# taz.de -- Kandidatenkür auf SPD-Parteitag: Der Prediger ohne Landkarte | |
> Die schleswig-holsteinische SPD wählt Torsten Albig zum Spitzenkandidaten | |
> für die Landtagswahl im Mai und wirbt mit Bildungspolitik. Bei anderen | |
> Themen nennt die Partei nur Ziele, aber nicht die Wege dorthin | |
Bild: Der Tonfall verbindlich, die Inhalte weniger: Schleswig-Holsteins SPD-Spi… | |
Lübeck taz| Stärkste Partei wollen sie werden und den Ministerpräsidenten | |
stellen - beim Parteitag am Wochenende in Lübeck beschworen die | |
Spitzenleute der SPD Schleswig-Holstein ihren Sieg bei der Landtagswahl im | |
Mai. Zum Start in den Wahlkampf wurde Torsten Albig, der durch einen | |
Mitgliederentscheid bereits als Spitzenkandidat feststand, auf Platz eins | |
der Landesliste gewählt, danach ging es um das Programm und die | |
Kandidatenliste. | |
Knapp 97 Prozent der 200 Delegierten stimmten für den 48-Jährigen, der | |
zurzeit Oberbürgermeister von Kiel ist. Zuvor hatte Albig die schwarz-gelbe | |
Landesregierung scharf angegriffen: "Sie unterwerfen sich der Null. Und Sie | |
merken nicht, dass Sie selbst zu Nullen werden", sagte er zu deren | |
Sparkurs. Haushaltskonsolidierung auf Kürzungen beim Blindengeld | |
aufzubauen, sei "schlichtweg unanständig". | |
Albigs Ton war verbindlicher als seine Worte: Er hatte sein Redewerk noch | |
nicht auf Wahlkampf-Temperatur hochgeheizt, er predigte eher, statt | |
mitzureißen. "Schon ganz der Landesvater", meinte eine Delegierte. | |
Albig sprach von seiner Vision für Schleswig-Holstein: Bildung, starke | |
Kommunen, Energiewende und europäische Zusammenarbeit. Zur "Politikwende" | |
gehöre auch: "Wir machen keine Versprechungen, die wir nicht finanzieren | |
können." Aber "niemals werden wir wegen der Lage der Haushalte eines | |
unserer Ziele aufgeben". Das gelte besonders für die Bildung, denn wer die | |
schwäche, "der schwächt auch die Haushalte". | |
Das Programm ist 35 Seiten kurz - die Grünen schrieben knapp 90, die FDP | |
100 und die CDU 114 - und nennt oft nur Ziele, ohne die Wege dorthin zu | |
beschreiben. Auch auf Zahlen legt die SPD sich kaum fest. Beispiel | |
Windenergie: "Ausreichende Flächen" für Rotoren solle es geben, doch wie | |
viele Anlagen die SPD für angemessen hält, bleibt offen. | |
Beispiel Kommunalpolitik: "Starke Kommunen" sind das Ziel, ein Baustein ist | |
eine "Reform der Verwaltungsstrukturen". Aber das 35-Seiten-Papier bleibt | |
die Antwort schuldig, wo eine Reform ansetzen will: Sollen Kreise | |
zusammengelegt werden oder Ämter neue Aufgaben erhalten? | |
Beispiel Kultur: Die SPD verspricht im Wahlprogramm kulturpolitische | |
Leitlinien, ohne zu sagen, wohin sie führen sollen. Ein Kapitel zu Finanzen | |
und Wirtschaft fehlt. Das heiße aber nichts, so Parteichef Ralf Stegner: | |
"Alles, was wir früher beschlossen haben, gilt weiter." | |
Ausführlicher wird es beim Kernthema Bildung. Unter anderem will die SPD | |
eine für Eltern kostenfreie Kita, auch sollen die Kreise nicht mehr | |
verpflichtet sein, Beiträge für die Schülerbeförderung zu fordern. | |
Regionalschulen sollen zu Gemeinschaftsschulen umgebaut werden. Vieles, was | |
Geld kostet, soll schrittweise umgesetzt werden. | |
Der Vorstand wollte zu strittigen Punkten nur je einen Wortbeitrag dafür | |
und dagegen zulassen, doch dem widersetzten sich die Delegierten. Strittig | |
wurde es aber nur selten, etwa bei der Schülerbeförderung. Mehrfach mahnte | |
Stegner, der während des Parteitags präsenter war als Spitzenmann Albig, | |
"keine ungedeckten Schecks" auszustellen. Es gelte, an den grünen | |
Wunschkoalitionspartner zu denken, der auf Einhaltung der Schuldenbremse | |
poche. | |
Umfragen sehen die CDU vor der SPD, beide umwerben die Grünen. Stegner | |
brachte auch die "Dänenampel" mit der Minderheitenpartei SSW ins Spiel. | |
Einen Bund mit der CDU lehnt er ab. Die Abneigung beruht auf | |
Gegenseitigkeit: CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager nannte im NDR eine große | |
Koalition "die schlechteste Möglichkeit". | |
5 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Esther Geisslinger | |
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