# taz.de -- EU-Kommission gegen Deutschland: Klage wegen Vorratsdatenspeicherung | |
> Die EU-Kommission zieht gegen Deutschland vor Gericht, weil Berlin das | |
> EU-Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nicht in nationales Recht umgesetzt | |
> hat. | |
Bild: Die EU-Richtlinie sieht die vorsorgliche Speicherung von Daten zu Fahndun… | |
BRÜSSEL taz | Nach monatelangem Zögern hat die EU-Kommission am Donnerstag | |
in Deutschland beim Europäischen Gerichtshof verklagt, weil die Regierung | |
in Berlin die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht fristgerecht | |
umgesetzt hat. Die Brüsseler Behörde fordert in ihrer Klageschrift ein | |
tägliches Bußgeld von über 315.000 Euro ab dem Tag der Urteilsverkündung | |
bis zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht. „Die EU-Kommission | |
war sehr verständnisvoll, was die deutsche Situation angeht. Aber seit | |
Jahren ist nichts passiert. Jetzt müssen wir auf die Einhaltung der | |
Verträge pochen“, erklärte der Sprecher der EU-Kommission, Michele Cercone. | |
Nach EU-Recht hätte Deutschland die umstrittene | |
Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie bereits bis September 2007 umsetzen | |
müssen. Aber das Bundesverfassungsgericht hat im März 2010 die erste | |
Fassung des deutschen Gesetzes für verfassungswidrig erklärt. Seitdem | |
streiten sich in Berlin CDU/CSU und FDP über die Umsetzung. Der | |
CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich forderte seine FDP-Kollegin, | |
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, prompt auf, endlich | |
nachzugeben: „Wenn es am Ende zu einer Verurteilung kommt, wird es auf | |
jeden Fall teuer. Aber ich glaube und hoffe, dass wir es dadurch abwenden | |
können, dass die Justizministerin einlenkt“, sagte Friedrich. | |
Die EU-Richtlinie verpflichtet Telekom-Unternehmen und Internetprovider | |
dazu, die Daten von Telefongesprächen, Internetverbindungen und Mails der | |
Bürger zu speichern, damit Fahnder sie für ihre Ermittlungsarbeit nutzen | |
können. Nach Ansicht der EU-Kommission ist dies ein wichtiges Instrument | |
zum Schutz der Bürger - zum Beispiel vor Terroristen. | |
Aber der deutschen Justizministerin geht die EU-Vorlage zu weit. Deshalb | |
sperrte sie sich bisher gegen die Umsetzung. Die Entscheidung aus Brüssel | |
dürfte nun neues Öl ins Feuer des Koalitionsstreits gießen. Denn die | |
EU-Kommission macht klar, dass die von Leutheusser-Schnarrenberger | |
favorisierte Variante, Daten nur nach konkreten Verdachtsmomenten länger | |
als sieben Tage zu speichern, nicht ausreichen würde, um die EU-Standards | |
zu erfüllen. | |
Friedrich dagegen unterstützt eine Speicherdauer von sechs Monaten - auch | |
ohne Verdacht. Die EU-Kommission hat die Geduld verloren, nachdem sie die | |
deutsche Regierung bereits im Oktober vergangenen Jahres sowie im März | |
dieses Jahres verwarnt hatte. „Die deutsche Blockade kann negative | |
Auswirkungen auf die Arbeit der Polizei und der Justiz bei Ermittlungen in | |
der gesamten EU haben. Deshalb müssen wir eingreifen“, sagte der | |
Kommissionssprecher. Allerdings dauern die Verfahren am Europäischen | |
Gerichtshof oft so lange, dass es gut sein kann, dass sich die Regierung in | |
dieser Legislaturperiode überhaupt nicht mehr mit dem Thema beschäftigen | |
wird. | |
Das Bundesjustizministerium reagierte denn auch gelassen auf die Klage. | |
„Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist die umstrittenste | |
Richtlinie in der Geschichte der europäischen Integration“, erklärte | |
Sprecher Anders Mertzlufft. Die EU-Kommission will die Bestimmungen | |
demnächst aufgrund von Datenschutzbedenken überarbeiten. | |
31 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Ruth Reichstein | |
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