# taz.de -- Connie Hedegaard über Emissionshandel: „Klimapolitik spart Geld�… | |
> Die Verringerung des CO2-Ausstoßes kostet Geld – aber was heute kostet, | |
> schafft das nachhaltige Wachstum der Zukunft, meint EU-Kommissarin Connie | |
> Hedegaard. | |
Bild: Für Klimaschutz über den Wolken: Die Kommissarin Connie Hedegaard. | |
taz: Frau Kommissarin, wir wollen über internationale Klimapolitik | |
sprechen. Sind Sie da eigentlich noch die richtige Gesprächspartnerin? | |
Connie Hedegaard: Das müssen Sie schon selbst wissen. | |
Wir fragen uns, ob vielleicht Ihr Kollege Karel de Gucht, der | |
Handelskommissar, zuständig ist. Der Konflikt zwischen Kanada und der EU | |
über die Einfuhr von Öl aus Teersänden oder der Streit über den | |
Emissionshandel für Fluglinien landen vielleicht bald vor der | |
Welthandelsorganisation WTO. | |
Das Klimathema lässt sich nicht in eine Kategorie stecken. Es berührt | |
Handel genauso wie Verkehr oder Forschung. Aber auch die | |
Wirtschaftspolitik. Darum geht es doch bei der Green Economy: Wie kann man | |
die Schattenseiten unseres Wachstums für die Umwelt und die Ressourcen | |
einberechnen, um zu nachhaltigem Wachstum zu kommen. | |
Der Rest der Welt hat Probleme mit dieser Ansicht. Viele reden inzwischen | |
von einem Klima-Handelskrieg. | |
Beim Emissionshandel für den Flugverkehr haben wir die Rechtslage genau | |
geprüft. Sie ist völlig im Einklang mit den WTO-Regeln und der | |
Weltluftfahrtbehörde ICAO. Die hat sehr lange diskutiert und 2004 gesagt, | |
die beste Lösung sei der nationale oder regionale Emissionshandel. Eben das | |
machen wir. | |
Warum dann der Aufstand? | |
Der Europäische Gerichtshof hat bestätigt, dass wir nicht gegen Regeln | |
verstoßen. Trotzdem kann natürlich jemand behaupten, es gehe um Handel, wie | |
bei dem Streit um Öl aus kanadischen Teersänden. Aber das ist falsch: | |
Niemand will die Einfuhr verbieten. Wir sagen nur: Genauso wie wir | |
Biotreibstoffe nach ihrem Umweltschaden beurteilen, sollten wir das bei | |
fossilen Kraftstoffen auch tun. | |
Wenn das also kein Handelskonflikt ist, was ist es dann? | |
Bei der Debatte über die Flüge kommt vieles zusammen. Manche Staaten sagen: | |
Wie könnt ihr Europäer es wagen, so etwas ganz allein zu machen? Sie | |
vergessen, dass wir ja seit Jahren versuchen, ein internationales Abkommen | |
zu bekommen. Und viele sagen, Europa solle beim Klimaschutz vorangehen. Der | |
Flugverkehr ist auch ein Sektor, der bisher nicht gewohnt war, zur Lösung | |
beizutragen, anders als etwa die Stahl- und Zementindustrie. Da wird eine | |
Regelung bekämpft. | |
Bei den UN-Verhandlungen ist Klimaschutz immer eine Sache auf dem Papier. | |
Jetzt kostet er plötzlich Geld. | |
Das ist ein Praxistest für den Klimaschutz. Aber ich bin sicher, wenn Sie | |
in einem Flugzeug von Hongkong nach London die Menschen fragen: Findet ihr | |
es fair, für die Verschmutzung durch diesen Flug zwei Euro zu zahlen, | |
würden die meisten zustimmen. Einen Sitzplatz umzubuchen, ist deutlich | |
teurer. | |
Die EU sagt in den Klimaverhandlungen, wir können das Problem nicht allein | |
lösen. Hier macht die EU genau das Gegenteil: einen Alleingang. Wo sehen | |
Sie einen Kompromiss? | |
Die ICAO wird sich jetzt vier marktorientierte Lösungen genau ansehen und | |
im Juni darüber berichten. Der Emissionshandel gehört dazu. Wenn es zu | |
einer internationalen Regelung kommt, ist niemand glücklicher als die EU. | |
Die EU wird beim Klimaschutz wieder ernst genommen. Das war lange nicht der | |
Fall. | |
Die Klimakonferenz von Durban war eine gute Lehre für Europa: Wenn wir eine | |
gute Strategie haben und uns einig sind, dann können wir einiges bewegen. | |
Aber intern wird die EU-Position schwächer. Polen blockiert als einziges | |
Land höhere Klimaziele der EU. | |
Im Klima- und Energiepaket haben alle Mitgliedsstaaten die Ziele für | |
Emissionen, Erneuerbare und Effizienz festgelegt. Was wir jetzt | |
diskutieren, ist unsere „Low Carbon Roadmap“ für den kosteneffektivsten | |
Klimaschutz bis 2050. Darin schlagen wir Meilensteine von minus 40 Prozent | |
Emissionen in 2030 und minus 60 Prozent in 2040 vor. Alle EU-Staaten bis | |
auf Polen haben das begrüßt und erwarten von uns konkrete Vorschläge. Das | |
ist alles. Wir sagen noch nicht, welches Land was machen muss. | |
Trotzdem gibt es großen Ärger. Es ist wieder der schwere Schritt von der | |
Theorie zur Praxis. | |
Wir machen doch nur, was alle Staatschefs uns aufgetragen haben: | |
Untersuchen, wie wir am besten die Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent | |
reduzieren. Teil der Lösung ist etwa Energieeffizienz. Aber wenn wir da so | |
weitermachen wie bisher, landen wir bis 2020 nur bei 9 statt der geplanten | |
