# taz.de -- Anti-Terror-Datei vor Gericht: „Uns stört die weite Definition“ | |
> Der grüne Innenpolitiker Wolfgang Wieland fordert mehr Kooperation von | |
> Polizei und Verfassungsschutz. Die Behörden müssten aber getrennt | |
> bleiben. | |
Bild: Bislang auf Papier: Akten zum Terror (soweit sie nicht geschreddert wurde… | |
taz: Herr Wieland, das Bundesverfassungsgericht hat gestern über die | |
gemeinsame Anti-Terror-Datei von Polizei und Verfassungsschutz verhandelt. | |
Waren die Grünen für oder gegen dieses Datei? | |
Wolfgang Wieland: Wir haben 2006 im Bundestag dagegen gestimmt. | |
Vor wenigen Monaten hat der Bundestag zusätzlich eine gemeinsame | |
Neonazi-Datei von Polizei und Verfassungsschutz beschlossen. Haben die | |
Grünen dafür gestimmt? | |
Nein, auch dieses Gesetz haben wir abgelehnt. | |
Zugleich beschweren sich die Grünen, dass der Verfassungsschutz seine | |
Informationen viel zu zögerlich mit der Polizei teilt. Wie passt das | |
zusammen? | |
Wir sind für eine Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei, denn | |
der Verfassungsschutz muss Informationen zur Strafverfolgung liefern und | |
darf keine Straftäter schützen. Auch gemeinsame Dateien lehnen wir nicht | |
rundweg ab, sondern wir haben „so nicht“ gesagt. | |
Was ist Ihre Hauptkritik? | |
Bei der Anti-Terror-Datei, die vor allem auf Islamisten zielt, störte uns | |
zum Beispiel die weite Definition von Terrorismus, es genügt schon die | |
bloße Befürwortung von Gewalt, um in der Datei zu landen. | |
Bei der Neonazi-Datei sind die Kriterien aber strenger … | |
Stimmt. Hier wird zumindest verlangt, dass jemand zur Gewalt aufruft. Doch | |
die Einschränkung ist nicht viel wert, wenn zugleich die ganze rechte Szene | |
als „Kontaktpersonen“ in der Datei landet. | |
Die NSU-Terroristen haben beim Untertauchen auch Hilfe von Leuten bekommen, | |
die selbst nicht gewaltbereit waren … | |
Ich will jedenfalls nicht, dass alle Szeneanwälte in einer Terorrismusdatei | |
landen. Das will ich bei linken Anwälten nicht, und deshalb kann es auch | |
bei rechten Anwälten nicht richtig sein. | |
Ist die Trennung von Polizei und Geheimdiensten nicht überholt, wenn selbst | |
die Grünen besseren Informationsfluss fordern? | |
Überhaupt nicht. Deutschland ist gut damit gefahren, dass der | |
Verfassungsschutz niemand festnehmen und durchsuchen darf. Das soll so | |
bleiben. Aber an mehr Kooperation führt kein Weg vorbei. Das hat die | |
NSU-Mordserie gezeigt, wo der Verfassungsschutz zahlreiche Hinweise auf den | |
Aufenthalt des untergetauchten Nazi-Trios hatte, die Relevanz aber selbst | |
nicht erkannte und die Informationen nicht an die Polizei weitergab. | |
Wenn der Verfassungsschutz immer mehr in die Strafverfolgung eingespannt | |
wird und die Polizei immer mehr im Vorfeld von Straftaten ermittelt – wozu | |
braucht man dann noch unterschiedliche Behörden? | |
Natürlich gibt es stets Reibungsverluste, wenn getrennte Behörden | |
zusammenarbeiten. Aber wenn es keinen Verfassungsschutz gäbe, dann würde | |
sich die Polizei im Vorfeld von Straftaten noch mit viel mehr Legitimation | |
als heute tummeln. Dann hätten wir eine Geheimpolizei par excellence. Das | |
kann doch niemand wollen. | |
Ist die Beibehaltung des Verfassungsschutzes also eine bürgerrechtliche | |
Forderung? | |
Die Aufteilung in Polizei und Verfassungsschutz dient der Machtbalance und | |
ist vor allem vernünftig. | |
7 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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