# taz.de -- Treibhausgas aus trockengelegten Mooren: Im Klimasumpf von Borneo | |
> Umweltschützer versuchen, in einem Nationalpark Moore vor dem Austrocknen | |
> zu bewahren und Wälder aufzuforsten. In der Nähe wird weiter abgeholzt | |
> und entwässert. | |
Bild: Anderswo stellt man ökologisch wertvolle Gebiete unter Schutz. Im Süden… | |
PALANGKARAYA taz | Das Schnellboot steuert aus dem kleinen Hafen von Kereng | |
Bengkirai und nimmt mit röhrendem Motor Fahrt auf. Das Wasser des | |
Sebangau-Flusses im Süden von Borneo, rötlich-braun wie der Earl-Grey-Tee | |
zum Frühstück, spritzt als Gischt in die Luft. | |
Rechts und links zieht sich über Stunden eine grüne Landschaft hin: | |
Meterhohe Stengel des Rasau-Strauchs, die aussehen wie Yucca-Palmen mit | |
scharfen Dornen, bilden eine Wand am Ufer. Bis zum Horizont öffnen sich | |
Überschwemmungsgebiete, sumpfiges Gelände voll schwarzem Wasser, am | |
Horizont beginnt der Wald. Ein Weißkopfadler gleitet über den Fluss. | |
Der Sebangau-Nationalpark erscheint wie ein tropisches Paradies. In | |
Wirklichkeit ist die Flussfahrt ein Trip durch eine ökologische | |
Trümmerlandschaft. Denn bis vor wenigen Jahrzehnten war der Sebangau kein | |
Wiesenfluss, sondern von tropischen Regenwald gesäumt. | |
Anderswo stellt man ökologisch wertvolle Gebiete unter Schutz, um sie vor | |
der Zerstörung zu bewahren. Hier lief es andersherum. Erst als die | |
wertvollsten Bäume gerodet, der Sumpf entwässert und die Population von | |
Orang-Utans halbiert worden war, machte die Regierung 2004 aus diesem Stück | |
verbrannter Erde einen Nationalpark. | |
## Der Auspuff Indonesiens | |
Die Bäume und Affen haben jetzt ihre Ruhe. Das Klima nicht: Denn der | |
Sebangau und seine Umgebung, ein Gebiet so groß wie Schleswig-Holstein, | |
sind Klimakiller ersten Ranges. Was früher die grüne Lunge Borneos war, ist | |
zum Auspuff Indonesiens geworden. | |
Die entwässerten Moore gasen das Klimagift Kohlendioxid aus – in | |
unglaublichen Mengen: Fast zwei Milliarden Tonnen Kohlendioxid steigen aus | |
dem Entwicklungsland jährlich in die Atmosphäre, doppelt so viel wie | |
Deutschland produziert. Mehr Dreck als Indonesien machen nur China und USA. | |
Jetzt gibt es zum ersten Mal ein bisschen Hoffnung: Bei der Bonner | |
Klimakonferenz vom 14. bis 25. Mai reden die Unterhändler auch darüber, die | |
Rettung von Feuchtgebieten als eine Maßnahme zum Klimaschutz offiziell | |
anzuerkennen. Was bisher nur dem Wald vorbehalten war, soll seit der | |
Konferenz von Durban Ende 2011 auch für Moore gelten: Die natürliche | |
Einlagerung des Klimagiftes Kohlendioxid irgendwann mit Geld aus den | |
Industrieländern zu unterstützen. | |
Obwohl die Moore weltweit nur drei Prozent der Landfläche ausmachen, binden | |
sie 500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, doppelt soviel wie alle Wälder | |
zusammen. Allein in der Provinz Zentral-Kalimantan auf Borneo, wo der | |
Sebangau-Park liegt, ruht soviel Kohlenstoff im Torf wie Deutschland in 20 | |
Jahren an Treibhausgasen in die Luft bläst. | |
## Lunte an der Kohlenstoff-Bombe | |
Die Lunte an dieser Kohlenstoff-Bombe ist eigentlich ganz einfach | |
auszutreten: Dazu reichen vier Metern lange Planken aus Eisenholz, einer | |
guten Fundierung, 400 Euro und einer Menge dreckiger Arbeit im schwarzen | |
Schlamm, der hartnäckig unter den Zehennägeln bleibt. | |
Bei der Rangerstation „SSI-Camp“ im Sebangau-Park zeigt Adventus Panda vom | |
