| # taz.de -- Kristina Schröders Buch: Die allerletzte Postfeministin | |
| > Es hätte ein Buch über Lösungen für die Vereinbarkeit von Beruf und | |
| > Familie werden können. Aber danach sucht Ministerin Schröder nicht. Sie | |
| > kämpft lieber gegen Windmühlen. | |
| Bild: Schröders Klischée: Feministinnen wollen die Freude am Muttersein verbi… | |
| BERLIN taz | Wer wissen will, warum Familienministerin Kristina Schröder so | |
| wenig frauenpolitische Initiative zeigt, kann dies nun in ihrem Werk | |
| „Danke, emanzipiert sind wir selber“ nachlesen. | |
| Der Grund: Kristina Schröder ist mit etwas anderem beschäftigt. Sie kämpft. | |
| Gegen FanatikerInnen, die sie von allen Seiten umstellen. „Wir sind zu | |
| einer Gesellschaft von Rollenleitbildfanatikern geworden“, lautet ihre | |
| Diagnose. Rechts lauern die Strukturkonservativen mit ihrer | |
| Mutterideologie, links der Feminismus, von dem Schröder weiß: „Der | |
| Feminismus erhebt die Karrierefrau zum Leitbild der emanzipierten Frau.“ | |
| Er argumentiere, so Schröder, „auf der Basis kühler Vorteils- und | |
| Nachteilskalkulation“, anstatt – wie normale Menschen – die | |
| Familiengründung „mit dem Herzen und nicht allein mit dem Rechenschieber“ | |
| zu betreiben. Er leugne damit die Realität: dass Frauen sich auch gern | |
| teilweise oder ausschließlich in der Familie verwirklichen möchten. | |
| So baut Schröder ihr Buch auf. Rechts und links lauern die | |
| Rollenfestschreiber. Sie dagegen schwingt die Fahne der Freiheit für die | |
| Mütter: Das Private ist politisch? Ganz und gar nicht. Das Private hat | |
| privat zu bleiben, niemand darf sich einmischen. | |
| Diese Struktur verwundert, hatte man doch die letzte feministische | |
| „Karrierefrau vs. Mutter“-Diskussion irgendwann in den achtziger Jahren des | |
| letzten Jahrtausends beim grünen „Müttermanifest“ angesiedelt. Konservati… | |
| Strukturen vom männlichen Ernährer und der zuverdienenden Hausfrau | |
| umstellen uns tatsächlich, das zeigt nicht zuletzt die Verteilung bezahlter | |
| und unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern. | |
| ## Viele, viele Bücher zum Thema | |
| Aber Feministinnen, die die „Karrierefrau“ predigen? Allein in den | |
| Publikationen der letzten Jahre ringen Autorinnen wie Lisa Ortgies | |
| („Heimspiel. Plädoyer für die emanzipierte Familie“), Susanne Gaschke (�… | |
| Emanzipationsfalle“), Regine Zylka („Das große Jein. Zwanzig Frauen reden | |
| über die Kinderfrage“), Anke Dürr und Claudia Voigt („Die Unmöglichen. | |
| Mütter, die Karriere machen“), Iris Radisch („Die Schule der Frauen“) und | |
| auch die vielzitierten Alphamädchen („Wir Alphamädchen“), sie alle ringen | |
| darum, wie das Leben mit Beruf und Kindern gelingen kann. Das ermüdende | |
| postfeministische Feminismusbashing aus den 90er Jahren, dem Schröder | |
| offenbar noch anhängt, haben sie längst hinter sich gelassen. | |
| Sie wollen die gleiche Freiheit zum Beruf und, ja, auch zur Karriere, wie | |
| die Männer. Niemand will dagegen die „Freude am Muttersein“ verbieten, wie | |
| Schröder es „den Feministinnen“ unterstellt. Sie wollen gleiche Chancen. | |
| Und lesen nun von ihrer Ministerin: „Ich glaube aber, dass Feministinnen | |
| Frauen heute keinen Gefallen mehr tun, wenn sie die Gleichheit mit dem Mann | |
| zum maßgeblichen Kriterium für Gleichberechtigung erklären.“ | |
| Schröder belegt die Haltung „der Feministinnen“ anhand zweier Autorinnen: | |
| Alice Schwarzer und Bascha Mika. Alice Schwarzer ist für ihren | |
| Schwarzweißfeminismus bekannt und unter Feministinnen umstritten. Viel und | |
| kontrovers diskutiert wird auch Bascha Mikas Diktum von der „feigen Frau“ | |
| (die freiwillig daheim „vermaust“). Aber weder den Streit noch die vielen | |
| anderen Autorinnen nimmt Schröder zur Kenntnis. Stattdessen verkörpern Mika | |
| und Schwarzer „den Feminismus“. | |
| Mit Hilfe dieses Popanzes konstruiert Schröder etwas, das wir schon aus | |
| ihrer Zeit als Innenpolitikerin kannten: die Hufeisentheorie, die zwei | |
| Haltungen als gleichwertig darstellt, die es nicht sind. Erst waren es | |
| Rechts- und Linksextremismus, die gleich gefährlich seien. Dann waren nicht | |
| nur Deutsche rassistisch, sondern auch Ausländer deutschenfeindlich. Jetzt | |
| sind die Rollenbilder der Strukturkonservativen und „der Feministinnen“ | |
