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# taz.de -- Un-Klimakonferenz in Bonn: Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück
> Bei der Klimakonferenz geht nichts voran. Das nervt alle Beteiligten. Es
> zeigt aber auch: Es geht um Verpflichtungen für alle Staaten.
Bild: Die Generalsekretärin des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der Ver…
BONN taz | Normalerweise darf man vom Wetter nicht aufs Klima schließen.
Bei der UN-Halbjahreskonferenz zum Klima, die am Freitagabend nach zwei
Wochen in Bonn zu Ende ging, war es aber so: Draußen war es schwül, drinnen
war es kühl: Ein quälend langer Prozess voller Ermüdung, Gereiztheit auf
allen Seiten, klebrige Deals ohne ein reinigendes Gewitter. Und in den
Verhandlungssälen des Hotel Maritim im Bonner Regierungsviertel war die
Atmosphäre eisig bis frostig. „Die Stimmung ist nicht gut“, sagte ein
Insider der Verhandlungen.
Ein halbes Jahr nach dem Durchbrüchlein von Durban waren die Verhandler
wieder in die Schützengräben zurückgekehrt. Zwei volle Wochen brauchten
sie, um sich auf eine Tagesordnung für die anstehenden Verhandlungen zur
Konferenz in Doha im Dezember zu einigen. Wer diese Verhandlungen leiten
soll, entschied sich erst ganz zum Schluss der Konferenz. Die Frage, wer im
Verwaltungsrat (Board) des „Grünen Klimafonds“ (GCF) sitzen wird, um über
die Kriterien für milliardenschwere Hilfsprogramme zu entscheiden, blieb
bis zum Ende umstritten. Unklar blieb lange auch, wo das Geld für eine neue
Zwischensitzung im Herbst in Bangkok herkommen soll. Die Blockade ist zum
Teil verständlich: Denn zum ersten Mal sitzen alle Länder an einem
gemeinsamen Tisch, ab jetzt sollen es ernst werden mit Verpflichtungen, die
alle Länder treffen. Da wird erst einmal gebremst.
Und natürlich gab es erst reicht keinen Fortschritt beim drängendsten
Problem von allen: Der nötigen Senkung von Treibhausgasemissionen. Im
Gegenteil: „Unser Planet ist auf dem Weg zu einer Erwärmung von 3,5 Grad
Celsisus“, erklärten die Experten von „Climate Analytics“ auf der
Konferenz. Die Expertengruppe bewertet die Auswirkungen der
Klimaverhandlungen auf das Klima. „Aber es könnte noch mehr sein, wenn die
Regierungen ihre bislang versprochenen Reduktionen nicht umsetzen.“ Und
danach, so die Experten, sehe es nicht aus.
Dabei war in Durban im Dezember 2011 der Weg klar gewesen: Alle Staaten
einigten sich, bis 2015 ein Abkommen zu schließen, das ab 2020 alle Länder
umfasst und zu Reduktionen bei den Treibhausgasen verpflichtet. Anders als
heute, wo die Länder mit Reduktionsverpflichtungen im Kioto-Protokoll
versammelt sind und die anderen Staaten nichts tun müssen. Doch „sie wollen
hinter Durban zurück“ war eine Formel, die viele Verhandler und
Umweltgruppen in Bonn benutzen, um die Gegenseite zu beschreiben.
## Ausstieg aus dem Kioto-Protokoll
Und in der Tat: Aus dem Kioto-Protokoll steigen zum Jahresende Kanada,
Russland und Japan aus; Neuseeland und Australien haben ihre
Reduktionsziele noch nicht wie gefordert angemeldet. „Damit umfasst die
Kioto-Gruppe nur noch 14 Prozent der weltweiten Emissionen“, sagte der
deutsche Verhandlungsführer Karsten Sach. China verlangte mehr Anstrengung
der Industriestaaten, Indien wollte über den pro-Kopf-Ausstoß reden, die
Inselstaaten und arme Länder fühlen sich als Bauernopfer der Machtpolitik
und von den USA redet ohnehin niemand mehr.
Auch die Europäer sind blockiert. Weil Polen als einziges Land der Union
seit Veto gegen höhere Klimaziele einlegt, ist die EU an ihr Ziel von 20
Prozent Reduktion gebunden. Umweltgruppen und Entwicklungsländer fordern
die Erhöhung auf 30 Prozent. Aber Europa hat andere Sorgen und keine Zeit
und Kapazität, um sich auf die Lösung der Klimakrise zu konzentrieren.
„Ohne die Eurokrise hätten wir dieses Problem längst gelöst“, sagt ein
europäischer Verhandler.
Über eine Lösung für die Blockade kursieren verschiedene Szenarien: Das
erste, zu dem sich niemand offen äußert, sieht vor, dass die Deutschen den
Polen finanzielle und technische Hilfsangebote machen, damit die Nachbarn
im Osten ihre starre Haltung aufgeben. Dann könnte die EU auf minus 25 oder
30 Prozent gehen und in den internationalen Verhandlungen die
Schwellenländer zu Zugeständnissen bewegen. Das zweite Szenario beschreibt
Saleemut Huq vom britischen Thinktank IIED: „Die USA brauchen einen
Sputnik-Schock. Sobald sie erkennen, dass ihr ökonomischer Rivale China
dabei ist, die Techniken des 21.Jahrhunderts zu entwickeln, werden sie
realisieren, dass sie zurückbleiben und sich auf die grünen Technologien
konzentrieren.“
Das dritte Szenario schließlich bietet Wael Hmaidan, der neue Chef der
internationalen Klimaschutzgruppen CAN an: „Niemand weiß, wie schnell
Veränderungen kommen können. Zwei starke Hurrikans in den USA können die
Stimmung zum Kippen bringen, dafür müssen wir die Konzepte in der Schublade
haben.“ Hmaidan, der aus dem Libanon stammt, zieht die Parallele zum
Arabischen Frühling: „Das hat auch niemand kommen sehen, und dann war es
nicht mehr aufzuhalten.“ Die Eurokrise ist für ihn kein Grund zum
Nichthandeln beim Klima: „Wenn jemand jetzt Europa den Krieg erklären
würde, würdet Ihr Europäer doch auch reagieren. Und Klimawandel ist ein
Krieg gegen unsere Kinder.“
25 May 2012
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
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