Umweltverband WWF den Damm, der das Wasser im Moor zurückhält. In dieser | |
ehemaligen Holzfällerstation gibt es jetzt eine Baumschule mit Setzlingen | |
für die Aufforstung, ein Zuchthaus für Orchideen und Makaken-Affen in den | |
Bäumen. | |
Vor allem aber gibt es eine einfache Lösung für den Klimafrevel aus dem | |
Moor: Sobald die Entwässerung gestoppt wird, binden die nassen Torfböden | |
CO2, statt es durch Ausgasung oder Brände freizusetzen. Insgesamt etwa 500 | |
kleine und mittelgroße Staudämme in den Kanälen haben die Umweltschützer in | |
den letzten Jahren errichtet, unterstützt von Prominenten wie | |
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, Arnold Schwarzenegger oder Bill Clinton. | |
Ein paar hundert Meter ins Moor hinein hat der WWF den Wald aufgeforstet | |
und gibt den Promis die Chance, ihre gute Tat gegen eine Spende mit einem | |
Schild zu verewigen. | |
## Biertrinken für die Moor-Rettung | |
Denn der Klimaschutz braucht Cash. Die indonesischen Behörden haben | |
jahrelang an den Holz-Konzessionen verdient, die Firmen haben Geld mit dem | |
Raubbau gemacht. Aber der Nationalpark ist so unterfinanziert, dass die | |
freiwillige Feuerwehr aus Kereng Bengkirai nicht mal ein eigenes Boot hat, | |
um in den Park zu fahren, wenn der Wald mal wieder brennt. | |
Finanziert wurde die Moorvernässung auf einer Fläche doppelt so groß wie | |
Berlin von deutsche Firmen, vor allem von der Krombacher-Brauerei, die | |
pünktlich zur Fußball-EM wieder mit ihrem Klimaschutz-Engagement wirbt. | |
Selten lässt sich irgendwo so billig und effektiv Klimaschutz betreiben wie | |
in den indonesischen Torfmooren. Für eine vermiedene Tonne Treibhausgase | |
entstehen hier Kosten von 1,50 Euro. Wenn man in Deutschland Häuser dämmt, | |
kostet das etwa 50 Euro. | |
Aber das WWF-Projekt im Sebangau ist nur ein Tropfen auf einen Hot Spot des | |
Klimawandels. 30 Kilometer weiter nordöstlich liegt Kameloh Baru, eine | |
Ansammlung von Hütten, die auf Stelzen über einem Kanal stehen. 300 | |
Menschen leben hier, es gibt Strom und Wasser aus dem eigenen Brunnen, | |
schlanke rote Hühner gackern auf dem Weg, in kleinen Läden werden | |
Süßigkeiten und Plastikkitsch verkauft. Im warmen Abendlicht sieht das Dorf | |
nach Idylle aus, mit kickenden Jungs und kichernden Mädchen und einem | |
Bürgermeister, der Bakarim heißt und sagt: „Das ist ein guter Platz hier, | |
keiner denkt ans Wegziehen.“ | |
## Holländischer Polder statt Mega-Reis | |
Aber neben dem Kanal beginnt die grüne Steppe des ehemaligen | |
„Mega-Reis-Projekts“: Für die fixe Idee des ehemaligen Diktators Suharto | |
wurden hier Ende der 90er Jahre eine Million Hektar Regenwald gerodet, um | |
Reis anzubauen und arme Bauern aus Java umzusiedeln. Der Reis wuchs nicht. | |
Aber der Wald war weg, das Land entwässert. | |
Heute sieht die Gegend zu großen Teilen aus wie ein holländischer Polder: | |
4.000 Kilometer an Kanälen, Büsche, niedrige Bäume. „Als der Wald noch | |
stand, hat es hier nie gebrannt, jetzt passiert das immer wieder“, sagt | |
Dorfchef Bakarim. 1997/98 tobten Waldbrände durch die Gegend, deren Rauch | |
wochenlang über Südostasien stand und ganz Borneo lahm legte. | |
Das „Mega-Reis-Projekt“ wird noch lange eine offene Wunde bleiben: Für die | |
Vernässung fehlt das Geld, die Hydrologie ist kompliziert, da lassen die | |
Behörden lieber alles, wie es ist. Geld erhoffen sich die Regierung, die | |