| gleich „fanatisch“. Jedes Mal werden unterschiedliche Phänomene | |
| gleichgesetzt. | |
| ## Anpassen ans männliche Karrieremodell? Geht nicht. | |
| Und diese Unterschiede beschreibt Schröder sogar selbst. Etwa damit, dass | |
| die traditionelle Mutterideologie die Frau zu einer aufopferungsvollen | |
| „Pelikanmutter“ stilisiere, die laut christlicher Ikonografie ihre Jungen | |
| mit ihrem Blute nährt. Gemessen an diesem wirkmächtigen Frauenbild, das bis | |
| heute viele Lebensbereiche beeinflusst, gehört ein untauglicher | |
| Lösungsversuch, nämlich die Frau ausschließlich an das männliche | |
| Karrieremodell anzupassen, in eine andere Kategorie. | |
| Man kann diesen Lösungsversuch ad acta legen, wie es die meisten | |
| feministisch Interessierten längst getan haben, und weiter am Problem | |
| arbeiten. Aber das will Schröder nicht: Jede nach ihrer Fasson. Hausfrau | |
| bleibt Hausfrau – und Blaukraut bleibt Blaukraut. | |
| Und doch ist es ja eigentlich die Aufgabe der Familienpolitik, ein | |
| möglichst gutes Leben für Familien zu sichern. Da gibt es etwa das Problem | |
| der finanziellen Abhängigkeit einer Hausfrau von ihrem Mann. Das ist eine | |
| private Entscheidung. Aber wenn die Familienpolitik registriert, wie | |
| reihenweise Frauen wegen des (politisch gewollten) neuen Unterhaltsrechts | |
| nach einer Scheidung im Minijob landen und dann im Alter verarmen, dann | |
| sollte sie für diese Problematik Lösungen suchen. Denn sonst wird aus der | |
| privaten Herzensentscheidung ganz ohne Rechenschieber ein privates Elend – | |
| und später ein öffentlicher Sozialfall. | |
| Auch Schröder sieht, dass das Problem Muttermythos noch besteht: Sie | |
| zitiert Zuschriften von empörten Bürgern, die ihr als frischgebackener | |
| Mutter dringend anraten, zu Hause bei ihrer Tochter zu bleiben. Und sie | |
| weist auch darauf hin, dass Männer unter dem traditionellen Männerbild | |
| ebenso leiden. Einer der erhellendsten Sätze des Buches: „Das Pendant zum | |
| schlechten Gewissen der Frauen ist die Statusangst der Männer.“ | |
| Ja, jeder Vater denkt mit Grausen an sein Standing in der Firma, wenn er | |
| das Wort Teilzeit in den Mund nehmen würde. Hätte er doch eine | |
| Familienministerin, die ihm beisteht. Hat er aber nicht: „Die | |
| Transformation zum ’neuen Mann‘ ist radikal privatisiert“, zitiert Schrö… | |
| aus der Männerstudie „Männer – Rolle rückwärts, Rolle vorwärts?“ und… | |
| hinzu: „und das ist auch gut so. Denn mit der Ausweitung der Kampfzone auf | |
| die Frage nach dem richtigen Männerleben wäre niemandem gedient.“ So klingt | |
| eine Absage an Geschlechterpolitik. | |
| ## Schröder will viel - nur nichts vorschlagen | |
| Schröder kennt die Klippen der Rollenfallen. Und sie weiß, was man dagegen | |
| tun könnte. Am Ende ihres langen Kampfes gegen die Windmühlen preist sie | |
| plötzlich doch die „große“, vollzeitnahe Teilzeit von 30 bis 40 Stunden f… | |
| beide Eltern. Was ist das, wenn nicht ein Rollenleitbild? Was überhaupt ist | |
| gegen Rollenleitbilder zu sagen? Wie soll man denn ohne Leitbild | |
| Familienpolitik machen? Ja, die Eltern von heute wollen beides: Familie und | |
| Beruf. Die Zwei-Ernährer-Familie mit großen Teilzeitjobs könnte dieses | |
| Leitbild sein. Wer ist dafür zuständig? Die Familienministerin. Was schlägt | |
| sie vor? Nichts. Sie will ja niemanden bevormunden. | |
| Aber die Menschen lechzen nach Erleichterungen: Sie wollen Kitas mit | |
| vernünftigen Öffnungszeiten. Viele wollen sogar eine Quote, mit deren Hilfe | |
| man die männlich geprägte Unternehmenskultur umkrempeln könnte. Denn man | |
| wird die Frauen nicht in die Führungspositionen lotsen können, wenn diese | |
| Jobs nicht auch in Teilzeit angeboten werden. | |
| Sie erwarten Initiativen von ihrer Ministerin. Nun wissen sie, was sie | |
| bekommen: Ihre Probleme werden nicht als politische anerkannt. Und deshalb | |
| lässt Schröder die Strukturen, wie sie sind, anstatt etwa | |
| Teilzeitoffensiven für Männer zu starten. Das wäre moderner Feminismus. | |
| Aber Schröder hat ihr Bild vom Feminismus nie erweitert. Und so geriert sie | |
| sich ganz allein als kritische Postfeministin. Die letzte ihrer Art. | |
| 16 Apr 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Heide Oestreich | |
| Heide Oestreich | |
| ## TAGS | |
| Staatsschutz | |
| Alice Schwarzer | |
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