# taz.de -- Eskalation zwischen Salafisten und Pro NRW: „Tod den Ungläubigen… | |
> Steine, Flaschen, Blumenkübel, Mülltonnen, Messer und ein Gullygitter: | |
> Salafisten reagierten mit Gewalt auf eine Mohammed-Karikatur in Bonn. | |
Bild: Salafisten in Bonn: mit Messerstichen für Allah. | |
BONN taz | Um 15.30 Uhr am Samstag ist es so weit. Der Redner der | |
„Bürgerbewegung Pro NRW“ macht die Ansage, auf die alle gewartet haben: | |
„Jetzt zeigen wir die Karikaturen!“ Die knapp 30 AktivistInnen der | |
rechtsextremen nordrhein-westfälischen Splitterpartei wissen, was passieren | |
wird – und die Vorfreude ist ihnen anzusehen. | |
Es ist genau genommen nur eine einzige Karikatur, die hochgehalten wird: | |
die berühmt-berüchtigte Mohammed-Zeichnung von Kurt Westergaard, die zuerst | |
im Jahr 2005 in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten veröffentlicht worden | |
war. Zu sehen bekommt sie jetzt – dank der aus Mannschaftswagen bestehenden | |
Sichtschranken – keiner der rund 600 GegendemonstrantInnen, die sich wenige | |
hundert Meter weiter vor der Bonner König-Fahd-Akademie versammelt haben. | |
Doch darauf kommt es nicht an. Das Stichwort reicht. Von einem Moment zum | |
anderen beginnt der Steinhagel. | |
Mehrere hundert Salafisten werfen mit allem, was greifbar ist. Sie | |
verwüsten Vorgärten, leeren Kiesbeete, schmeißen handballgroße Steine, | |
Flaschen, Blumenkübel, Mülltonnen und sogar ein Gullygitter. In sicherer | |
Entfernung, geschützt von den Polizisten, stehen die feixenden „Pro | |
NRW“-AnhängerInnen. Sie rufen hämisch: „Abschieben, abschieben!“ | |
29 BeamtInnen werden verletzt, ein Polizist und eine Polizistin durch | |
Messerstiche schwer. Etliche Polizeifahrzeuge werden beschädigt, Scheiben | |
gehen zu Bruch. Auch der Einsatz von Pfefferspray bleibt wirkungslos. Es | |
ist ein Ausbruch von Gewalt, wie ihn die schockierten Anwohner in dem | |
beschaulichen Ortsteil Lannesdorf noch nicht erlebt haben. | |
## Der Spuk ist vorbei | |
Fünfzehn Minuten geht es so. Dann kommt endlich die Durchsage, dass die | |
Polizei die „Pro NRW“-Kundgebung abgebrochen hat. Der Spuk ist vorbei. Der | |
Veranstalter, der Rat der Muslime in Bonn, hatte von einem friedlichen | |
Protest gegen die „Freiheit statt Islam“-Wahlkampftour von „Pro NRW“ | |
gesprochen. Doch wer in den Tagen zuvor die bundesweite Mobilisierung in | |
den einschlägigen salafistischen Internetforen verfolgt hatte, wusste, dass | |
das ein frommer Wunsch bleiben würde. | |
„Achtung: Keine SCHWESTERN etc.“ war dort zu lesen. „Kommt diesmal aber | |
zahlreich und nicht wie in Solingen mit nur 80 Mann.“ Das bezog sich auf | |
einen Vorfall am 1. Mai: Damals hatten die Islam-Hooligans am Rande eines | |
„Pro NRW“-Auftritts eine Polizeisperre angegriffen und drei Beamte und | |
einen Passanten verletzt. | |
Die Bonner Polizei wusste um die Gefahr. „Schon aus Gründen der | |
Eigensicherung unserer eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten werden | |
wir Gewalttätigkeiten im Ansatz unterbinden“, kündigte Polizeidirektor | |
Dieter Weigel an. | |
Davon jedoch kann am Samstag keine Rede sein: Die Polizei wirkt schlecht | |
vorbereitet. Als die ersten Beamten gegen 12 Uhr auftauchen, sind die | |
Salafisten längst da – etliche vermummt, einige in Militärkampfwesten. | |
Angeleitet von Rädelsführern, wie dem Ex-Gangsta-Rapper Deso Dogg, sammelt | |
sich ein Teil der Militanten ungestört vor der König-Fahd-Akademie, ein | |
anderer auf einer nahe gelegenen Kreuzung. | |
Sie putschen sich mit Parolen auf: „Tod den Ungläubigen“, „Sieg oder Tod… | |
und immer wieder „Allahu Akbar“. Etwas hilflos richtet die Polizei zwischen | |
Akademie und Kreuzung eine Durchlassschleuse ein. Wer von der einen zur | |
anderen Seite geht, wird von den BeamtInnen durchsucht. Wer schon auf | |
seinem Platz ist, bleibt unbehelligt. | |
## Verschwindend kleine Minderheit | |
Unter den in der Bundesrepublik lebenden Muslimen bildet die salafistische | |
Szene eine verschwindend kleine Minderheit. Doch vor der von Saudi-Arabien | |
finanzierten Schule sind die radikal-islamischen Fanatiker an diesem Tag in | |
der überwältigenden Mehrheit. | |
Der Rat der Muslime hat schlecht mobilisiert, nicht muslimische Bonner | |
BürgerInnen sind ohnehin an der Hand abzuzählen. Auch das kleine Häuflein | |
der Grünen Jugend und der Linksjugend [’solid], die mit ihren Fähnchen | |
wedeln, wirkt mehr als verloren angesichts der großen Präsenz der | |
gewaltbereiten Salafisten. | |
Die Stimmung ist von Anfang an explosiv. Von der auf einem Lastwagen | |
platzierten Bühne rufen zwar die Redner des Rates der Muslime unablässig | |
dazu auf, sich nicht provozieren zu lassen. Doch die Appelle prallen an den | |
meist jugendlichen Salafisten ab: „Halt’s Maul“, rufen sie zurück. Sie | |
wollen kämpfen, nichts anderes, und sie bekommen ihren Kampf. | |
Als alles vorbei ist, kurz nach 16 Uhr, bietet die Umgebung der | |
König-Fahd-Akademie ein Bild der Verwüstung. Bis zum späten Abend nimmt die | |
Polizei 109 Personen vorläufig fest. Wegen der Messerattacke auf die beiden | |
Beamten wird gegen einen 25-jährigen Tatverdächtigen aus Hessen wegen | |
versuchter Tötung ermittelt. | |
6 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
## TAGS | |
HipHop | |
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