# taz.de -- Rassismus im ukrainischen Fußball: Das mühsame Öffnen der Türen | |
> Pawel Klimenko kämpft gegen Rassismus in ukrainischen Stadien. Das kann | |
> lebensgefährlich sein. Fußballfunktionäre und Politiker leugnen das | |
> Problem. | |
Bild: Fußballfans protestieren 2007 für eine Beschränkung der ausländischen… | |
KIEW taz | Pawel Klimenko ist zuversichtlich. Vor dem ersten Spiel in Kiew | |
zwischen der Ukraine und Schweden hat er nicht allzu viele Problemfans | |
ausgemacht in der Innenstadt. „Nur ein paar wenige russische Nazis“, meint | |
er. | |
Klimenko streift durch die Fanzone und sieht sich um. Das ist seine Aufgabe | |
am Tag des Spiels zwischen Schweden und der Ukraine. Er ist einer jener | |
engagierten Fans, die von der Uefa gefördert, das Geschehen in und um die | |
Stadien beobachten und rassistische, antisemitische oder faschistische | |
Vorkommnisse protokollieren sollen. | |
An diesem Montag bereiten ihm die Aussagen ukrainischer Offizieller und | |
Politiker indes mehr Kopfzerbrechen als rechte Fans oder rassistische | |
Zuschauer. Sowohl der ukrainische Ministerpräsident Mikola Asarow als auch | |
Nationaltrainer Oleg Blochin hatten vehement abgestritten, dass überhaupt | |
Rassismus in der Ukraine existiere. | |
Klimenko kann das nicht verstehen. Er ist Anhänger des Erstligisten Arsenal | |
Kiew. Dessen Fans engagieren sich gegen Rassismus und Neofaschismus in den | |
Kurven der ukrainischen Stadien. Ein gefährliches Engagement. Klimenko | |
erzählt, dass er sein Gesicht verhüllt, wenn ukrainische Medien auf ihn | |
zukommen, um über ihn und seine Arbeit für die von ihm mitgegründete | |
Organisation „Fußball gegen Vorurteile“ zu berichten. | |
## Überfall mit Schwerverletztem | |
Gesicht zu zeigen im Kampf gegen finstere Fanseilschaften ist gefährlich in | |
der Ukraine. T-Shirts mit der Aufschrift „Love football – hate racism“ zu | |
verteilen, so wie es Arsenal-Anhänger getan haben, ist nicht | |
selbstverständlich. Unvergessen ist der Überfall von 50 organisierten | |
Nazi-Anhängern auf 30 Arsenal-Fans nach einem Ligaspiel im August 2010. Mit | |
Messern und Schlagringen wurden die Arsenal-Fans angegriffen. Einer wurde | |
durch Messerstiche in die Brust lebensgefährlich verletzt. Klimenko ist | |
heilfroh, dass er nicht dabei war. Es war Zufall. Er weiß, dass es auch ihn | |
hätte treffen können, es ihn jederzeit treffen kann. | |
An diesem Tag hat er indes keine Angst. „Ich habe den Eindruck“, sagt er, | |
„dass sich die Nazifans vom Turniergeschehen bis jetzt bewusst fernhalten.“ | |
Damit generell nichts passiert, engagiert er sich, holt sich Rat bei | |
internationalen Fanvereinigungen wie Footbal against Racism in Europe | |
(Fare) oder Football Supporter Europe (FSE). | |
Klimenkos Arbeit ist bekannt in der Ukraine, und er dachte, das Problem des | |
Rassismus im Fußball sei auch in seiner Heimat erkannt worden. „Das Leugnen | |
des Problems verschließt wieder alle Türen, die wir zumindest ein Stück | |
öffnen konnten.“ | |
Er schüttelt den Kopf. Nicht nur Oleg Blochin reagiert regelrecht genervt | |
auf das Thema. Als er bei einer Pressekonferenz vor dem Spiel gegen | |
Schweden auf das Rassismusproblem angesprochen wurde, nahm er den Kopfhörer | |
für die Simultanübersetzung ab und hätte das Podium am liebsten verlassen. | |
Dabei konnte er froh sein, dass ihn keiner auf seine früheren Äußerungen | |
angesprochen hat. | |
## „Nicht von irgendwelchen Zumba-Zumbas“ | |
Er selbst war Teil des Rassismusproblems, als er sich 2006 darüber | |
beklagte, dass zu viele Nichtukrainer in der heimischen Liga spielen | |
würden. Auf den ukrainischen Nachwuchs anspielend sagte er damals: „Lass | |
sie von Schewtschenko oder Blochin lernen und nicht von irgendwelchen | |
Zumba-Zumbas, die sie vom Baum geholt und ihnen zwei Bananen gegeben haben, | |
damit sie in der ukrainischen Liga spielen.“ Am Sonntag sagte er: „Ich habe | |
keine Lust, über Rassismus zu sprechen.“ | |
Es ist, als hätte sich nichts getan im EM-Gastgeberland. Dabei setzte Pawel | |
Klimenko große Hoffnungen auf die Uefa und ihr Programm „Respect | |
Diversity“, unter dessen Label auch das Fan-Monitoring läuft. Doch die Uefa | |
tut sich schwer, das schöne Label mit echten Engagement zu unterfüttern, | |
und weiß nicht so recht, wie weit sie gehen soll in ihrer antirassistischen | |
Haltung. | |
Einerseits fordert sie die Bürgermeister der 16 Orte, in denen EM-Teams | |
wohnen, trainieren oder spielen, dazu auf, mit polizeilicher Gewalt gegen | |
alle rassistischen Einlassungen vorzugehen. Andererseits hat Uefa-Präsident | |
Michel Platini kein Verständnis für Spieler, die nach rassistischen | |
Beleidigungen das Spielfeld verlassen wollen. | |
Während Klimenko über seine Arbeit berichtet, ruft eine Kollegin aus Donezk | |
an. „Da gibt es Probleme mit der Akkreditierung“, meint Klimenko. Er macht | |
sich mit dem schwedischen Fanbeobachter am frühen Nachmittag auf den Weg | |
zum Olympiastadion. Es könnte ja sein, dass es auch hier Probleme mit dem | |
Zutritt zur Arena geben könnte. | |
12 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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