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# taz.de -- Tracking im Netz: „Gelebter Grundrechtsschutz“
> Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein,
> über neue Werbeverfahren im Internet. Und die Frage, ob Europa ein
> Vorbild für die USA werden könnte.
Bild: Wo sind die Nutzer und was treiben sie?
taz.de: Herr Weichert, gerade hat das soziale Netzwerk Facebook seinen
lange erwarteten Börsengang hinter sich gebracht. Gründer Mark Zuckerberg,
der einen Teil seiner Anteilsscheine verkaufte, wurde zum Milliardär.
Gingen da letztlich auch unser aller Daten an die Börse?
Thilo Weichert: Absolut. Das Problem für die Aktionäre ist, dass nach
europäischem und deutschem Verständnis personenbezogene Daten zuerst einmal
den Betroffenen gehören. Das bedeutet: Wenn wir uns als Nutzer unsere
informationelle Selbstbestimmung wieder zurückholen, dann haben Facebook
und seine Aktionäre ein Problem.
Sie selbst und ihre deutschen Datenschützer-Kollegen haben Facebook immer
wieder gemahnt, sensibler mit persönlichen Informationen umzugehen. Ist
abzusehen, dass das tatsächlich eines Tages passiert?
Nicht wirklich. Seit knapp einem Jahr steht Facebook intensiv in der
öffentlichen Kritik der Datenschützer – geändert hat sich fast nichts.
Facebook kommuniziert immer äußerst freundlich und scheinbar
verständnisvoll. Dies ist aber nach meiner Einschätzung nur eine
Hinhaltetaktik, um das Geschäftsmodell, das auf Datenschutzverstößen
basiert, so lange wie möglich weiterführen zu können.
Das Grundkonzept von Facebook ist ja, dem bislang zumeist anonymen Netz
Identitätsdaten hinzuzufügen. Der soziale Aspekt habe im Internet stets
gefehlt, meint Mark Zuckerberg. Wie lange dauert es noch, bis diese Firmen
wirklich alle Surfdaten mit Namen versehen und genaue Dossiers anlegen?
Oder sind diese in den Rechenzentren längst vorhanden?
Das Soziale war im Internet von Anfang an vorhanden – bei E-Mail, Blogs und
geschlossenen Nutzergruppen. Neu ist, dass Facebook einen Weg gefunden hat,
damit ein großes Geschäft zu machen. Die Personifizierung der Profile
einschließlich detaillierter Nutzungsdaten ist bei Facebbok mit seiner
Klarnamenpolicy am weitesten fortgeschritten. Aber auch Google verfolgt
diese Strategie, spätestens, seit das Unternehmen sich selbst die Erlaubnis
gegeben hat, anwendungsübergreifend Profile zusammenzuführen, wobei
identifizierende Anwendungen einbezogen sind. Das Ziel der beiden
Unternehmen ist aber nicht, bösartig die Menschen zu traktieren. Es geht um
etwas viel Banaleres: deren maximale ökonomische Ausbeutung – egal, welche
Konsequenzen das für die betroffenen Menschen hat.
Sie haben es angesprochen - auch Google wirft immer mehr Informationen
zusammen. Dabei vertrauen viele Menschen der Suchmaske ihre intimsten
Wünsche an. Wie geschützt sind diese Daten?
Keinen Deut besser als bei Facebook. Google versteckt sich derzeit in der
öffentlichen Diskussion geschickt hinter Facebook, verfolgt aber mit
Google+ im Prinzip das gleiche Geschäftsmodell. Mit der Suchanalyse hat
Google zudem einen weiteren, mindestens ebenso sensiblen Zugang zu
innersten Vorgängen der User. Die Daten befinden sich bei Google wie bei
Facebook in den USA und damit dort, wo es kein wirksames Datenschutzrecht
gibt.
Der neueste Trend im Netz sind universelle Tracking-Verfahren, bei denen
Werbung Nutzer quasi durch das halbe Netz verfolgt – schließlich sind große
Werbedienstleister auf immer mehr Seiten vertreten. Haben die deutschen
Datenschützer solche Dinge bereits auf dem Radar?
Wir haben das Tracking schon seit Jahren auf unserem Radar. In der
europäischen E-Privacy-Richtlinie gibt es darauf unsere Antwort – die eine
Einwilligung fordert beim Setzen von Werbe-Cookies. Da diese Richtlinie
nicht wirklich vollzogen wurde und wird, hat das Tracking tatsächlich in
der jüngsten Zeit eine Dimension gewonnen, die selbst US-Politikern zu weit
geht. Aber auch deren aktuelle Initiativen sind halbherzig und kein
wirksames Gegenmittel.
Manchmal hat man das Gefühl, die Netzfirmen lachten über den europäischen
Datenschutz. Die von Ihnen angesprochene Cookie-Regulieren ist ein
Beispiel. Fehlt es an pragmatischeren Lösungen?
Das erlebe ich anders: Als ich vor einigen Wochen in Washington war, hatte
ich den Eindruck, dass die USA auf unsere europäische Initiative für eine
Datenschutz-Grundverordnung starren wie das Kaninchen auf die Schlange. Sie
befürchten, dass Europa dann mit dem Datenschutz wirklich ernst macht. Es
geht nicht um Pragmatik, sondern um den effektiven Abbau des bestehenden
Vollzugsdefizits, also um gelebten, nicht um versprochenen
Grundrechtsschutz.
Nachdem Facebook einräumen musste, dass Surfdaten mitgeschrieben werden, wo
immer ein „Like“-Knopf im Web auftaucht, hat nun auch Twitter eingeräumt,
dass man trackt, wo Nutzer sich im Web tummeln. Haben Sie oder Ihre
Kollegen den Kurznachrichtendienst bereits angeschrieben?
Nein. Mit unseren begrenzten Ressourcen müssen wir uns der schlimmsten
Auswüchse annehmen. Anders als Facebook bietet Twitter den Nutzern an, sich
gemäß der sogenannten „Do not track“-Intiative durch entsprechende
Browser-Einstellungen der Profilerstellung zu entziehen. Das ist besser als
nichts, aber dennoch nach europäischem Datenschutzrecht ungenügend.
Browser sollen mit der „Do not Track“-Technik Nutzern künftig erlauben, den
Internet-Firmen zu signalisieren, dass sie nicht überwacht werden wollen.
Ist das ein Ansatz? Oder hilft das freiwillige Modell nicht?
Anders als die Federal Trade Commission in den USA glauben wir nicht, dass
mit „Do not Track“ den Internet-Usern ihre Souveränität zurückgegeben
werden kann. Wir wissen in Europa, dass der Selbstregulierungsansatz allein
nicht funktioniert. Deshalb habe ich auch große Hoffnungen hinsichtlich
einer europäischen Regulierung, wenn diese zugleich mit einer massiven
Verbesserung beim Gesetzesvollzug verbunden wird.
29 May 2012
## AUTOREN
Ben Schwan
## TAGS
taz.de
Werbung
Datenschutz
Schwerpunkt Überwachung
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