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# taz.de -- Linke diskutiert Drohnen-Tötungen: Enthemmtes Töten per Joystick?
> US-Drohnen haben bisher mehr als 2.000 Menschen getötet, obwohl oft wenig
> über die Opfer bekannt war. Im Krieg könne dies aber legitim sein, sagen
> Experten.
Bild: US-amerikanische Predator-Drohne mit Luft-Boden-Raketen in Afghanistan.
FREIBURG taz | Das Timing war ideal, wenn auch zufällig. Die Linken im
Bundestag luden zu ihrer Anhörung über „gezielte Tötungen“ gerade zu ein…
Zeit, in der die USA ihren Drohnenkrieg in Jemen und Pakistan
intensivieren. Auch seit bekannt wurde, dass US-Präsident Barack Obama über
jede Liquidierung persönlich entscheidet, steht diese Art der Kriegsführung
wieder im Blickpunkt.
„Das gehört doch alles verboten“, erklärte Annette Groth, die
menschenrechtliche Sprecherin der Linken, am Montag im Bundestag. Doch die
Gäste, die die Fraktion zu ihrem Fachgespräch eingeladen hatten, sahen dies
deutlich differenzierter.
Der Schweizer Nils Melzer war 12 Jahre lang Rechtsberater beim Roten Kreuz,
arbeitet jetzt am Kompetenzzentrum Menschenrechte der Uni Zürich und gilt
in Europa als wichtigster Experte für Rechtsfragen „gezielter Tötungen“. …
stellte klar. „Das gezielte Töten von gegnerischen Kämpfern ist typisch für
einen bewaffneten Konflikt und völkerrechtlich zulässig“.
Seit 2002 haben die USA nach Expertenschätzungen in Pakistan, Afghanistan,
im Jemen und Somalia rund 2.200 Taliban, Al-Qaida-Kämpfer und Angehörige
verbündeter Gruppen gezielt getötet. Sie werden in der Regel mit Hilfe von
Spitzeln identifiziert, mit den Kameras ferngesteuerter Drohnen
(unbemannten Flugobjekten) erkannt und mit Lenkraketen getötet.
Teilweise kennt die USA dabei nicht einmal die Namen der Personen, die
gezielt getötet werden und hat nur Indizien, dass diese in bewaffnete
Aktionen verwickelt sind. Melzer hält auch das noch für zulässig. „Es ist
im Krieg normal, dass man den Namen des getöteten gegnerischen Soldaten
nicht kennt“.
## Viele offene Fragen
Für die USA ist das Konzept der „targeted killings“ attraktiv. Es ist
billiger als der Einsatz von Bodentruppen, gefährdet keine eigene Soldaten
und trifft angeblich sogar weniger Zivilisten. Doch wann liegt ein
„bewaffneter Konflikt“ vor, in dem gezielte Tötungen zulässig sind? Und
wann geht es nur um die Abwehr und Verfolgung terroristischer Kriminalität,
bei der eine vorsorgliche Tötung selbstverständlich ausgeschlossen ist?
Während sich die USA gegen al-Qaida auf ein völkerrechtliches
Selbstverteidigungsrecht berufen, lehnen europäische Juristen dieses
Konzept in der Regel ab. „Die Auseinandersetzung mit Terroristen ist kein
bewaffneter Konflikt“, betonte etwa Andreas Schüller vom European Center
for Constitutional and Human Rights.
Melzer hält den Streit, ob ein bewaffneter Konflikt mit al-Qaida vorliegt,
inzwischen für „müßig“. Er kritisierte die USA, indem er die immanenten
rechtlichen Grenzen "gezielter Tötungen" betont. „Wenn eine Festnahme
möglich ist, darf die Zielperson nicht getötet werden“, so Melzer im
Bundestag, „und wenn soviele Spitzel am Boden zur Verfügung stehen, frage
ich mich, warum nicht viel öfter eine Verhaftung möglich ist.“
Außerdem geht ihm die Annahme der CIA zu weit, dass Begleitpersonen über 18
Jahren grundsätzlich als Kämpfer und nicht als geschützte Zivilisten
gelten. Vor allem aber kritisierte er, dass die USA nicht offenlegen, nach
welchen Kriterien sie gezielte Tötungen anordnen.
## Das entfesselte Militär
Andreas Schüller warnte vor einem Paradigmenwechsel. Obama bringe zwar
keine neuen Gefangenen nach Guantanamo und lehne Foltermethoden ab. Dafür
habe er schon mehr Menschen zur gezielten Tötung freigegeben, als sein
Vorgänger George Bush in Guantanamo internierte.
Norman Paech, emeritierter Völkerrechtler und Ex-Abgeordneter der Linken,
lehnt gezielte Tötungen ab, weil die Zahl der getöten Zivilisten dabei
unverhältnismäßig hoch sei. Außerdem senke die neue Methode der
Kriegsführung per Computerjoystick die „Hemmschwelle“ und „entfessele“…
Militär.
Wolfgang Heinz vom Deutschen Institut für Menschenrechte riet der
Bundesregierung zu solchen Methoden „größtmögliche Distanz“ zu halten. Z…
betont die Regierung bisher, die Bundeswehr führe keine gezielten Tötungen
durch. Auch die Lieferung von Informationen für Capture/Kill-Listen stehe
unter dem Vorbehalt, dass sie nur für Festnahmen, nicht für Tötungen
benutzt werden dürfen. Norman Paech stellte jedoch in Frage, ob man sich
auf solche Zusicherungen verlassen kann. „Das wären ja dann für die USA
nutzlose Informationen“.
5 Jun 2012
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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