NGOs und die lokalen Behörden von der Zauberformel „REDD“. Das steht für | |
einen Mechanismus unter der UN-Klimakonvention, mit dem Geld fließen soll, | |
wenn Staaten ihre Regenwälder nicht abholzen. | |
Norwegen hat dem Land dafür eine Milliarde Dollar versprochen, doch bisher | |
steht REDD in Indonesien noch nicht mal ordentlich auf dem Papier. Es | |
fehlen Standards zur Anrechnung der Emissionsreduzierung, und manche der 40 | |
REDD-Pilotprojekte werden so schlecht gemanagt, dass sie mitten in der | |
Projektphase eingestellt werden. Einheimische Umweltschützer kritisieren, | |
mit REDD kauften sich die Industriestaaten von ihren Klimazielen frei. Und | |
schließlich ist niemandem klar, ob REDD-Gelder an ihrem Ziel ankommen | |
würden. Indonesien steckt laut „Transparency International“ tief im Morast | |
der Korruption. | |
## Ungebremster Hunger nach Land | |
Zugleich treibt die Landwirtschaft die Entwicklung voran. Vor allem für | |
Palmöl-Plantagen, die den Weltmarkt für Treibstoffe oder Lebensmittel | |
bedienen, sind in Indonesien bereits zehn Millionen Hektar Wald gefallen. | |
Der Hunger nach neuem Land ist ungebremst: Bis 2025 will die indonesische | |
Regierung 25 Millionen Hektar ausweisen, zehn Millionen davon auf Borneo. | |
Wie das aussieht, zeigt sich an der neuen Straße nach Baun Bango am | |
Nordrand des Sebangau-Parks. Rechts und links der Schlammpiste stehen die | |
erst kürzlich verbrannten Stümpfe der Urwaldriesen, das Land wird mit | |
Kanälen entwässert. Zwischen den Baumleichen werden Gummibäume und Ölpalmen | |
gepflanzt. | |
„Jawita 50 x 500“ steht auf einem handgemalten Schild: Hier roden einzelnen | |
Familien das Land, um davon zu leben. Der Wald ist bereits etwa hundert bis | |
zweihundert Meter von der Straße verschwunden, manchmal bis zum Horizont. | |
Dazwischen zeigt sich schwarzer Moorboden, der vom Regen noch feucht | |
dampft. Was man nicht sieht, sind die Klimagase. | |
Eine neue Studie der US-Universität Yale warnt, dass neue Plantagen auf | |
Moorböden in Borneo die „verheerende Klimabilanz von Palmöl“ noch weiter | |
verschlechtere. Sie zu verhindern sei „eine der wichtigsten Maßnahmen zum | |
Klimaschutz“. | |
## Schwarze Baumskelette ragen in den Himmel | |
Die Realität sieht anders aus. Ein Stück hinter den privaten Rodungen hat | |
die indonesisch-chinesische Palmölfirma „Arjuna Utama Sawit“ ihr Lager am | |
Fluss Katingan aufgeschlagen: Drei riesige rote Dieseltanks rosten hinter | |
einem klapprigen Traktor vor sich hin. | |
Die Mittagssonne brennt auf ein paar Hütten. Neben einem offenen Schuppen, | |
wo ein Totenkopf-Schild vor dem Düngerlager warnt, spielen die Kinder der | |
Farmarbeiter im Schatten. Hinter den Hütten ragen schwarze Baumskelette in | |
den Himmel. | |
Zusammen mit den Anwohnern versucht der „Community-Manager“ Jati hier, eine | |
Plantage anzulegen. Wachsen die Palmen auf dem Torfboden überhaupt die | |
geplanten 25 Jahre? „Wir haben keine Erfahrung“. Was wird das an Einkommen | |
bringen? „Wissen wir nicht“. Klar ist nur eins: Es fallen mal eben 12.000 | |
Hektar Regenwald. Fast die Hälfte der Fläche, die WWF und Krombacher mit | |
viel Mühe und 700.000 Euro im Sebangau-Nationalpark renaturiert haben. | |
13 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
## TAGS | |
Moor | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
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