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# taz.de -- Streit um Tarifreform: Demo gegen „GEMAinheiten“
> Am Montag abend demonstrierten in Berlin Clubbetreiber, Künstler und
> Publikum gegen die Gema-Reform. Die neuen Tarife könnten das Aus für
> viele Clubs bedeuten.
Bild: Nicht gerad beliebt: Meinungsäußerung auf der Demonstration gegen die G…
BERLIN taz | Werden die Nächte in Berlin und anderswo bald langweiliger,
droht gar ein Artensterben in der Clubszene Deutschlands? Das jedenfalls
fürchteten mehrere Tausend Demonstranten, die sich am Montagabend vor der
Berliner Kulturbrauerei versammelten. Anlass der Proteste: ein
Mitgliederfest der „Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und
mechanische Verfielfältigungsrechte“ (Gema), die mit ihrer geplanten
Tarifreform große Unruhe bei den Freunden des Nachtlebens ausgelöst hat.
Clubs, Discos und andere Veranstalter sollen, so der Plan, künftig nach
einem anderen Abrechnungssystem für das Recht bezahlen, Musik von
Gema-Mitgliedern zu spielen. Viele kleinere Läden könnten dann womöglich
die hohen Gebühren nicht mehr aufbringen und müssten schließen, erklärten
Kritiker des Vorhabens, die sich gegen das „undemokratische Monopol“ der
Verwertungsgesellschaft wandten.
Der Streit über Gelder und Gebühren schwelt seit April, als die Gema ihr
neues Tarifsystem vorstellte, dessen Rechtmäßigkeit nun in einem
Schiedsverfahren durch das Deutsche Patent- und Markenamt geprüft wird.
Wichtigste Änderung: Die bisherigen elf Tarifstufen für
Musikveranstaltungen sollen auf zwei Stufen reduziert werden. Die Gema
unterscheidet dann nur noch zwischen Live-Musik und Tonträgerwiedergabe.
Bislang entrichten die Clubs und Diskotheken jährliche Pauschalbeträge. Ab
Januar 2013 müssten sie Gebühren für jede einzelne Veranstaltung zahlen.
Diese Abgaben orientieren sich an der Größe der Veranstaltungsorte und dem
Preis der höchsten Eintrittsgelder. So käme eine Summe von 10 Prozent der
Bruttoeinnahmen an der Tür zustande.
## 10 Prozent der Eintrittspreise
Franco Walther, Content-Manager der Gema, begründet die Entscheidung
gegenüber der taz: „Wir reformieren das System, weil wir den häufig
kritisierten Tarifdschungel vereinfachen wollen.“ Außerdem sei das neue
Modell gerechter: „Bisher haben große Clubs im Verhältnis zu wenig gezahlt
und kleine Veranstalter zu viel.“ Vorbild für das neue System sei die
Spruchpraxis der Schiedsstelle, die dem Justizministerium untersteht.
Dieser zufolge seien 10 Prozent der Eintrittspreise als Mindestvergütung
für Urheber gerecht und angemessen, so wie es in Frankreich und in der
Schweiz bereits üblich sei. Walther: Rund 60 Prozent der Vertragspartner
der Gema würden in Zukunft „gleich viel oder weniger“ bezahlen.
Laut einer tabellarischen Gegenüberstellung auf der Gema-Website sind die
Tarife ab 2013 für die meisten Veranstalter günstiger. Gegner der geplanten
Tarife bezweifeln diese Darstellung allerdings: Bei einer Podiumsdiskussion
in Berlin am Montagnachmittag erklärte etwa Bruno Kramm,
Urheberrechtsbeauftragter der Piratenpartei, dass die Gema-Tabelle
„lediglich die Grundtarife“ vergleiche, nicht aber die Zuschläge, die sich
in den meisten Fällen dazu multiplizieren: Dauert eine Veranstaltung länger
als fünf Stunden - wovon im Nachtleben generell auszugehen ist -, so erhöht
sich der Tarif um 50 Prozent. Nach weiteren drei Stunden erhöht sich der
Tarif erneut um 50 Prozent und so weiter. Hinzu kommt ein
Vervielfältigungszuschlag von 30 Prozent auf den gesamten Betrag bei
Einsatz eines Laptops. Die angeblichen 10 Prozent der Eintrittseinnahmen
sind somit längst überschritten.
