# taz.de -- Werber tracken iPhone-Nutzer: Ganz neue Sicherheitsalbträume | |
> Apple unterbindet seit geraumer Zeit eine Möglichkeit, Nutzer seiner | |
> Mobilgeräte zu Marketingzwecken zu verfolgen. Die Reklameindustrie hat | |
> bereits Alternativen. | |
Bild: Apple-Nutzer sehen alt aus. | |
BERLIN taz | Es war höchst bedenklich: Bis zum letzten Sommer konnten | |
Entwickler mobiler Apps ungestraft eine Identifikationsnummer („Unique | |
Device Identifier“, kurz UDID) bei iPhone und iPad erfassen, die sich | |
weltweit eindeutig zuordnen ließ. | |
Das interessierte insbesondere Werbetreibende: Die konnten so die | |
Aktivitäten einzelner User verfolgen, auch wenn diese einmal die Anwendung | |
wechselten. Solange der gleiche Reklamedienstleister in den Apps verwendet | |
wurde, war es potenziell möglich, dass Werber erfuhren, dass sich der | |
Nutzer für Finanz-Apps ebenso interessierte wie für Actionspiele oder einen | |
Schwangerschaftskalender. | |
Und auch die Autoren der Apps hatten so eine nahezu perfekte | |
Trackingmöglichkeit, wie ihre Programme verwendet wurden – jeder | |
individuelle Nutzer ließ sich wiedererkennen. Dieser wusste entweder nichts | |
davon oder konnte sich nicht wehren: UDIDs waren und sind nicht löschbar. | |
Im letzten August wurde es Apple nach Kritik von Datenschützern dann zu | |
viel: Das Unternehmen kündigte gegenüber seiner Entwicklergemeinde an, die | |
Verwendung von UDIDs sehr bald zu verbieten. Danach vergingen noch einige | |
Monate Gnadenfrist, bevor der Computerkonzern im Frühjahr damit begann, | |
erste Anwendungen zurückzuweisen, die die Technik dennoch verwendeten. | |
## Wo Odin identifiziert | |
Programmierern einiger werbefinanzierter Apps schmeckte das ebenso wenig | |
wie diversen Anbietern mobiler Reklame. Sie fürchten, durch ein | |
„schlechteres“ Nutzertracking gegebenenfalls Millionen von Dollar an | |
Einnahmen zu verlieren. | |
Seit Bekanntgabe von Apples Absichten arbeiten mehrere Initiativen deshalb | |
fieberhaft daran, die UDID zu ersetzen – mit Ideen, die nicht mehr von den | |
Möglichkeiten abhängen, die das iPhone- und iPad-Betriebssystem offiziell | |
lässt. Mittlerweile sind hier erste „Erfolge“ zu verzeichnen, die | |
Privatsphärenaktivisten in den nächsten Monaten noch hellhörig werden | |
lassen dürften. | |
Einer der Ansätze nennt sich „Open Device Identification Number“, kurz | |
ODIN. Er versucht, eine eindeutige Identifikationsnummer aus der | |
eingebauten Netzwerkhardware des Geräts zu erzeugen, der sogenannten | |
MAC-Adresse. Eine zweite UDID-Alternative hört auf den Namen „OpenUDID“ und | |
scheint besonders schlau gedacht: Sie benutzt die in iPad und iPhone | |
eingebaute Copy & Paste-Funktion, um Daten abzuspeichern und unter Apps | |
auszutauschen. | |
Die Idee dabei scheint zu sein, dass sich durch ODIN oder OpenUDID die | |
bisher verwendete UDID nahtlos ersetzen lässt – UDID-Abfrage raus, | |
Alternativtechnik rein. | |
## Vom Regen in die Traufe | |
Für Nutzer könnten die Bemühungen bedeuten, dass sie vom Regen in die | |
Traufe kommen. So muss bei ODIN unbedingt sichergestellt werden, dass sich | |
die MAC-Adresse, aus der die neue Identifikationsnummer gebildet wird, | |
nicht zurückrechnen lässt. | |
Sollte das doch der Fall sein, ergeben sich ganz neue Sicherheitsalbträume: | |
Da die MAC-Adresse etwa weitergegeben wird, wenn man sich an einem freien | |
WLAN-Hotspot anmeldet, ist sie durch Dritte noch leichter zu ermitteln als | |
die UDID. Würde sich der kommerzielle Betreiber eines WLAN-Hotspot-Netzes | |
etwa mit einem App-Werber zusammentun, könnten diese zusammen dann neben | |
der App-Nutzung auch gleich noch die Web-Aktivitäten tracken. | |
Zudem lässt sich die Mac-Adresse standardmäßig weder löschen noch wechseln | |
– wie die UDID ist sie also für Otto Normalnutzer auf immer und ewig | |
eindeutig. OpenUDID, der „Copy & Paste“-Hack, erlaubt zumindest potenziell | |
ein Opt-out, der Nutzer könnte die ID also löschen. Parallel ergibt sich | |
aber die Gefahr des sogenannten Data Leakage. Dabei würden Apps | |
untereinander die Identifikationsnummer austauschen, die es eigentlich | |
nicht dürften. | |
Wie man die Sache also auch dreht und wendet: Nur Nachteile für die Nutzer. | |
Die beste Lösung wäre vermutlich, App-Entwickler und Mobilwerber würden die | |
datenschutzrechtlich höchst problematische Trackerei schlicht aufgeben. | |
Doch das wollen sie natürlich nicht – bis die Datenschützer durchgreifen, | |
wie sie es bereits bei Web-Cookies andenken, die man viel leichter los | |
wird. | |
Und was sagen die Werbekunden? Die wissen oft nur am Rande, was ihre | |
Partner da anstellen, berichtete kürzlich das Wall Street Journal, freuen | |
sich aber natürlich über genauere Daten. Die zwischengeschalteten | |
Mediaagenturen und Reklamedienstleister kümmern sich um UDID und Konsorten. | |
10 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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