# taz.de -- Kanada droht mit Handelstreit: Importverbot schmutziger Treibstoffe | |
> Die EU will den Import von Treibstoff aus Teersanden verbieten, Kanada | |
> ist dagegen. Die offensiven Drohungen aus Nordamerika scheinen Wirkung zu | |
> zeigen. | |
Bild: Durch Teersandgewinnung zerstörte Landschaft im kanadischen Alberta. | |
BRÜSSEL taz | Die kanadische Regierung hat der EU mit einem Handelsstreit | |
gedroht, sollten die Europäer den Import von Treibstoff aus Teersanden | |
verbieten. Das geht aus Dokumenten hervor, die der | |
Nichtregierungsorganisation [1][Friends of the Earth] vorliegen. | |
In den Briefen, die die kanadische Regierung unter anderem an die | |
EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard geschickt haben soll, heißt es: Sollte | |
die EU sich gegen die Teersand-Treibstoffe aussprechen, wolle Kanada alle | |
Möglichkeiten nutzen, seine Interessen zu verteidigen - auch in der | |
Welthandelsorganisation. | |
Diese Drohgebärden haben offenbar bereits Erfolg. Heute stimmen die | |
EU-Mitgliedsländer in einem Expertentreffen über den Vorschlag der | |
Europäischen Kommission ab, den Import von Treibstoffen aus Teersand zu | |
verbieten. Und es gilt als äußerst unsicher, dass sich die erforderliche | |
Mehrheit für ein Verbot ausspricht. Bisher haben nur eine Handvoll | |
kleinerer Länder ihre Zustimmung signalisiert, darunter Belgien und die | |
skandinavischen Staaten. | |
"Es wird letztendlich an Großbritannien und Deutschland liegen. | |
Entscheidend wird sein, ob sich die beiden großen Staaten nur enthalten | |
oder ob sie tatsächlich gegen das Verbot stimmen", sagt Franziska | |
Achterberg von [2][Greenpeace]. An eine Zustimmung zum Verbot glaubt | |
Achterberg nicht mehr, nachdem der Umweltausschuss im Bundestag mit den | |
Stimmen der Regierungskoalition einen entsprechenden Antrag der Grünen | |
Anfang des Monats abgelehnt hat. | |
## Hohe Krebsrate bei den Ureinwohnern | |
Teersand gilt als besonders schmutziger Treibstoff. Die CO2-Bilanz von | |
Benzin, dass aus dem öligen Sand gewonnen wird, ist wesentlich schlechter | |
als die von Treibstoff aus herkömmlichem Rohöl. Außerdem hinterlässt die | |
Förderung zerstörte Flächen in den Abbaugebieten; zum Beispiel im | |
kanadischen Bundesstaat Alberta. Die Krebsrate von Ureinwohnern, die | |
flussabwärts von den Fördergebieten leben, ist nach Angaben der kanadischen | |
Klimaschutzorganisation [3][Climate Action Network] (CAN) 30-mal höher als | |
in der übrigen Provinz. | |
"Die kanadische Regierung macht sich zum Sprachrohr der Industrie. Sie hat | |
ganz gezielt die europäische Klimapolitik angegriffen und eine umfassende | |
PR-Strategie entwickelt, um das Image von Teersanden in Europa | |
aufzubessern", sagt Christian Holz vom kanadischen CAN. | |
Friends of the Earth hat dokumentiert, dass die kanadische Regierung allein | |
im Jahr 2010 in der EU über 100 Veranstaltungen für die Lobbyarbeit | |
organisiert hat, darunter zahlreiche Besuche bei europäischen | |
Entscheidungsträgern. Die deutschen Bundestagsabgeordneten im | |
Umweltausschuss hatten vor ihrer Abstimmung Post vom kanadischen | |
Botschafter in Berlin bekommen, der sie aufforderte, gegen das Importverbot | |
zu stimmen. | |
Eigentlich ist der Vorschlag zu einem Verbot von Treibstoffen aus Teersand | |
eine logische Konsequenz aus dem Klima-Energiepakt, das die | |
EU-Mitgliedstaaten 2007 verabschiedet haben. Darin hieß es, dass die | |
Treibhausgas-Emissionen pro Megajoule Treibstoff bis 2020 um sechs Prozent | |
gesenkt werden sollen. | |
## Kein Ergebnis als gutes Ergebnis | |
"Deutschland hat sich sogar ein eigenes Ziel von sieben Prozent gesetzt. | |
Aber bei der Umsetzung bezieht die Bundesregierung keine klare Position. | |
Das ist unverantwortlich", sagt Franziska Achterberg von Greenpeace. | |
Umwelt- und Klimaschützer hoffen nun, dass sich bei der Abstimmung heute - | |
wenn es schon kein direktes Importverbot gibt - zumindest weder Befürworter | |
noch Gegner durchsetzen. Dann müssten nämlich die zuständigen | |
Umweltminister darüber beraten, und auf deren Ebene sieht Achterberg | |
zumindest eine größere Chance für ein positives Votum. | |
"Schließlich haben die Minister selbst vor vier Jahren die Entscheidung | |
getroffen, dass die CO2-Emissionen von Treibstoffen in der EU gesenkt | |
werden sollen. Es wäre deshalb nur konsequent, wenn sie nun auch konkrete | |
Schritte dafür einleiten würden", so Achterberg. Die EU-Kommission hofft | |
auf eine endgültige Entscheidung auf Ministerebene bis spätestens Ende | |
Juni. | |
22 Feb 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.foe.org/ | |
[2] http://www.greenpeace.de/ | |
[3] http://www.climatenetwork.org/ | |
## AUTOREN | |
Ruth Reichstein | |
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Schwerpunkt Klimawandel | |
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