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# taz.de -- Debatte Kampfdrohnen: Waffen sind nicht ethisch neutral
> Um den Kauf von Kampfdrohnen zu verteidigen, tut Innenminister de
> Maizière so, als wären Waffen an sich neutral. Doch die Geschichte
> spricht gegen ihn.
Bild: Ominöses Waffensystem.
Der Verteidigungsminister will die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen
ausstatten. Nach langem Zögern hat de Maizière nun auch öffentlich
dargelegt, warum er den Einsatz solcher Kampfdrohnen für sinnvoll hält.
Bewaffnete Drohnen seien besser, weil zielgenauer und zum Schutz von
Soldaten im Feld unerlässlich, so der Minister.
Über diese Argumente lässt sich trefflich streiten. Von großer Ignoranz –
oder schlimmer noch: Arroganz – zeugt allerdings de Maizières Versuch, der
längst überfälligen Debatte den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er das
Vorhaben bagatellisiert. Der Einsatz einer bewaffneten Drohne sei nichts
Neues und unterscheide sich nicht vom Einsatz etwa einer Pistole. „Ethisch
ist eine Waffe stets als neutral zu betrachten“, so der Minister.
Diese Sichtweise, dass die Legitimität und Legalität von Waffen an den
Umständen ihres Einsatzes oder an der moralischen Integrität des Besitzers
gemessen werden sollte, wurde spätestens mit dem Ersten Weltkrieg zu Grabe
getragen. Der Erfinder des Giftgases, Fritz Haber, versuchte damals noch zu
argumentieren, der Einsatz von Chemiewaffen sei „eine höhere Form des
Tötens“. Schließlich müssten die Opfer weniger leiden, als wenn sie durch
Säbel, Patronen oder Granaten verstümmelt würden.
Angesichts des tatsächlichen Leidens Hunderttausender Chemiewaffenopfer
setzte sich Haber nicht durch. Der Einsatz von Giftgas wurde 1925 geächtet,
1993 wurden Chemiewaffen verboten. Obwohl Syrien dem
Chemiewaffenübereinkommen nie beigetreten ist, bietet diese umfassende
Ächtung heute eine wichtige Grundlage, um Baschar al-Assad von einem
Giftgaseinsatz abzuhalten. „Ethisch neutral“ sind Chemiewaffen heute zum
Glück nicht mehr.
Andere Waffen wurden in der Folge ebenfalls geächtet. Unter anderem sind
Einsatz und Besitz von biologischen Waffen, Dumdum-Geschossen, Blend- und
Brandwaffen heute tabuisiert. Bei Streubomben und Antipersonenminen
befinden wir uns auf dem Weg zu einer umfassenden Ächtung. Der Minister
hätte also wissen müssen, dass Waffen schon lange nicht mehr ethisch
neutral betrachtet werden.
## De Maizière verniedlicht tote Zivilisten
Damit ist auch offen, inwiefern der Einsatz bewaffneter Drohnen reguliert,
verboten oder geächtet werden sollte. Der Verdacht liegt nahe, dass de
Maizières irreführende Äußerungen nicht aus Unwissenheit, sondern mit
Kalkül erfolgten. Offenbar will das Verteidigungsministerium mit dem
Argument, Kampfdrohnen seien keine neuartigen Waffen, eine ergebnisoffene
und gründliche Abwägung der Vor- und Nachteile eines Einsatzes vermeiden.
„Flugzeuge dürfen Waffen tragen. Warum also sollen unbemannte Flugsysteme
das nicht dürfen? Das erschließt sich mir nicht“, stellt sich de Maizière
selbst dumm.
Dabei liegen die Gründe für eine gründliche Überprüfung der Folgen dieser
neuartigen Militärtechnologie auf der Hand und sind auch der Regierung
bekannt. Sie sind erst im Mai letzten Jahres vom Büro für
Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in einem Bericht
für den Verteidigungsausschuss über den Einsatz unbemannter Systeme
beschrieben worden. Durch die Option, Einsätze ohne Risiko für die Soldaten
durchzuführen, könne „in einer Krise die Konfliktschwelle abgesenkt“
werden. Und das Risiko einer kriegerischen Auseinandersetzung könne durch
unbemannte Systeme steigen, weil diese schwer kontrollierbar seien.
Mit solchen Waffen verbänden sich zudem ethische, völkerrechtliche sowie
rüstungskontrollpolitischen Erwägungen, so das TAB. Mit der Entwicklung hin
zu autonom agierenden und immer kleineren Kampfdrohnen („Mikrodrohnen“)
dürften sich diese Probleme noch verschärfen. Den eindeutigen Trend, dass
die USA immer öfter Kampfdrohnen für die Tötung von Individuen in einer
Vielzahl von Staaten einsetzen und dabei regelmäßig auch Zivilisten töten,
verniedlicht de Maizière als „sehr spezielle Form des Einsatzes“.
Demgegenüber das TAB: „Mit den Trends zur Depersonalisierung und
Automatisierung des Schlachtfelds sind auch dringliche ethische Fragen
bezüglich technischer Systeme als ’moralisch Handelnder‘ aufgeworfen.“ A…
völkerrechtlicher Sicht ist die Beschaffung und der Einsatz von
Kampfdrohnen problematisch. Das TAB empfiehlt unter anderem eine
Überprüfung, ob und inwiefern die Entwicklung, die Beschaffung, der Besitz
und der Einsatz bewaffneter Drohnen mit dem Genfer Protokoll von 1949 zum
Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vereinbar wäre.
## Ächtung aus gutem Grund
Bei einer solchen Überprüfung der Legalität und Legitimität des
militärischen Einsatzes von bewaffneten Drohnen darf es zunächst keine
Rolle spielen, ob verbündete Staaten ebenfalls derartige Waffen einsetzen.
So verzichtet Deutschland aus guten Gründen auch auf Antipersonenminen und
Streumunition, obwohl die USA die entsprechenden Verbote nach wie vor
ablehnen.
Um eine offene Debatte über die geplante Beschaffung von Kampfdrohnen zu
befördern, sollte das Verteidigungsministerium anerkennen, dass der Einsatz
von Kampfdrohnen grundsätzliche Probleme für die deutsche
Sicherheitspolitik aufwirft. In welchen Fällen sind solche Waffen wirklich
notwendig? Wie groß ist die Gefahr, dass Kampfdrohnen in die falschen Hände
geraten? Gegen welche Ziele dürfen unbemannte Waffen auf keinen Fall
eingesetzt werden? Wie viel menschliche Kontrolle ist notwendig? Wie viel
internationale Kontrolle dieser Systeme ist sinnvoll und machbar?
Auf diese Fragen wird es keine einfachen Antworten geben. Sie müssen in der
Öffentlichkeit und im Parlament gründlich und ergebnisoffen diskutiert
werden, und zwar bevor die Bundeswehr neue Kampfdrohnen anschafft. Denn die
Regulierung bereits eingeführter Waffen ist in der Regel ungleich schwerer
als von Systemen, die noch auf dem Beschaffungszettel stehen. Der
Verteidigungsminister wäre gut beraten, gerade die ethische Dimension der
nun beginnenden Diskussion nicht kleinzureden.
9 Aug 2012
## AUTOREN
Oliver Meier
## TAGS
Drohnenkrieg
Schwerpunkt Überwachung
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