# taz.de -- Anti-Terror-Datei vor Gericht: Wie viel Trennung muss sein? | |
> 300.000 Mal wurde die Anti-Terror-Datei seit 2007 abgefragt. Das | |
> Bundesverfassungsgericht prüft nun, ob die Zusammenarbeit gegen das | |
> Grundgesetz verstößt. | |
Bild: Ein kontemplatives Bild: Bundesinnenminister vor Eingabemaske der Anti-Te… | |
Die Verhandlung über die Anti-Terror-Datei kommt in einem heiklen Moment. | |
Während nach dem NSU-Desaster fast alle politischen Kräfte nach besserer | |
Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz rufen (siehe Interview), | |
soll das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe seit Dienstag klären, ob | |
diese inzwischen schon zu weit geht. | |
Die Anti-Terror-Datei wurde 2006 von der großen Koalition beschlossen. | |
Ursprünglich wurde sie Islamisten-Datei genannt, dann aber auf den gesamten | |
„internationalen Terrorismus“ erweitert. Neben Islamisten finden sich zum | |
Beispiel auch kurdische PKKler in der Datei. Insgesamt sind rund 16.800 | |
Personen in der Datei gespeichert, von denen aber nur 3.400 in Deutschland | |
leben. | |
Für die Anti-Terror-Datei werden keine neuen Daten erhoben. Sie dient | |
vielmehr als Wegweiser im Dschungel von 38 deutschen Sicherheitsbehörden, | |
die sich in Bund und Ländern mit dem internationalen Terrorismus | |
beschäftigen. Wenn zum Beispiel das Bundeskriminalamt (BKA) wissen will, ob | |
der Verfassungsschutz etwas über eine bestimmte Person gespeichert hat, | |
dann muss die Polizei nicht mehr 16 Landesämter und das Bundesamt für | |
Verfassungsschutz fragen, sondern sieht in der Datei gleich, wo | |
Informationen liegen – so zumindest die Theorie. | |
Die Datei wird viel genutzt. Von 2007 bis 2011 gab es bereits 300.000 | |
Anfragen, berichtete Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in Karlsruhe. | |
BKA-Chef Jörg Ziercke ergänzte, jede Woche gebe es 1.200 Anfragen. | |
Insgesamt habe es schon 1,5 Millionen Treffer gegeben, das heißt Hinweise | |
auf Datenbestände. Die meisten Fragen kommen von der Polizei, die | |
Informationen der Geheimdienste nutzen will. Aber auch der | |
Verfassungsschutz profitiere, betonte dessen Präsident Hans-Georg Maaßen, | |
„so sehen wir, welche Informationen der Bundesnachrichtendienst hat“. | |
Allerdings wurde bislang mit Hilfe der Anti-Terror-Datei kein Terrorist | |
entdeckt und kein Anschlag verhindert. „Ganz so einfach ist das nicht“, | |
betonte Minister Friedrich. Hauptvorteil sei die verbesserte Kommunikation | |
zwischen den Behörden. | |
## Routinierter Dateirundlauf | |
Viele Anfragen an die Anti-Terror-Datei haben ihren Ursprung in | |
Auskunftsersuchen von ausländischen Sicherheitsbehörden, die um deutsche | |
Hilfe bitten, berichtete BKA-Chef Ziercke. „Da fragen wir routinemäßig in | |
unserem Dateirundlauf auch die Anti-Terror-Datei ab.“ | |
Geklagt hat Robert Suermann, ein pensionierter Oldenburger Richter. Er | |
warnte: „Diese Datei geht zu weit.“ Für die Aufnahme genüge es, wenn jema… | |
als „Befürworter“ von Gewalt gilt, auch die „Unterstützer von | |
Unterstützern“ des Terrorismus könnten dort erfasst werden, „und auch der… | |
Kontaktpersonen“, kritisiert Suermann. „So können auch ganz unschuldige | |
Personen in der Datei landen.“ | |
Innenminister Friedrich rechtfertigte die Datei: „Die Sicherheit möglichst | |
vieler zu sichern, verlangt manchmal auch, die Rechte einiger | |
einzuschränken.“ Nach wie vor seien islamistische Anschläge in Deutschland | |
„jederzeit möglich“. Die Anti-Terror-Datei sei aber eine „Antwort mit | |
Augenmaß“. Sie führe Informationen nicht generell zusammen, sondern nur, wo | |
dies erforderlich sei. | |
Bisher hat das Bundesverfassungsgericht offen gelassen, ob das Grundgesetz | |
ein Trennungsgebot für Polizei und Geheimdienste enthält. Die Alliierten | |
hatten nach dem Zweiten Weltkrieg eine solche Trennung gefordert, um eine | |
Machtballung wie bei der Gestapo der Nazis künftig zu verhindern. Bisher | |
gilt das Trennungsgebot nur auf Grundlage einfacher Gesetze. | |
Kläger Suermann glaubt, dass das Trennungsgebot durch den | |
Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz verletzt ist, | |
weil die Polizei so an Daten kommt, die sie selbst nicht erheben dürfte. | |
Sollte Karlsruhe ein verfassungsrechtliches Trennungsgebot aufstellen, wäre | |
dies schon ein großer Erfolg für Suermann. Vermutlich würde es sich aber | |
auf eine Trennung der Organisation und der Aufgaben beschränken. | |
Schließlich dürfen Verfassungsschutz und Polizei schon bisher Informationen | |
austauschen. Die Anti-Terror-Datei soll den Informationsfluss nur | |
erleichtern. | |
Vermutlich werden die engagiert und kritisch fragenden Verfassungsrichter | |
aber Detailkorrekturen an der Anti-Terror-Datei fordern. Zum Beispiel | |
könnten sie verbieten, gutgläubige Kontaktpersonen in die Datei | |
aufzunehmen. | |
Das Urteil wird erst in einigen Monaten verkündet. | |
6 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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