20 Prozent. Manche Staaten wollen das auf ihre Weise tun. Aber da müssen | |
wir als Kommission sagen: Tut uns leid, das habt ihr schon oft gesagt, es | |
aber nicht geschafft. | |
Das Ganze ist ja auch ein Finanzpoker: Polen hofft auf mehr Geld, die | |
anderen Länder wollen im Zweifel weniger geben. | |
Der polnische Vizepremier sagt, mehr Energieeffizienz sei auch in seinem | |
Interesse. Polens Problem ist die billige heimische Kohle, auf der die | |
Wirtschaft aufbaut. Sie haben immer gesagt, drängt uns nicht bis 2020, | |
danach können wir mehr machen. Die Kommission hat vorgeschlagen, Polen über | |
die EU-Strukturfonds zu helfen, um bei der Energieeffizienz voranzukommen, | |
aber die Mitgliedsstaaten und das Parlament sind noch nicht so weit. Wir | |
könnten die Investitionen in den Verkehr mehr in den öffentlichen Verkehr | |
stecken oder in Stromnetze und Wärmedämmung investieren, das ist gut fürs | |
Klima und für Jobs. Im letzten Jahr hat Europa Öl für 315 Milliarden Euro | |
eingeführt, 40 Prozent mehr Kosten als im Vorjahr. Das griechische Defizit | |
beträgt 360 Milliarden. Wenn wir diese Ölrechnung ein bisschen senken, | |
hilft das dem Klima und der EU-Wirtschaft. | |
Das freut die ökonomische Supermacht Deutschland. Wir gelten ja als | |
Musterschüler beim Klimaschutz. Aber dann blockiert die Bundesregierung | |
Fortschritte bei der Energieeffizienz, bei Richtlinien für Autos und bei | |
der Teersand-Debatte. Wie zufrieden sind Sie mit der deutschen Position? | |
Bisher hat Deutschland in der Klimapolitik eine extrem konstruktive Rolle | |
gespielt. Man merkt, dass die nationalen Ambitionen zum Klimaschutz in | |
Deutschland sehr hoch sind. Da hat Deutschland natürlich ein Interesse | |
daran, dass auch Europa hohe Ambitionen hat. | |
Unsere Kohle heißt eben Autos. Immer wenn es um Autos geht, blockiert | |
Deutschland. | |
Jeder in der EU-Kommission weiß, wie wichtig die Autoindustrie für | |
Deutschland ist. Ich war dänische Umweltministerin, als wir auf der | |
EU-Ebene die Regulierung für CO2-Grenzwerte bei Autos durchgesetzt haben. | |
Und ich erinnere mich gut, wie stark der Widerstand der Industrie war: Das | |
geht nicht, ist viel zu teuer und dauert viel länger, waren die Argumente. | |
Wenn ich mich jetzt mit der Autoindustrie treffe, dann sage ich ihnen: Das | |
habt ihr damals gesagt, aber jetzt seid ihr auf einem guten Weg, die Ziele | |
bis 2015 zu erreichen und für 2020. | |
Wie hat die Eurokrise die Klimapolitik verändert? | |
Es gibt weniger Geld, bei den Staaten und bei den Unternehmen. Aber wir | |
haben es geschafft, die Klimadebatte auch in diesem schwierigen Umfeld am | |
Leben zu erhalten und sie in eine Debatte über grünes Wachstum | |
einzubringen. | |
Was bisher wirklich die Emissionen gesenkt hat, war eine kräftige | |
Rezession. Sind Wirtschaftskrisen also aus Klimasicht eine gute Sache? | |
Nicht für alle Mitgliedsstaaten. In Dänemark etwa haben wir es geschafft, | |
die Emissionen vom Wachstum zu entkoppeln. | |
Aber für die EU 27 sieht man deutlich die Delle in den Emissionen in der | |
Krise … | |
Das ist klar. Deshalb sollte es jetzt eine Debatte geben, wie wir unserer | |
Wirtschaft helfen können, möglichst grün aus der Krise zu kommen. | |
Klimapolitik ist kein isoliertes Politikfeld, sondern betrifft auch | |
Sicherheit, Jobs und Innovation. Und unsere Konkurrenten in der Welt | |
bewegen sich schnell, während wir hier eine Krise haben. | |
Aber sind da Marktmechanismen das Richtige? Der Emissionshandel | |
funktioniert nicht, weil in der Krise die Preise für die Zertifikate | |
verfallen sind. Das EU-Parlament will sogar schon Zertifikate vom Markt | |
nehmen, um den Preis zu stabilisieren … | |
Wir denken darüber nach, wie wir mit den Zertifikaten umgehen. In einem | |
marktorientierten System fällt bei sinkender Nachfrage eben der Preis. Aber | |
stellen Sie sich vor, wir hätten stattdessen in der Krise eine feste Steuer | |
gehabt, die die Unternehmen zusätzlich belastet, als gäbe es keine Krise. | |
Wir können uns die Schlagzeilen vorstellen. Aber wäre eine CO2-Steuer nicht | |
doch besser, weil sie langfristig besser zu kalkulieren ist? | |
Das ist eines der möglichen Instrumente. Aber solange wir mit anderen | |
Mechanismen vorankommen, sollten wir damit sehr vorsichtig sein. Denn es | |
gibt ja Fortschritte mit dem Emissionshandel. Einige Provinzen in China | |
testen das jetzt, auch Korea und Australien. Und auch die achtgrößte | |
Wirtschaftsmacht der Welt, Kalifornien, führt den Emissionshandel ein. Wir | |
fühlen uns manchmal ein bisschen einsam damit in Europa, aber wir machen | |
das Richtige. | |
11 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
R. Reichstein | |
B. Pötter | |
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