# taz.de -- Debatte Urheberrecht: Das Geld von der Gema hat die Nena | |
> Der Streit über neue Veranstaltungstarife wird zur Schlammschlacht | |
> zwischen Gema und Veranstaltern. Bedroht ist die Vielfalt der Clubkultur. | |
Bild: Müssen diese Raver demnächst auf Großveranstaltungen verzichten? | |
Die Debatte über die Urheberrechte verschärft sich. Die Gema plant für den | |
1. Januar 2013 eine Tarifreform, die Musikveranstaltern das Fürchten lehrt. | |
Allen voran der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) verbreitet | |
Endzeitstimmung. Er behauptet, die Reform bringe Gebührenerhöhungen von bis | |
zu 2.000 Prozent für Diskotheken und Musikkneipen. Selbst die als | |
Durchschnitt errechnete Erhöhung um 600 Prozent sei vernichtend, besonders | |
für kleine Bars. | |
Mit der drohenden Schließung von Lokalen, behauptet der Dehoga, ständen | |
Arbeitsplätze auf dem Spiel. Dabei herrschte beim Verband in den letzten | |
Jahren allerorten Optimismus aufgrund des Steuernachlasses für | |
Hotelübernachtungen auf 7 Prozent. Nun behauptet der Dehoga, die Gema | |
missbrauche ihr Monopol. | |
Frank Dostal, stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat der Gema, | |
weist diese Äußerungen zurück. Die Annahme, kleinere Veranstalter müssten | |
mehr zahlen, ist für ihn „absoluter Bullshit“. Im Gespräch mit der taz | |
erklärt er, dass die Reform nicht überrasche, sondern der Vertrag, welcher | |
Tarife für Musikveranstalter festlege, Ende 2012 schlicht auslaufe. Man | |
habe sich über Monate bemüht, mit dem Dehoga über neue Tarife zu verhandeln | |
– vergeblich. | |
## Die Kleinen zahlen sogar weniger | |
„Wir haben einen Tarif veröffentlicht, den wir schon lange anstreben. Der | |
Dehoga blendet aus, dass kleine Kneipen – 60 Prozent unserer | |
Vertragspartner – nach jetzigem Beschluss weniger oder genauso viel zahlen | |
werden wie bisher.“ Die übrigen 40 Prozent seien Großraumdiskotheken. „Von | |
denen wollen wir etwas, das es schon seit über 150 Jahren gibt: 10 Prozent | |
der Bruttoeinnahmen.“ | |
Die Gema beruft sich damit auf die französische Sacem, die 1851 als | |
weltweit erste Verwertungsgesellschaft für Musik mit 350 Mitgliedern | |
gegründet wurde. Dass die Einnahmen den rechtmäßigen Besitzern zukamen, war | |
bei einer solch übersichtlichen Zahl natürlich realistischer als heute. | |
Darin liegt auch die Kernkritik von Veranstaltern wie dem Frankfurter Klaus | |
Bossert. | |
„Wir arbeiten ja regelmäßig mit Künstlern zusammen. Leider profitieren die | |
kaum von der Gema. Wir kritisieren schon seit Langem, dass das Geld, das | |
wir abgeben, nur bei Stars wie Nena landet. Doch nun soll das Ganze auch | |
noch erhöht werden.“ | |
Bossert spricht von der Gema-Vermutung, die davon ausgeht, dass bei jeder | |
Musikveranstaltung Gema-pflichtige Musik gespielt wird, solange dies nicht | |
mit Listen widerlegt wird. Selbst Gema-pflichtige Musik, die | |
stichprobenartig erfasst wird, profitiert häufig nicht, da Aufnahmen | |
menschlich ausgewertet werden und meist nur Titel mit hoher Bekanntheit | |
Ausschüttungen bekommen. | |
## Hilfe zur Selbsthilfe | |
Bossert hat sich daher in Frankfurt mit diversen Clubbetreibern | |
zusammengetan, um einen Verein namens Clubs am Main zu gründen, der sich | |
