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# taz.de -- Mord-Aufklärung dank Datenabfrage: Die Daten des Soldaten
> Die Funkzellendaten eines mutmaßlichen Täters waren bei seiner
> Mobilfunkfirma gespeichert. Und das, obwohl Vorratsdatenspeicherung in
> Deutschland nicht erlaubt ist.
Bild: Der Fundort der Leiche in Bonndorf-Gündelwangen.
FREIBURG taz | Die Polizei kann Mordfälle auch ohne Vorratsdatenspeicherung
mit Hilfe von Handydaten aufklären. Das zeigt ein aktueller Mordfall aus
Südbaden.
Der 24-jährige Simon Neipp war am 24. Mai zuletzt lebend gesehen worden –
in seinem Heimatort Gündelwangen an der Schweizer Grenze. Am 8. Juni wurde
seine Leiche gefunden. Vorige Woche schließlich wurde der mutmaßliche Täter
festgenommen: ein 25 Jahre alter Soldat, der mit seiner Ehefrau im gleichen
Haus wohnte. Er soll Neipp nach einem Streit, eventuell aus Eifersucht,
getötet haben. Der Verdächtige hat sich mittlerweile erhängt, der Fall gilt
als gelöst.
Schon früh war der Soldat in Verdacht geraten, doch hatte er für die
Tatnacht ein Alibi. Er sei die ganze Nacht in seiner Kaserne im
unterfränkischen Hammelburg gewesen. Das bezeugte ein Stubenkamerad. Das
Alibi konnte nach Angaben der Polizei aber durch eine „Handy-Auswertung“
widerlegt werden.
Diese ergab, dass der Mann am Tatabend gegen 20 Uhr im Hohenlohekreis, 130
Kilometer von Hammelburg entfernt, in Richtung Süden fahrend unterwegs war.
Zudem hatte der Stubenkamerad zugegeben, dass er das Alibi nur auf massives
Bitten des Soldaten gegeben habe.
## Die Polizei hatte die Daten
Die Polizei hat also offensichtlich die Funkzellendaten für das Handy des
verdächtigen Soldaten bei dessen Mobilfunkanbieter abgefragt. Wann das war,
wollte die Polizei nicht sagen. Vermutlich geschah dies aber erst nach
Auffinden der Leiche, also mehr als zwei Wochen nach der Tat.
Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verlangt, dass die Telefon-
und Internetverkehrsdaten sechs Monate lang bei den Firmen gespeichert
werden müssen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP) weigert sich jedoch, die Richtlinie umzusetzen.
Deshalb gibt es derzeit in Deutschland keine Vorratsdatenspeicherung. Die
Verkehrsdaten der Telefon- und Internetfirmen seien oft nicht mehr
vorhanden, wenn sie für Ermittlungen benötigt werden, kritisiert die
Polizei. Teilweise würden die Verbindungsdaten schon nach wenigen Tagen
gelöscht.
## Kein ungewöhnlicher Fall
Dass die Daten des Soldaten noch vorhanden waren, ist nicht ungewöhnlich.
Eine vertrauliche Aufstellung der Generalstaatsanwaltschaft München, die im
Herbst vergangenen Jahres bekannt wurde, zeigt, dass Mobilfunkfirmen die
Funkzellendaten von eingehenden Anrufen – je nach Firma – 7 bis 90 Tage
aufbewahren. Bei abgehenden Anrufen sind es sogar 30 bis 180 Tage.
Eine interne Untersuchung des Bundeskriminalamts (BKA) zeigte vor einigen
Monaten, dass 80 Prozent der BKA-Anfragen nach Telefondaten auch ohne
Vorratsspeicherung beantwortet werden konnten. Massive Engpässe gab es nur
bei Anfragen zu Internetdaten ([1][die taz berichtete]).
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sieht sich durch solche
Untersuchungen darin bestätigt, dass eine Vorratsdatenspeicherung nicht
erforderlich ist. Datenschützer finden die Erfolge der Polizei jedoch
bedenklich. Die im Arbeitskreis Vorrat zusammengeschlossenen Gegner der
Vorratsdatenspeicherung haben die Telefonfirmen deshalb bei der
Bundesnetzagentur angezeigt. Die Speicherung der Verbindungsdaten dauere
viel länger, als dies für Abrechnungs- oder technische Zwecke erforderlich
sei.
24 Jun 2012
## LINKS
[1] /Studie-ueber-Vorratsdaten/!86478/
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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