |
bisschen mehr als nötig. Eine Forderung half dabei besonders, sagt Kerstin | |
Fischer. „Wenn wir gesagt haben, wir wollen so etwas wieder einführen wie | |
die Butterfahrten, haben die Leute sofort unterschrieben.“ Vor allem | |
Ältere. „Im Gegensatz zu den Piraten, sind wir die Partei, die die Leute ab | |
40 ansprechen wollen“, sagt sie. | |
## Parteilokal auf dem Wasser | |
Die Tischdecken sehen aus wie Seekarten. In der Marine-Ecke hängen | |
militärische Wappen. „Die Jungs von Gorch Fock kommen hier vorbei“, erzäh… | |
Fischer. Auf einem Tisch stehen allerlei maritime Sachen: Schiffsmodelle, | |
ein Rettungsring hängt an der Wand, daneben ein Tierkopf aus Plastik. | |
„Achtern für Raucher“, steht auf einer Tafel. Einen eigenen MUD-Stammtisch | |
gibt es nicht. „Die schlagen hier sowieso alle auf“, sagt Konrad Fischer. | |
„Das hier ist das Parteilokal.“ | |
In der Präambel stellt sich die MUD als maritime Wirtschaftspartei vor. Die | |
Partei will, dass sich der Staat wieder an Werften beteiligt, | |
Ausschreibungen nur an deutsche Schiffbau-Unternehmen vergibt. Seehäfen | |
soll er ausbauen, den Nord-Ostsee-Kanal modernisieren. Außerdem fordert die | |
MUD, die Einfuhr von Schiffen aus Asien zu beschränken, wenn der Bau | |
staatlich subventioniert wurde. Wo das mit EU-Regeln unvereinbar ist, | |
sollen sie geändert werden. Die MUD unterstützt die Europäische Union zur | |
„Sicherung des Friedens und des Wohlstands uneingeschränkt“. Allerdings | |
wollen die Maritimen die „hohen Nettozahlungen Deutschlands“ reduzieren. | |
Krabben sollen, steht im Programm, in Deutschland gepult werden, die | |
hiesige Verarbeitung von „Krabben und anderen Fischfangerzeugnissen“ soll | |
gefördert werden. Genauso die „traditionellen Häfen mit ihren attraktiven | |
Fischkuttern“. Im einzigen Satz zur Sozialpolitik fordert die MUD | |
Subventionen für Butterfahrten für Rentner. | |
Wenn man Konrad Fischer so reden hört, kommt viel zusammen, was so noch | |
nicht im Programm steht. Fischers Ziel ist dabei klar: Er will so etwas wie | |
eine große Mole für seine maritime Welt errichten, eine Schutzwand gegen | |
Wellen. Er will seine Welt absichern gegen Veränderungen und schwer | |
nachvollziehbare politische Entscheidungen, die von draußen kommen. Es soll | |
wieder werden wie früher. Am liebsten mit einem richtigen Postamt in | |
Heikendorf, in dem ein Beamter sitzt. „Das war eine Vertrauensperson hoch | |
drei.“ Geldautomaten gefallen ihm auch nicht. Überhaupt: Maschinen, die | |
würde er am liebsten besteuern. | |
## Weg mit der Minderheit | |
„Wozu brauchen wir dänische Schulen?“, fragt er. „Für die Kinder der | |
dänischen Minderheit“, sagt seine Frau. „Die sollen sich mal entscheiden, | |
was sie sein wollen“, sagt er. Dänen oder Deutsche. „Seit der Schlacht an | |
den Düppeler Schanzen hat sich die Frage erledigt, oder?“ Das war 1864. | |
Preußen schlug damals Dänemark. | |
Von der „Elke“ aus sammeln die Fischers Geld für die Plakate, die vor allem | |
in Häfen hängen sollen. Wenn Konrad Fischer mit seinem Kutter rausfährt, | |
wirbt er bei seinen Kollegen über Sprechfunk für die MUD. | |
Auf der Partei-Homepage steht, Konrad Fischer sei „der Spitzenkandidat, der | |
Peter Harry Carstensen ablösen will!“ Er sagt: „Wenn ein dusseliger Bauer | |
Ministerpräsident werden kann, dann kann ein Fischer das auch.“ Seine Frau | |
Kerstin ist etwas zurückhaltender: „Wir wollen einen Sitz im Landtag, um | |
die maritimen Belange zu vertreten.“ | |
6 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniel Kummetz | |
## TAGS | |
Färöer-Inseln | |
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