| # taz.de -- Elektronischer Wertpapierhandel: Schnell, schneller, Schweizer Bör… | |
| > Der Hochgeschwindigkeitshandel von Wertpapieren läuft an der Züricher | |
| > Börse nun noch flotter als zuvor. Kritiker warnen vor den Gefahren. | |
| Bild: Der Faktor Mensch verliert im Wertpapierhandel, wie hier in New York an B… | |
| HAMBURG taz | Der automatisierte Hochgeschwindigkeitshandel von | |
| Wertpapieren steht im Verdacht, Krisen auszulösen oder zumindest zu | |
| verschärfen. Das hält selbst regulierte Börsen nicht davon ab, in immer | |
| schnellere Handelsplattformen zu investieren. Seit dieser Woche nimmt die | |
| schweizerische Börse SIX in Zürich für sich in Anspruch, die | |
| allerschnellste der Welt zu sein. | |
| Zeit ist Geld. Das gilt ganz bestimmt für den milliardenschweren Handel mit | |
| Aktien, Fondsanteilen und Zertifikaten. Zum einen wollen die Kunden der | |
| Börsenhändler ihre Aufträge möglichst zeitgleich erledigt haben. | |
| Handelsplätze, die schneller sind, ziehen daher mehr Geschäft an. | |
| Zum anderen stehen regulierte Börsen und außerbörsliche | |
| Internet-Handelssysteme in heftiger Konkurrenz zueinander. Sie setzen auf | |
| immer rasendere Geschwindigkeiten, um so noch mehr Wertpapiere handeln zu | |
| können. Für jede Transaktion kassieren die Hochfrequenzmakler schließlich | |
| eine kleine Gebühr, und da liegt der Profit allein in der millionenfachen | |
| Abwicklung von Aufträgen. | |
| ## Abschlüsse in Mikrosekunden | |
| Bislang galt die traditionsreiche Londoner Börse LSE als der schnellste | |
| Autopilot. Mit der Inbetriebnahme ihrer neuen Systeme gilt nun die Züricher | |
| SIX Swiss Exchange AG weltweit als die Börse mit der kürzesten | |
| Reaktionszeit. „Das neue System ist 22-mal schneller als das bisherige“, | |
| freut sich SIX-Chef Christian Katz. Bis dahin habe der Abschluss eines | |
| Auftrages schneckenlangsame 800 Mikrosekunden gedauert. | |
| Jetzt seien nur noch 37 Mikrosekunden nötig – 0,000.037 Sekunden –, das ist | |
| weit weniger als ein Wimpernschlag. Für Katz ist der Temporausch ein | |
| „Meilenstein“. Auch die Deutsche Börse setzt auf blitzschnelle Spekulation: | |
| „Technologie hält Einzug – wie auch in anderen Bereichen des öffentlichen | |
| Lebens“, so ein Sprecher. | |
| ## Die Technik birgt Risiken | |
| Doch birgt diese Technik ein Restrisiko. So ließ im Mai 2010 ein | |
| „Flash-Crash“ die Börsenkurse einbrechen. Der Kurssturz vernichtete an der | |
| Wall Street eine Billion Dollar an Marktwert – binnen Sekunden und | |
| vollautomatisch. Allerdings erholten sich die Kurse bald wieder. | |
| Mögliche Gefahren des Blitzhandels hat jüngst auch einer der | |
| Hochgeschwindigkeitsanbieter schon zu spüren gekriegt: Der US-Makler BATS | |
| wollte sich selbst an die Börse bringen – und scheiterte an einem | |
| Softwarefehler. Und auch SIX hat schon Erfahrungen mit Pannen gemacht. Im | |
| Januar mussten die Schweizer den Handelsbeginn verschieben: aufgrund „einer | |
| technischen Störung“. | |
| ## Höhere Krisenanfälligkeit | |
| Kritiker warnen schon länger vor dem Hochfrequenz-Börsenspiel. | |
| „Volkswirtschaftlich ist es schädlich, weil es die Krisenanfälligkeit der | |
| Finanzmärkte erhöht“, sagt Rainald Ötsch von der bundesweiten | |
| Attac-Arbeitsgruppe Finanzmärkte und Steuern. | |
| Zudem biete sich die Möglichkeit, Preise zu manipulieren. Denn die | |
| Spekulanten geben sehr viele Orders ab, die letztlich nicht ausgeführt oder | |
| kurz davor storniert werden und auf diese Weise Angebot und Nachfrage | |
| verzerren. Die Finanzmarktexperten von Attac fordern daher, auch stornierte | |
| Transaktionen mit einer Finanztransaktionssteuer zu belegen. | |
| Nicht mal in der Finanzbranche sind alle begeistert. Um wirklich schneller | |
| als andere zu sein, müssen auch die Kunden der Handelsplattformen auf | |
| Hochfrequenzhandel umschalten. Solch teure Systeme können sich aber nur | |
| wenige große Investmentakteure wie die Deutsche Bank leisten. Kleinere | |
| Banken und Privatkunden haben das Nachsehen. | |
| ## Für EU-weite Regulierung | |
| Politikern ist das sogenannte Algo-Trading (von Algorithmus) ungeheuer. Sie | |
| fürchten Kettenreaktionen und Betrugsfälle und nehmen die Branche deshalb | |
| ins Visier. Das Aufsichtsregime habe mit dem „technologischen Fortschritt | |
| nicht Schritt gehalten“, warnt das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin. | |
| Minister Philipp Rösler (FDP) fordert eine EU-weite Regulierung nach den | |
| Regeln, „die an vielen deutschen Börsen bereits Standard sind“. | |
| In Brüssel gibt es weiterreichende Forderungen. Eine Mindestverweildauer | |
| von Aufträgen und eine Mindesthaltezeit für Wertpapiere könnten die | |
| Zockerei entschleunigen. Allerdings würden diese EU-Regeln nicht für die | |
| Schweizer SIX gelten. | |
| 7 May 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Hermannus Pfeiffer | |
| Hermannus Pfeiffer | |
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