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# taz.de -- Austritt aus Kioto-Protokoll: Klima-Outlaw Kanada
> Kanada will das Kioto-Protokoll kündigen und Sanktionen vermeiden. Doch
> genau das könnte erst recht zu Sanktionen und einem Handelskonflikt
> führen.
Bild: Raffinerie in Edmonton: Kanada schafft seine Klimaziele nicht.
BERLIN taz | Seinen schlechten Ruf hat sich Kanada bei der Klimakonferenz
in Durban hart erarbeitet. Sechsmal in zwei Wochen wurde das Land vom
Climate Action Network (CAN), einem weltweiten Zusammenschluss von
Umweltgruppen, mit dem Negativpreis "Fossil des Tages" ausgezeichnet.
Am Tag eins nach der Konferenz setzte Kanadas Umweltminister Peter Kent
noch einen drauf: Er erklärte am Montag, das Land wolle sofort aus dem
Kioto-Protokoll aussteigen, um seine Klimaschutzziele nicht erfüllen zu
müssen und um milliardenschwere Ausgleichszahlungen zu vermeiden.
Für Beobachter könnte der kanadische Vorstoß zu einer wichtigen
Entscheidung in der künftigen Klimadiplomatie führen: Kommen die Kanadier
durch, ist der Klimaprozess torpediert; werden sie gebremst, könnte das
neuen Schwung in die Verhandlungen bringen.
## "Kioto ist Vergangenheit"
Kanadas Ablehnung des Kioto-Protokolls ist nicht neu. Bereits zu Beginn der
Durban-Konferenz hatte Umweltminister Kent erklärt, das Land fühle sich
nicht länger an den Vertrag gebunden. Am Montag sagte er: "Kioto gehört für
uns zur Vergangenheit. Wir machen deshalb von unserem Recht Gebrauch, uns
formell aus dem Vertrag zurückzuziehen." Wenn Kanada Kioto umsetzen wolle,
sehe es sich "radikalen und unverantwortlichen Alternativen gegenüber", die
das Land 14 Milliarden kanadische Dollar kosten würden und "keine
Auswirkungen auf die Emissionen oder die Umwelt" hätten.
Wolle man diese "Strafzahlungen" vermeiden, müsse das Land für seine
Kioto-Ziele bis 2012 "die gesamte kanadische Landwirtschaft einstellen oder
die Heizung in allen Häusern, Büros, Krankenhäusern und Fabriken abdrehen".
In der Tat sei das Land durch das Kioto-Protokoll verpflichtet, seine
Emissionen aus der Periode 2008-2012 zu mindern oder auszugleichen, sagt
Christoph Bals, Klimaexperte der Organisation Germanwatch. "Kanada ist das
einzige Kioto-Land, das seine Verpflichtungen verfehlen wird", sagt er.
Alle anderen hätten entweder Emissionen reduziert oder überschüssige
Emissionszertifikate etwa bei Russland gekauft.
## Lassen die anderen Länder den Austritt zu?
Mit dem hastigen Ausstieg ein Jahr vor dem Ende der ersten Kioto-Periode
wollen sich die Kanadier um ebendiese Verpflichtung drücken. Ob das
juristisch möglich ist, sei völlig unklar, meinen Experten. "Das wird eine
Menge Arbeit für die Völkerrechtler", heißt es intern beim Klimasekretariat
der UN. Für Bals ist das eher eine politische Frage: Lassen es die anderen
Länder zu, dass sich ein Land heimlich aus einem Vertrag stiehlt, den es
völkerrechtlich verbindlich geschlossen hat? Anders als die USA, die das
Kioto-Protokoll zwar unterzeichnet, aber nie ratifiziert haben, hat sich
Kanada völkerrechtlich gebunden.
An dem neuen Vertrag wolle man mitarbeiten, betonte Kanadas Umweltminister.
Doch die anderen Länder grollen bereits. China habe mit "Sanktionen"
gedroht, wenn Kanada aus Kioto aussteige, kolportierten Beobachter in
Durban. Und die EU will ohnehin Öl aus Kanada mit einem Importverbot
belegen, das extrem umwelt- und klimaschädlich aus kanadischen Teersänden
gewonnen wird. Die kanadische Regierung hat deswegen schon in Brüssel
interveniert.
"Da muss die EU hart bleiben, sonst hat der Klimaprozess ein
Glaubwürdigkeitproblem", sagt Germanwatch-Experte Bals. Sein Szenario:
Sanktionen gegen Kanada, daraufhin zieht das Land vor die
Welthandelsorganisation, und aus dem Klimathema wird ein internationaler
Handelskonflikt. Man müsse anerkennen, dass Kanada durch die
Klimaverweigerung seines größten Handelspartners USA die größten Nachteile
im wirtschaftlichen Wettbewerb gehabt habe, sagt Bals. Aber an dem Kauf der
Emissionszertifikate für 14 Milliarden führe zu einer Lösung "kein Weg
vorbei".
Wie Sanktionen auch aussehen können, haben die UN-Staaten im Sommer
verdeutlicht, erzählen Klimadiplomaten. Bei der Wahl zu den nicht ständigen
Vertretern im UN-Sicherheitsrat standen Deutschland, Portugal und Kanada
zur Wahl. Schon wegen des Regionalproporzes sei Kanada praktisch gesetzt
gewesen, hieß es, bis die Kioto-Frage aufkam. Gewählt wurden Deutschland
und Portugal.
13 Dec 2011
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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