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# taz.de -- Rassismus bei den EM-Gastgebern: „Ein paneuropäisches Problem“
> Fremdenfeindlichkeit ist ein fester Bestandteil der Fankultur in Polen
> und der Ukraine. Der Sozialwissenschaftler und „Never-Again“-Aktivist
> Rafal Pankowski kämpft seit langem dagegen.
Bild: „Wir haben ein spezielles Toolkit für Vereine erstellt“, sagt Aktivi…
taz: Herr Pankowski, immer wieder kommt es zu rassistischen Exzessen im
polnischen Fußball. Wann gab es zuletzt fremdenfeindliche Vorfälle?
Rafal Pankowski: Der letzte Fall stammt vom vergangenen Wochenende, als die
Fans eines polnischen Klubs antisemitische Gesänge angestimmt haben. Es ist
bitter, dass so etwas fast jede Woche in Polen und der Ukraine passiert. In
der ersten Liga werden rassistische Symbole aber seltener als noch vor fünf
Jahren präsentiert. Außerdem ist es nun sehr viel wahrscheinlicher, dass
von offizieller Seite und der Presse reagiert wird. Das ist auch ein Erfolg
der Arbeit von Fare und Never Again. Für die unteren Ligen, da, wo es
schwieriger zu kontrollieren ist, haben wir etwas mehr Hinweise auf
rassistische Vorfälle. Die Situation hat sich zwar insgesamt verbessert,
aber in unseren Augen nicht schnell genug, um zu sagen, zur EM ist nicht
mit rassistischen Vorfällen zu rechnen.
Was unternimmt der Polnische Verband gegen Rassismus in den unteren Ligen?
Wir haben ein spezielles Toolkit für Vereine erstellt. Das soll helfen,
Rassismus im Stadion zu erkennen und darauf zu reagieren. Das findet von
der ersten bis zur untersten Liga Anwendung. Wir wünschen uns aber schon
eine aktivere Einstellung aufseiten der Verbände und Vereine. Es ist
wichtig zu reagieren und rassistische Handlungen zu bestrafen.
Wenn Sie rassistische Vorfälle beobachten und darüber berichten, greift
dann der Verband unverzüglich durch?
Es ergibt sich da kein einheitliches Bild. Es gibt Beispiele für
Bestrafungen durch den Verband. In der Regel werden Geldstrafen für
rassistisches Verhalten in Stadien ausgesprochen. Oft handelt es sich da um
antisemitisches Verhalten. Es gibt aber auch andere Fälle, in denen keine
Strafen ausgesprochen werden, und es ist natürlich Teil unseres
Engagements, die Aufmerksamkeit auf diese Fälle zu lenken.
Wie sieht Ihr Engagement zur EM aus?
Während des Turniers wollen wir nicht nur versuchen, die Zahl rassistischer
Vorfälle möglichst klein zu halten. Es ist uns auch wichtig, dass in
angemessener Weise öffentlich gemacht wird, wenn es zu Fällen von offenem
Rassismus kommt. Es ist keine neue Erkenntnis, dass es Rassisten im Umfeld
des polnischen und ukrainischen Fußballs gibt. Wichtig ist, dass angemessen
darauf reagiert wird und die Vorfälle nicht ohne Folgen bleiben.
Rassismus gibt es in vielen Ländern. Warum aber hat man den Eindruck, dass
er in Polen und der Ukraine offener zur Schau gestellt werden kann?
Die Situation hat sich in den letzten Jahren verbessert, aber es muss
sowohl in Polen als auch in der Ukraine noch viel getan werden. Aber
Rassismus ist ein paneuropäisches Problem. Es ist falsch, mit dem Finger
nur auf dieses oder jenes Land zu zeigen.
Wie kann die EM im Kampf gegen Rassismus helfen?
Sicherlich stehen die Bürger Polens und der Ukraine nicht nur hinsichtlich
der EM, sondern auch für die Zeit nach dem Turnier in der Verantwortung,
alles Menschenmögliche zu tun, um Rassismus zu minimieren. Es reicht nicht,
nur während des Turniers eine Kampagne gegen Rassismus zu starten, und
danach ist dann alles wieder egal. Die Zeit nach der EM ist wichtig, und es
bleiben Fortschritte im Kampf gegen Rassismus als positives Vermächtnis des
Turniers.
Was wird konkret getan?
Wir organisieren Trainings für Stewards, die bei den Spielen eingesetzt
werden. In Polen haben wir bereits 7.000 Menschen ausgebildet. Diese
Menschen werden hier bleiben und auch nach der Europameisterschaft für
Klubs und in der polnischen Liga arbeiten. So kann unser Engagement über
das EM-Turnier hinaus wirken und positive Effekte auf die polnische
Fußballkultur insgesamt haben.
