# taz.de -- Jurist über die Antiterrordatei: „Ich lehne die Terrordatei ab“ | |
> Ex-Richter Robert Suermann klagte in Karlsruhe gegen die Antiterrordatei, | |
> das Vorbild der Rechtsextremismusdatei, die bald beschlossen wird. Er | |
> lehnt beide ab. | |
Bild: Was darf die Polizei wissen? Neonazi-Aufmarsch in Dresden. | |
taz: Herr Suermann, bald wird das Bundesverfassungsgericht über Ihre Klage | |
gegen die Antiterrordatei entscheiden. Warum haben Sie 2007 geklagt? | |
Robert Suermann: Weil die Antiterrordatei die Befugnisse von Polizei und | |
Geheimdiensten unzulässig vermischt. In Deutschland kann jeder von den | |
Geheimdiensten – zum Beispiel dem Verfassungsschutz – heimlich observiert | |
und belauscht werden, seine Telefone, Bankkonten und Reisepläne können | |
überwacht, sein Surfen im Internet beobachtet und seine Briefe und Mails | |
durchgelesen werden. | |
Einzige Voraussetzung sind „Anhaltspunkte“ für möglicherweise | |
verfassungsfeindliche oder terroristische Bestrebungen. Eine vage anonyme | |
Anschuldigung reicht da schon aus. Bestimmte Erkenntnisse müssen die | |
Dienste seit 2007 in die Antiterrordatei einstellen, auf die auch die | |
Polizei zugreifen kann. Diese erhält so Informationen, die sie selbst nicht | |
hätte erheben dürfen. Denn die Polizei darf nur bei einem konkreten | |
Verdacht tätig werden. | |
Warum ist das ein Fall für das Bundesverfassungsgericht? | |
Weil das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten teilweise | |
aufgegeben wird und dadurch Grundrechte verletzt werden. Dieses | |
Trennungsgebot ergibt sich nach meiner Auffassung aus der Verfassung. Es | |
verbietet – von engen Ausnahmen abgesehen – die Weitergabe von | |
Informationen der Nachrichtendienste an die Polizei. Nur deshalb sind die | |
extremen Überwachungsbefugnisse der Dienste überhaupt hinnehmbar. | |
Soll der Verfassungsschutz Hinweise auf Terroranschläge für sich behalten? | |
Bei einem konkreten Verdacht geplanter oder begangener schwerer Straftaten | |
steht das Trennungsgebot einer Information der Polizei nicht entgegen. Bei | |
der Antiterrordatei geht es aber gerade nicht darum, sondern um eine | |
generelle Weitergabe nachrichtendienstlich gewonnener Erkenntnisse. | |
Das Bundesverfassungsgericht hat ein solches Trennungsgebot bisher aber | |
noch nie als Verfassungsprinzip anerkannt. | |
Das stimmt. Es hat dies bisher ausdrücklich offengelassen. Deshalb erhoffe | |
ich von meiner Verfassungsbeschwerde zumindest, dass sich Karlsruhe klar | |
zum Trennungsgebot bekennt und dieses auch konturiert. | |
Warum klagen gerade Sie gegen die Anti-Terror-Datei, die faktisch bisher | |
nur die Daten von Islamisten sammelt? Wurden Sie als langjähriger | |
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Oldenburg schon einmal als | |
Islamist verdächtigt? | |
Das kann ich mir nicht vorstellen. Da die Dienste aber heimlich agieren, | |
weiß ich nicht, ob und welche sonstigen "Anhaltspunkte" gegen mich dort | |
vorliegen. Völlig ausschließen kann ich dergleichen jedenfalls nicht. So | |
habe ich mich schon deutlich gegen bestimmte "Anti-Terror-Maßnahmen" der | |
USA ausgesprochen, zum Beispiel gegen die Verschleppung von Menschen in | |
Geheimgefängnisse oder gegen das Töten Verdächtiger durch ferngesteuerte | |
Drohnen. Wer weiß, wie die Geheimdienste solche Kritik bewerten? Im Übrigen | |
reicht es für eine Aufnahme in die Anti-Terror-Datei ja auch schon aus, | |
dass man als Freund, Verwandter, Nachbar oder Kollege eine "Kontaktperson" | |
von jemandem ist, der Gewalt als Mittel zur Durchsetzung internationaler | |
politischer oder religiöser Ziele "befürwortet". | |
Was meint das ATD-Gesetz mit „Gewalt befürworten“? | |
Das Gesetz definiert das nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es aus | |
Sicht der Dienste zum Beispiel schon ausreicht, wenn es jemand gut findet, | |
dass Beate Klarsfeld den früheren Bundeskanzler Kiesinger geohrfeigt hat. | |
Jetzt plant die Bundesregierung eine ähnliche gemeinsame Datei von Polizei | |
und Verfassungsschutz, die Informationen über gewaltbereite | |
Rechtsextremisten sammeln soll. Lehnen Sie diese Neonazi-Datei auch ab? | |
Die geplante Rechtsextremismusdatei soll weitgehend nach dem Muster der | |
Antiterrordatei ausgestaltet werden. Auch wenn mir das als Neonazi-Gegner | |
alles andere als leichtfällt, muss ich diese Datei daher ebenfalls | |
ablehnen. | |
Sollte der Bundestag auf die Ergebnisse Ihrer Verfassungsbeschwerde gegen | |
die Antiterrordatei warten? | |
Klugerweise ja. | |
Wie oft haben Sie schon beim Bundesverfassungsgericht geklagt und wie oft | |
waren Sie hierbei erfolgreich? | |
Zweimal, und zwar als alleiniger Beschwerdeführer gegen die vorbeugende | |
Telefonüberwachung in Niedersachsen und zusammen mit vielen anderen gegen | |
die Vorratsdatenspeicherung. Beide Verfassungsbeschwerden waren | |
erfolgreich. | |
23 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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