# taz.de -- Debatte ums Betreuungsgeld: Kohle und mehr Kita-Plätze | |
> Herdprämie oder Kita-Ausbau? Kanzlerin Merkel will offenbar beide Wege | |
> gleichzeitig forcieren, um das umstrittene Betreuungsgeld durchzusetzen. | |
> Die SPD glaubt noch nicht dran. | |
Bild: Zuhause frühstücken oder in der Kita? | |
BERLIN taz | Die völlig verfahrene Situation um Kitaausbau und | |
Betreuungsgeld scheint sich am Wochenende etwas gelöst zu haben: | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel soll laut dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel | |
in Aussicht gestellt haben, dass mit der Einführung des Betreuungsgeldes | |
auch der Ausbau der Kindertagesstätten forciert werden solle. „Unter | |
Umständen“ soll dafür „auch zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt | |
werden“, heißt es im Magazin weiter, ohne den Zitierten näher zu benennen. | |
Um die staatliche Unterstützung der Kinderbetreuung herrscht seit längerem | |
Krach in der schwarz-gelben Koalition: Die CSU pocht auf das im | |
Koalitionsvertrag vereinbarte Betreuungsgeld für Eltern, die ihre | |
Kleinkinder nicht in eine staatlich geförderte Kita geben, sondern sie zu | |
Hause betreuen. 100 bis 150 Euro sollen Eltern von ein- und zweijährigen | |
Kindern dafür bekommen. Die Gruppe der Frauen in der CDU aber lehnt das | |
Betreuungsgeld ab, auch die FDP ist nicht angetan. In der Bevölkerung ist | |
die Herdprämie ebenfalls unbeliebt: 80 Prozent der Befragten wollten laut | |
einer Emnid-Erhebung das Geld lieber in den Kitaausbau stecken. | |
Doch die CSU pocht auf die Vereinbarung: CSU-Chef Horst Seehofer drohte in | |
der Bild am Sonntag, nicht mehr an Sitzungen des Koalitionsausschusses | |
teilzunehmen, solange kein Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld vorliege. Er | |
soll schon am Donnerstagabend vor der Bundesratssitzung beim traditionellen | |
„Kamingespräch“ der Unions-Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin gefehlt | |
haben.Dem Vernehmen nach soll ein entsprechender Gesetzentwurf Anfang Juni | |
vorliegen. | |
Die Opposition forderte zuletzt am Donnerstag in einer aktuellen Stunde, | |
die für das Betreuungsgeld eingeplanten 1 bis 2 Milliarden Euro in den | |
Kitaausbau zu stecken. Der sollte bis zur Einführung eines Rechtsanspruchs | |
auf einen Kitaplatz im Jahr 2013 abgeschlossen sein. Es fehlen aber laut | |
Angaben des Städtetages noch etwa 200.000 Plätze. Auch mangelt es an | |
ausgebildeten ErzieherInnen. Der Städtetag befürchtet deshalb, dass eine | |
Welle von Schadensersatz-Klagen der Eltern, die keinen Kita-Platz bekommen, | |
auf die Kommunen zurolle. | |
Dass diese Befürchtung nicht ganz unberechtigt ist, zeigt ein Urteil des | |
Verwaltungsgerichts Mainz aus der vorigen Woche: Einer Mutter, der die | |
Kommune trotz Rechtsanspruchs keinen Kindergartenplat zur Verfügung | |
stellte, sprach das Gericht Schadensersatz zu. Die Mutter hatte das Kind in | |
einer kostenpflichtige private Kita betreuen lassen müssen. Die Stadt Mainz | |
hatte argumentiert, dass sie nur auf die Bereitstellung eines | |
Betreuungsplatzes hin verklagt werden dürfe. Das aber sah das Gericht als | |
„sinnlos“ an und verfügte den Schadensersatz. | |
## „Geschenk pünktlich zur Wahl“ | |
Eine Sprecherin des Familienministeriums verwies darauf, dass von den für | |
den Kitaausbau bereitgestellten vier Milliarden Euro 700 Millionen noch gar | |
nicht abgerufen worden seien. Zu weiteren Finanzhilfen könne sie nichts | |
sagen. | |
Den mutmaßlichen Vorstoß aus dem Kanzleramt nennt Christel Humme, | |
frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, durchsichtig: | |
„Da hat jemand pünktlich zur Wahl in NRW ein Geschenk platziert“, sagte | |
Humme der taz. „Die Regierung steht mit dem Rücken zur Wand.“. Sie könne | |
nicht vermitteln, dass sie einerseits 6 Milliarden Euro an | |
Steuererleichterungen und 1 bis 2 Milliarden für das Betreuungsgeld | |
beschließe, andererseits aber kein Geld für den Kitaausbau habe. | |
Humme sagte, sie glaube erst an zusätzliches Geld, wenn sie es sehe. | |
CSU-Chef Seehofer wolle das Betreuungsgeld unbedingt, weil der Kitaausbau | |
in Bayern bis zum Stichtag 1. August 2013 nicht fertig werde und die Eltern | |
stattdessen mit dem Betreuungsgeld ruhig gestellt werden sollten. „Die | |
Biedermeierkoalition scheint endgültig durchzudrehen“, erklärte dazu die | |
kinderpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Diana Golze. | |
13 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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