„Musikveranstaltungen, die eine Nischenkultur bedienen und daher sowieso
mit geringen Profiten rechnen müssen, werden durch diese Erhöhungen nicht
mehr realisierbar sein“, erklärte Kramm, der selbst Musiker und
Label-Inhaber ist. Auch große Veranstalter wollen sich der Tarifreform
nicht beugen. Olaf Möller, Vorsitzender der Berliner Clubcommission,
kündigt die Schließung des Clubs Berghain zum Jahresende an, sollte die
Reform in Kraft treten.
Thema der von der Gruppe Fairplay organisierten Diskussionsrunde am
Nachmittag mit Sprechern aller Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus ist
auch die Verteilung der Gema-Ausschüttungen an die Künstler, die als wenig
transparent kritisiert wird. Auch die Gema war geladen, hatte aber
abgesagt.
## Rettet den Club-Tourismus
Katrin Schmidberger (Grüne) dringt auf eine Lösung im Streit zwischen Gema
und Veranstaltern: „Der Tourismus ist der einzige Wirtschaftszweig Berlins,
der ordentlich funktioniert. Wenn die Clubs schließen, dann bricht die
gesamte Branche ein.“ Der CDU-Medienpolitiker Christian Goiny rief am
Dienstag „alle Beteiligten zur Fortsetzung des Dialogs zur Lösung in der
Auseinandersetzung auf“. Die Gema laufe als Monopolist Gefahr, „ihre
gesellschaftliche Akzeptanz zu verlieren“.
In der Kritik steht auch die Art und Weise, wie die Gema die gespielten
Musiktitel erfasst und wie sie die Tantiemen an die Künstler verteilt. Noch
basiert die Vergabe der eingenommenen Gema-Gebühren auf einem
Stichprobenverfahren, wodurch jede Woche in einer von 120 Diskotheken eine
Stunde Musik aufgenommen und dann von Hand ausgewertet wird. Abgesehen von
der Intransparenz des Verfahrens, fallen unbekannte Titel leichter durch
die Maschen des Erfassungsnetzes. Künstler mit hoher Bekanntheit
profitieren umso mehr.
Dass die tatsächlich gespielten Werke nach derzeitigen technologischen
Standards auch elektronisch ermittelt werden könnten, beweist die Praxis in
holländischen Diskotheken. Auf die Frage, wie die Gema ihre Gelder konkret
verteilt, sagt Walther: „Dieses System gibt es seit dem Bestehen der Gema
und es wird jedes Jahr angepasst. Inzwischen ist das ein relativ komplexes
Geflecht.“
Die Idee, nur Gema-freie, also Musik von nicht angemeldeten Künstlern zu
spielen, scheint wenig realistisch. Dagegen spricht die bisherige Praxis
der sogenannten Gema-Vermutung: Sie geht so lange davon aus, dass bei jeder
Musikveranstaltung Gema-pflichtige Titel gespielt werden, bis dies anhand
haarklein geführter Listen widerlegt wird. Dazu müsste jeder DJ alle in
seinem Mix spontan verwendeten Titel im Grunde genommen während seines
Auftritts mit Gema-Werk-Nummer und bürgerlichem Namen des Komponisten
dokumentieren. Bei einer Veranstaltung von 10 Stunden und einer
Einzeltitellänge von 3 Minuten käme man auf 200 Titelangaben pro Abend. Wo
aber bliebe bei so viel bürokratischem Aufwand noch Raum für die Kunst des
Auflegens?
26 Jun 2012
## AUTOREN
F. Aydemir
C. v. Wedemeyer
## TAGS
Schwerpunkt Urheberrecht
Schwerpunkt Urheberrecht
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