# taz.de -- Stromnetzausbau teurer als gedacht: Energiewende kostet 50 Milliard… | |
> Mehr neue Stromtrassen, eine Verstärkung der bisherigen Leitungen und der | |
> Anschluss der Offshore-Windparks lassen die Kosten des Netzausbaus | |
> drastisch steigen. | |
Bild: Es heißt, Deutschland braucht stabile Stromautobahnen, aber viele Anwohn… | |
BERLIN taz | Der Bedarf an neuen Stromtrassen für die Energiewende geht | |
deutlich über bisherige Schätzungen hinaus. In den kommenden zehn Jahren | |
seien 3.800 Kilometer neue Höchstspannungsleitungen nötig, verkündeten die | |
vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber gestern in Berlin. Noch mehr | |
schießen die Kostenschätzungen über die bisherigen Annahmen hinaus. Statt | |
von zunächst 9 Milliarden Euro ist jetzt von bis zu 59 Milliarden die Rede. | |
Die sogenannte Dena-Netzstudie II war vor anderthalb Jahren noch von einem | |
Bedarf von 3.600 Kilometern neuen Stromtrassen ausgegangen, sah aber keine | |
Aufrüstung von bestehenden Trassen vor. Nach dem neuen Netzentwicklungsplan | |
der Betreibergesellschaften werden nicht nur mehr neue Leitungen gebraucht, | |
sondern es müssen zusätzlich 5.400 Kilometer alte Trassen „optimiert“ | |
werden. | |
An bestehende Masten werden dabei leistungsfähigere Kabel gehängt, durch | |
die mehr Strom fließen kann. Solche Verstärkungen sehen Anwohner gewöhnlich | |
weniger kritisch als komplett neue Masten, obwohl mit der Strommenge in den | |
leistungsfähigeren Kabeln auch die Belastung durch elektromagnetische | |
Felder steigt. Doch eine Aufrüstung in solch großem Maßstab ist neu und | |
könnte zu neuen Konflikten führen. | |
## Bis 2020 müssen neue Stromautobahnen her | |
Das bisherige Netz weist Engpässe auf, weil neue Windkraftwerke vor allem | |
in Norddeutschland gebaut werden und der Strom in die Industriezentren im | |
Süden und Westen der Republik transportiert werden muss. Wo bis 2022 neue | |
Stromautobahnen gebraucht werden, fassten die Netzbetreiber im | |
Netzentwicklungsplan zusammen, den sie gestern bei einer ersten | |
Bürgeranhörung in Berlin vorstellten. | |
Durch den bisher unterschätzten Optimierungsbedarf des bestehenden Netzes | |
verdoppeln sich gegenüber der Dena-Studie die Kosten für das | |
Übertragungsnetz bis 2022 von 9 auf 20 Milliarden Euro. „Das sind 5 bis 10 | |
Prozent der Kosten für die gesamte Energiewende“, beruhigt Boris Schucht, | |
Geschäftsführer von 50Hertz Transmission. Hinzu kommen allerdings noch | |
Kosten für den Netzanschluss von Offshore-Windparks in Höhe von 12 | |
Milliarden Euro. Für das sogenannte Verteilnetz im ländlichen Raum werden | |
nach Schätzungen des Branchenverbandes BDEW weitere Investitionen von 10 | |
bis 27 Milliarden Euro fällig. | |
## Erst Leitungen an-, dann AKWs abstellen | |
Die Hauptschlagadern der Nord-Süd-Verbindungen werden mehrere hundert | |
Kilometer lange Gleichspannungsleitungen sein, die besonders viel Strom | |
transportieren können. Diese Leitungen zur | |
Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) führen im Süden zu den | |
Standorten von Atomkraftwerken, beispielsweise Philippsburg und | |
Grafenrheinfeld. Bis 2017, spätestens 2019, wenn die nächsten | |
Atomkraftwerke abgeschaltet werden, wollen die Netzbetreiber möglichst | |
viele Leitungen fertig haben. „Sonst bekommen wir ein ernstzunehmendes | |
Problem im Süden“, warnt Klaus Kleinekorte, Geschäftsführer des | |
Netzbetreibers Amprion. | |
Bisher dauerte allerdings allein die Planung zehn Jahre, der Bau ein | |
weiteres Jahr. Mit neuen gesetzlichen Regelungen hoffen die Netzbetreiber | |
die Genehmigungszeiten zu halbieren. | |
## Nicht alle Anwohner freuen sich über neue Trassen | |
Wie schnell die tausende Kilometer Leitungen gebaut werden, hängt nicht | |
zuletzt von der Akzeptanz der Anwohner ab. „Wir werden auf die Gesellschaft | |
zugehen, damit erkannt wird, dass Netzausbau und Energiewende untrennbar | |
zusammenhängen“, kündigte Martin Fuchs an, Geschäftsführer von Tennet. | |
Bisher sind bereits 1.000 Kilometer neue Trassen in Bau oder geplant. | |
Anwohner protestieren dagegen teils heftig. | |
Zum Netzentwicklungsplan können die Bürger bis 10. Juli Stellung nehmen. Am | |
Ende stehen ungefähre Trassenverläufe, über deren Notwendigkeit der | |
Bundestag bis Ende des Jahres abstimmt. An welchen Kommunen die neuen | |
Trassen genau verlaufen sollen, werden die Bundesnetzagentur und die | |
Bundesländer ab 2013 festlegen. | |
30 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Manuel Berkel | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
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