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# taz.de -- Anti-Tracking-Möglichkeiten im Netz: Riesiger Schatten, halb Bär,…
> Wie findet man heraus, mit welchem Dienst man am besten Tracking
> verhindert? Ein Selbstversuch in ungezählten Akten. Aber es gibt ein
> Ergebnis.
Bild: Argh.
BERLIN taz | Ich sitze seit vier Stunden vor dem Rechner, ich will etwas
über [1][Me and my shadow] schreiben, eine Plattform zur Förderung des
Datenschutzbewusstseins. Auf der Seite gibt man ein, welche Endgeräte,
Dienste und Betriebsplattformen man nutzt, und die Seite sagt einem dann,
wo man welche Daten losgeworden ist. Das wird dann visualisiert, als
digitaler Schatten. Das ist doch mal was, womit man arbeiten kann.
Bei mir ist es ein riesiger Schatten, halb Bär, halb Hund. Eigentlich sieht
er ganz nett aus, wie aus einem Kinderbuch, für – sagen wir – Neunjährige.
Im Begleittext würde dann stehen: Das hier ist dein digitaler Schatten. Das
sind die Rückstände deines digitalen Lebens, jene Daten, die Du hinterlässt
und die die Lumpensammler einsammeln, um dich zu vermessen.
Also: dachte ich. Soweit ich das richtig sehe, weiß die Seite gar nicht
genau, welche Daten ich hergebe, sondern rät sie bloß. Aber nach welchem
Muster? Das sagt sie mir nicht. Warum, weiß ich nicht. Müsste ich aber
wissen, wenn ich darüber schreibe. Wenn ich das nicht verstehe, wie soll
das ein Leser verstehen, der in drei Minuten diesen Artikel überfliegt und
sich auch sonst nicht mehr als es die Krankenkasse empfiehlt mit dem Thema
auseinandergesetzt hat?
Irgendwo weiter unten, am letzten Ende der Seite, steht, das sei eine
closed beta Version. Noch nicht ganz fertig also. Aber Hauptsache, man hat
mal sensibilisiert für die ganzen Datenkollekte. Wer seine Daten wahllos
verteilt, hat so nen Schatten. Ich könnte jetzt aufschreiben, dass das Ding
nett gemacht ist und eventuell ein paar weniger netzaffine Leute anspricht,
sich mit dem Thema Datenschutz zu befassen. Allerdings hab ich den
Eindruck, dass sich weniger netzaffine Leute fast nur noch mit dem Thema
Datenschutz befassen. Und andererseits: Wenn sie da ein Tool-Problem haben,
werde ich nicht dafür bezahlt, ihnen zu helfen, das Problem zu lösen? Falls
sie es gelöst haben wollen.
Es ist halb zwölf, ich habe mehr Browsertabs offen als Gehirnzellen in
Betrieb. Ich dachte, ich seh mich mal um, was es so für
Antitracking-Add-Ons gibt, ich bin noch nicht einmal auf Seite vier der
ersten Googlesuche und weiß: biblisch viele. Mehr, als Abraham Nachfahren
hat. Und ich rede hier nur von Firefox.
## Eine angeschmolzene Eisblume
Was ich immerhin herausfinden konnte: Viel cooler als Me and my shadow ist
[2][Collusion], das mir in einem sehr hübschen Diagramm aufmalt, auf
welchen Seiten ich schon war und wer da an andere Seiten Daten verschickt.
Meine kleine Animation sieht inzwischen aus wie eine angeschmolzene
Eisblume hinter einem umgedrehten Fernrohr. Zeit für ein paar Runden
Solitär, diesem Beruhigungsschaukeln derjenigen, die den ganzen Tag am
Rechner sitzen.
Was ich auch gelernt zu haben glaube: Für Firefox taugen vor allem
[3][Ghostery], [4][Adblock Plus] und [5][NoScript]. Ghostery nutze ich
schon seit langem, das blockt Scripte, sobald man es ihm sagt. Adblock soll
ähnlich gut funktionieren. NoScript dagegen, dieser Jens Jeremies der
Trackingtackler, haut erstmal alles um und sagt dann, wenn man das nicht
wollte: Oh, sorry. Passiert.
Es gibt, stelle ich anschließend fest, noch einen Haufen anderer Dienste,
zum Beispiel [6][privacyscore], das selbst Google Analytics nutzt und
deswegen ungefähr so glaubhaft ist wie ein schlachthausbesitzender
Tierschützer. [7][Panopticlick] weiß, wie groß mein Bildschirm ist, welche
Plugins ich verwende und über welche Schriftarten ich verfüge. Na gut,
denke ich, dann nehmt dies, Datenkraken! Danach [8][Sharemenot] und
[9][Trackmenot] ausprobiert und den Unterschied nicht verstanden; kurz
darauf, beim Versuch, dieses Manko zu beheben, knapp vor der
Gehirnkernschmelze aufgehört; duschen gegangen.