nach dem Vorbild der Berliner Clubkommission für die Interessen aller | |
Konzertveranstalter einsetzt. An seinem Tisch sitze keiner, der durch die | |
Reform mit Einsparungen rechnen könne. Im Gegenteil: Eine Fläche von 60 | |
Quadratmetern werde neuerdings als 100 Quadratmeter pauschalisiert. | |
„Aber wir fühlen uns auch vom Dehoga nicht repräsentiert. Wir haben den | |
Eindruck, dass der Verband zu wenig von unserem Geschäft und unseren | |
Bedürfnissen versteht, um in unserem Namen verhandeln zu können.“ | |
Die geplanten Veranstaltungstarife werden derzeit noch in einem | |
Schiedsverfahren vor dem Deutschen Marken- und Patentamt geprüft. Ein | |
Richter macht einen Einigungsvorschlag, der zwischen Gema und Dehoga | |
verhandelt werden muss. Klappt das nicht, kommt es zum Prozess. Frank | |
Dostal sieht die Sache noch nicht als beschlossen an, die neuen Tarife | |
entsprächen seinen Wünschen, seien aber verhandelbar. | |
„Nur verhandelt der Dehoga lieber mit der Presse als mit uns. Wir sagen, | |
was wir wollen, genauso wie es Lokführer tun. Werden die dann mit Scheiße | |
beschmissen?“ Leidtragende werden letztlich Freunde des Nachtlebens sein. | |
Oder man tanzt einfach zur ewigen Stille. | |
8 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Fatma Aydemir | |
Fatma Aydemir | |
## TAGS | |
Stadtland | |
Schwerpunkt Urheberrecht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Christine Drews' Roman „Großraumdisco“: Saufen zwischen den Milieus | |
Christine Drews hat einen Coming-of-Age-Roman namens „Großraumdisco“ | |
geschrieben. Den Charme dieser Institutionen des platten Landes hat sie | |
erkannt. | |
Piratenpolitiker zur „Gema-Vermutung“: „Die Gema ist extrem unflexibel“ | |
Wer öffentlich Creative Commons Musik spielen will, hat viel zu tun: Die | |
Gema fordert einen Nachweis über die freie Nutzbarkeit. Der Pirat Christian | |
Hufgard will das ändern. | |
Berliner Musiker „Tapete“: „Gema schränkt meine Freiheit ein“ | |
Auch kleine Musiker können ohne die Gema von ihrer Kunst leben, sagt der | |
Berliner HipHop-Künstler Tapete. Darum sei eine Mitgliedschaft nicht nötig. | |
GEMA klagt wegen Creative-Commons-CD: Gebühren für die „Fisch“-CD | |
Die Gema klagt gegen eine CD der Musikpiraten, die unter Creative Commons | |
lizensiert wurde. Sie will die Klarnamen von zwei Künstlern wissen – oder | |
Gebühren kassieren. | |
Streit um Tarifreform: Demo gegen „GEMAinheiten“ | |
Am Montag abend demonstrierten in Berlin Clubbetreiber, Künstler und | |
Publikum gegen die Gema-Reform. Die neuen Tarife könnten das Aus für viele | |
Clubs bedeuten. | |
Debatte Urheberrecht: Der prekäre Content | |
Die Debatte über das Urheberrecht ist nur ein Symptom. Worum es geht, ist | |
der Wert von Arbeit in der Wissensgesellschaft. Nicht Inhalte werden | |
bezahlt sondern deren Verwaltung. | |
CDU-Politiker schlagen vor: Ein Reförmchen des Urheberrechts | |
Zwei CDU-Abgeordnete haben ein Papier für eine Reform des Urheberrechts | |
vorgestellt. Sie schlagen viele kleine Schritte vor – und lehnen | |
Netzsperren ab. | |
GEMA erhöht die Tarife: Donnerstags geschlossen | |
Musikveranstalter schlagen Alarm: Die neuen GEMA-Tarife ziehen eine | |
Verarmung der Veranstaltungskultur in Deutschland nach sich. Die GEMA nennt | |
ihr neuen Preise „fair“. |