# taz.de -- Die Flirts der schleswig-holsteinischen Grünen: Grüne haben Qual … | |
> Die Frage, mit wem die Grünen in Schleswig-Holstein nach der Landtagswahl | |
> am 6. Mai koalieren wollen, ist die spannendste im Wahlkampf. Die SPD | |
> steht als Partner bereit, die CDU auch. Die taz.nord hilft bei der | |
> Entscheidungsfindung. | |
Bild: Wer führt: Herr oder Hund? David oder Goliath? | |
Zwei Monate vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein haben die Grünen die | |
Qual der Wahl. Die SPD bekennt sich seit Monaten zu den Grünen als | |
Wunsch-Regierungspartner. Die CDU schweigt dröhnend zur aktuellen | |
Koalitionspartnerin FDP und sendet in Richtung der Grünen ein Flirtsignal | |
nach dem anderen. | |
Rechnerisch sind zurzeit beide Möglichkeiten gleich wahrscheinlich: In der | |
neusten Umfrage zur Wahl liegen CDU und SPD mit je 33 Prozent gleichauf, | |
die Grünen kommen auf 16 Prozent. FDP und Linke würden mit je drei Prozent | |
aus dem Landtag fliegen. Die Piraten könnten mit fünf Prozent knapp | |
einziehen, dem Südschleswigschen Wählerverband SSW reichen aufgrund des | |
Minderheitenschutzes drei Prozent. | |
Die Grünen erklären, ihnen gehe es darum, möglichst viel grüne Politik | |
umzusetzen – anders gesagt: der Schwanz zu sein, der mit dem Hund wedelt. | |
In welcher Konstruktion gelingt das besser? | |
Das erwartete Bündnis: Dass Rot-Grün klappt, ist bekannt. Auch in | |
Schleswig-Holstein haben Sozialdemokraten und Bündnis 90 / Grüne bereits | |
miteinander regiert, nicht immer spannungsfrei, aber langjährig und | |
erfolgreich. Die SPD steht auf jeden Fall bereit – sowohl der | |
Landesvorsitzende Ralf Stegner als auch Spitzenkandidat Torsten Albig haben | |
sich mehrfach zur Neuauflage des rot-grünen Klassikers bekannt. Das Bündnis | |
hätte die Chance, den von beiden Parteien gewünschten Politik- und | |
Stilwechsel umzusetzen. Damit täten sie auch der Bevölkerung einen | |
Gefallen: 28 Prozent der Schleswig-HolsteinerInnen wollen laut der jüngsten | |
Umfrage Rot-Grün. Und die Nord-Grünen würden sich damit Debatten und | |
internen Ärger mit den GegnerInnen der schwarz-grünen Option in ihrer | |
Bundespartei sparen. | |
Schwanz-Wedel-Faktor: mittel | |
Das unerwartete Bündnis: Schwarz-Grün? Und dann noch in einem konservativen | |
Flächenland? Nach dem Misserfolg in Hamburg? Auch wenn die CDU-Spitze offen | |
mit den Grünen anbandelt, und Schwarz-Grün in Kiel zwischenzeitlich schon | |
als das wahrscheinlichere Bündnis gehandelt wurde – ob CDU und | |
Bündnis-Grüne eine Legislaturperiode miteinander durchstehen, ist absolut | |
nicht sicher. Klar ist, dass eine solche Koalition für bundesweite | |
Aufmerksamkeit sorgen würde. Vor allem innerhalb der Parteien würde Erfolg | |
oder Misserfolg genau beobachtet werden: Öffnet sich für andere Länder, gar | |
die Bundesebene, eine neue Option? Geht das Experiment schief, wäre | |
Schwarz-Grün vermutlich für längere Zeit erledigt. Geht es aber gut, wäre | |
ein Tor aufgestoßen. | |
Schwanz-Wedel-Faktor: extrem hoch | |
Programme mit Schönheitsfehler: Ob es um längeres gemeinsames Lernen, | |
Bürgerbeteiligung oder die soziale Ausrichtung geht – SPD und Grüne haben | |
vieles gemeinsam. So erklärte jüngst auch Grünen-Spitzenkandidat Robert | |
Habeck, der sich lange bei der Koalitionsfrage bedeckt gehalten hat, in | |
einem Interview, die SPD wäre „erster Ansprechpartner“: „Wir werden es m… | |
den Sozis versuchen“, sagte er in der Welt. Einen Schönheitsfehler hätte | |
das Bündnis für die Grünen: Die SPD tritt mit zahlreichen Wahlversprechen | |
an, ohne zu sagen, wie sie die bezahlen wollen. Es besteht die Gefahr, dass | |
die Grünen in der Ecke der Sparer und Mahner landen, und das gefällt Habeck | |
nicht sonderlich: „Wir wollen nicht ständig die Bad Cops sein“, sagte er | |
der taz. „Das wäre eine doofe Rollenverteilung.“ | |
Schwanz-Wedel-Faktor: mittel | |
Programme mit weißen Hüten: Die einen sind für Autobahnen, die anderen für | |
ÖPNV, die einen für Mittelstand, die anderen für Ökolandbau – geschenkt. … | |
nach sieben Jahren weiter an der Macht bleiben zu können, würde die CDU den | |
Grünen sicher weit entgegenkommen. Sowohl CDU als auch Grüne stellen | |
Schuldenbremse und Sparzwang auf ihrer Prioritätenliste weit nach oben. Das | |
Bekenntnis zur „soliden Finanzpolitik“ steht in beiden Wahlprogrammen. Bei | |
vielen Themen – Windenergie, Netzausbau – herrscht zumindest auf dem Papier | |
Konsens. Und die Grünen könnten als soziales Gewissen der Koalition | |
auftreten und erklären, sie würden noch schlimmere Härten verhindern – | |
hätten also eindeutig den weißen Hut des „guten Polizisten“ auf. | |
Schwanz-Wedel-Faktor: eher hoch | |
Strahlemann: Torsten Albig, der Spitzenkandidat der SPD, hat einen klaren | |
Vorteil in der Kieler Polit-Arena: Er hat schon Wahlen gewonnen, nämlich | |
die um den Sessel des Kieler Oberbürgermeisters gegen Amtsinhaberin | |
Angelika Volquardts (CDU) – und die partei-interne um den | |
Spitzenkandidatenposten gegen Ralf Stegner. Albig verspricht zuzuhören, | |
kann aber auch reden – und sieht dabei oft ziemlich lässig aus. Die Basis | |
für eine tiefe Männerfreundschaft mit Robert Habeck, der zurzeit alles | |
Mögliche „cool“ findet? Oder das genaue Gegenteil? | |
Schwanz-Wedel-Faktor: muss sich finden | |
Zahlenmann: Dass der CDU-Landeschef und Spitzenkandidat Jost de Jager erst | |
mit einem grün gefärbten Schal gut genug für das eigene Wahlplakat | |
aussieht, hat bundesweit für Heiterkeit gesorgt. Der Mann, der erst nach | |
vorn rücken durfte, als Kronprinz Christian von Boetticher gescheitert war, | |
hat Vorzüge, doch so richtig vermittelt hat er die dem Wahlvolk noch nicht. | |
Im Direktvergleich der Spitzenkandidaten liegt Torsten Albig in Umfragen | |
vorn. Gegen de Jager könnten Robert Habeck und seine Grünen in der | |
öffentlichen Wahrnehmung punkten. Aber ob das zum gemeinsamen Regieren | |
reicht? | |
Schwanz-Wedel-Faktor: mittel | |
11 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Esther Geisslinger | |
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