## Irgendwer muss mir helfen
Inzwischen ist es halb drei, kein Nutzer, der ein Interesse daran hat,
seinen Job zu behalten, wird sich so lange mit Antitracking-Methoden
aufhalten. Irgendwer muss mir helfen. Ich schreibe einige mir bekannte
Programmierer an, ob sie Übersichtsseiten kennen, Blogs, die das
evaluieren, irgendeine Brotkrumenspur durch diesen verdammten Märchenwald
kennen. Aufgeschlüsselt nach Browser, verständlich geschrieben, mit einer
klaren pro-contra-Kante. Ja, es suchen einen Zentralisierungsfantasien
heim, wenn man sich mit Selbstermächtigung im Internet beschäftigt.
Der erste antwortet recht schnell, er ist im Urlaub: Du kannst Fragen
stellen, sagt er, nimm halt Ghostery, NoScript ist dir eh zu kompliziert.
Klassische Programmiererantwort, denke ich, im Grunde sind das die Juristen
unserer Zeit: Man stellt ihnen eine Frage, und sie verstehen nicht, dass
man nicht verstehst, was sie schon verstanden haben. Dann macht man ihnen
genau das verständlich, sie erklären es einem, und nach einer Stunde hat
man es auch tatsächlich verstanden – außer man kommt auf die Idee, noch
einen Programmierer zu fragen, dann gilt der Satz: Zwei Programmierer, drei
Lösungen. Mr. Lessing, can you hear me: Code is no poetry at all, code ist
law. Und das Internet ist ein Schloß.
Wer mir das vielleicht erklären könnte, wäre der Bundesbeauftragte für
Datenschutz. Wer, wenn nicht er, müsste einem da weiterhelfen können? Ich
rufe also da an, in Bonn, und schildere mein Problem: Ich bräuchte entweder
eine differenzierte Aufstellung von Antitracking-Werkzeugen, einen
Experten, der sich damit schonmal beschäftigt hat oder mindestens jemanden,
der jemanden weiß, der etwas Nennenswertes zu dem Thema erzählen könnte.
Der Mann am anderen Ende der Leitung stutzt, dann sagt er: „Sie sind hier
aber beim Datenschutz, das wissen Sie doch schon, ne?“ Ich frage, ob sich
der Datenschutz nicht mit sowas beschäftigt; er gibt mir eine Durchwahl und
antwotet: „Ich leite Sie dann mal weiter.“ Es ist besetzt; als nicht mehr
besetzt ist, geht keiner mehr ran. Am nächsten Morgen wird mir die
Pressesprecherin empfehlen, es mit den Datenschutzbeauftragten in NRW und
Schleswig-Holstein zu versuchen – die Zentralisierungsfantasien kippen ins
Postkommunistische.
## Nimm halt Ghostery
Zwischendurch trudeln weitere Mails bekannter und befreundeter
Programmierer und Auskenner ein, alle sagen sie den einen Satz: Nimm halt
Ghostery, stell Dich nicht so an. Es ist siebzehn Uhr. Gut, na dann, nehm
ich halt Ghostery, inzwischen seh ich ja auch so aus.
Als ich den Artikel abschicken will, ruft mich ein Mitarbeiter des
Datenschutzbeauftragten Schleswig-Holstein an; ja, sagt er, Ghostery sei
der wahrscheinlich brauchbarste Dienst, verhindere aber kein
Flash-Tracking, leider. Das könne man aber mit
[10][//addons.mozilla.org/en-US/firefox/addon/betterprivacy/:betterprivacy]
beheben. Also sei die Kombination aus Ghostery und betterprivacy ideal? Ja,
das sei empfehlenswert. Ich warte auf den Haken, und siehe da: Das heißt,
so lange an betterprivacy weitergearbeitet würde, die Entwicklung könne
durchaus zwischendrin mal eingestellt werden. Möglicherweise.
Schön, denke ich, immerhin. Kann ich den nächsten Artikel direkt für in
sechs Monaten anfragen.
24 May 2012
## LINKS
[1] http://myshadow.org
[2] http://www.mozilla.org/en-US/collusion
[3] http://addons.mozilla.org/de/firefox/addon/ghostery/
[4] http://adblockplus.org/de/subscriptions
[5] http://addons.mozilla.org/de/firefox/addon/noscript/
[6] http://privacyscore.com
[7] http://panopticlick.eff.org/
[8] http://addons.mozilla.org/de/firefox/addon/sharemenot/
[9] http://addons.mozilla.org/de/firefox/addon/trackmenot/
[10] http://https
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
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