Können die Stadien in Polen und der Ukraine durch die EM offenere Orte
werden, sodass auch mehr Familien, ältere Menschen und Frauen zu den
Spielen kommen?
In Polen und der Ukraine hat man sehr schöne große Stadien für die EM
gebaut. Die Ligaspiele besuchen aber nur wenige Menschen, vor allem in
Polen. Zum Teil liegt das daran, dass der Gang ins Stadion in den
vergangenen Jahren als gefährlich oder zumindest als unangenehm galt. Im
Zuge der EM ändert sich die Fankultur in Polen und der Ukraine hoffentlich
und wird offener und toleranter.
Gibt es in Polen und der Ukraine Klubs, die sich explizit antirassistischen
engagieren?
Leider sind Fangruppen einzelner Vereine meist eher rechts. Einige
Fanvereinigungen der größten polnischen Clubs sind sogar sehr stark rechts
orientiert. Am 11. November letzten Jahres, dem polnischen
Unabhängigkeitstag, unterstützten einige Fangruppen den Marsch der
Rechtsextremisten durch Warschau. Es gibt aber auch positive Beispiele wie
Arsenal Kiew, einen Erstligisten, dessen Fans stark antirassistisch
engagiert sind. Aber das ist eher die Ausnahme als die Regel.
Könnten sich Fangruppen zusammentun und eine Erklärung gegen Rassismus
abgeben?
Eine Erklärung ist nur ein Stück Papier und bedeutet erst mal nicht viel.
Wir möchten, dass sich Fangruppen aktiv gegen Rassismus engagieren. Wir
sind da ambitionierter. Grundsätzlich sagen wir immer, wenn wir im Dialog
mit Fans sind, dass passive Akzeptanz eine Form der Unterstützung von
Rassismus ist.
Wie kann das gehen?
Wir arbeiten zunehmend mit Vereinen zusammen. Im Oktober letzten Jahres
fand eine Aktionswoche in ganz Europa statt. In Polen haben erstmals alle
Erstligisten ein antirassistisches Statement abgegeben, und die Spieler
haben den Platz mit einem Banner mit der Aufschrift „Kickt Rassismus raus
aus den Stadien“ betreten. Die Kinder, die die Spieler aufs Feld begleitet
haben, trugen T-Shirts mit Slogans gegen Rassismus. Das war ein echter
Schock für viele Hardcorefans, die so etwas noch nie zuvor im Stadion
gesehen hatten. Das war großartig. Viele Vereine veröffentlichten
antirassistische Statements auf ihren Homepages. Das war ein historischer
Moment.
Werden Sie eigentlich für Ihr Engagement auch persönlich angegriffen?
Leider ja. Aber daran muss man sich gewöhnen. Allerdings lassen wir uns
dadurch nicht beirren, wir machen einfach weiter. Wir sind froh über die
konkreten Ergebnisse unserer Aktivitäten. Aber auch heute kann man wieder
feindselige Kommentare und Artikel auf Fan-Sites lesen, gegen
antirassistisches Engagement, gegen Fare und Never Again. Aber wir lassen
uns nicht verunsichern, auch wenn es unangenehm ist, wir machen weiter.
Es ist also nicht jeder glücklich über Ihr Engagement?
In gewisser Weise zeigt das ja, dass wir einen sehr empfindlichen Punkt
treffen. Wenn sich niemand von uns gestört fühlt, ist unsere Arbeit
sinnlos. Die rechtsextremen Fangruppen ärgern sich über uns, und das zeigt,
wir sind auf dem richtigen Weg. Allerdings bekommen wir auch viel
Unterstützung und Solidaritätsbekundungen, die uns motivieren
weiterzumachen.
Was geschieht jetzt noch bis zur EM?
Es ist eine sehr anstrengende, aber auch aufregende Zeit. Wir haben ein
großes Weiterbildungsprogramm, viele Coachings mit Trainern und Lehrern.
Und es gibt eine Aktion, die „Inclusive Zones“ heißt. Diese Kampagne
bezieht auf Postern und Stickern Stellung gegen Rassismus und
Diskriminierung und findet im Rahmen der „Respect Diversity“-Kampagne der
Uefa statt. Wenn Fans im Juni nach Polen und in die Ukraine kommen, werden
sie Poster und Sticker vorfinden, die ihnen sagen, dass dieser Ort
friedlich und tolerant ist.
28 Apr 2012
## AUTOREN
Peter Dittmann
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